Update 21.10., 14 Uhr: Nach knapp einer Woche intensivmedizinischer Behandlung am Uniklinikum Essen wegen einer schweren Pilzvergiftung hat ein weiteres Kind eine Spenderleber erhalten. Damit sei nun bei drei der vier Patienten eine Transplantation erfolgt - bei zwei Kindern und einem Erwachsenen, schilderte das Klinikum am Montag. Bei dem vierten Patienten, einem fünf Jahre alten Jungen, „sieht es so aus, als regeneriere sich die Leber selbst“. Die Klinik betonte weiter: „Der Zustand aller Patienten ist stabil, sie werden weiterhin engmaschig und intensiv betreut.“
In Münster wird eine Patientin ebenfalls wegen einer schweren Pilzvergiftung seit einer Woche intensivmedizinisch behandelt. „Die Patientin befindet sich weiterhin in einem kritischen Zustand und muss deshalb noch immer intensivmedizinisch behandelt werden“, sagte ein Kliniksprecher am Montag auf dpa-Anfrage. Auch in diesem Fall handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Vergiftung mit Knollenblätterpilzen, eine Spenderleber wird gesucht.
Uniklinik Essen: Zweite Spenderleber gefunden
Update 17.10., 16.30 Uhr: Nachdem am Mittag bekannt wurde, dass für den Vater eine potenzielle Spenderleber gefunden worden sei, gibt es nun weitere positive Nachrichten aus dem Klinikum in Essen. Zwei der vier Patienten wurden bereits in der chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Essen transplantiert, wie die Klinik am Nachmittag mitteilte. „Der Gesundheitszustand ist in beiden Fällen weiterhin kritisch.“ Zwei der Kinder würden weiterhin auf eine Spenderleber warten. Über die Aussicht zur Genesung lasse sich derzeit keine zuverlässige Prognose stellen.
Auch in Münster kämpft eine junge Frau aus dem Münsterland ums Überleben, nachdem sie im Wald Pilze gesammelt, selbst zubereitet und gegessen hat. Um welche Pilze es sich hierbei gehandelt hat, teilte das Uniklinikum Münster nicht mit. Die Frau sei bei den ersten Symptomen in ein nächstgelegenes Krankenhaus gegangen und dann nach Münster verlegt worden, wo sie aktuell mit schweren Leberschäden auf der Intensivstation liege. Auch sie benötigt ein Spenderorgan.
Spenderleber für Vater gefunden
Update 17.10., 12.35 Uhr: Es gibt wohl erste Hoffnung für die drei Kinder und den Vater, die nach dem Verzehr von Knollenblätterpilzen an Leberversagen leiden und in Lebensgefahr schweben. Wie die WAZ mit Bezug auf einen Bericht von stern.TV von Mittwochabend berichtet, gibt es wohl nun ein Spendenangebot für den Vater: „Was ich jetzt aktuell als kleines Positives berichten kann, ist, dass zumindest der Vater, der bei uns liegt, jetzt ein Angebot hat, das wahrscheinlich auch funktioniert“, sagte der Direktor der Kinderklinik II der Uniklinik, Prof. Dr. Lars Pape, in dem Fernsehbeitrag. Auch die anderen Elternteile seien erkrankt, weil es sich bei den Pilzen um Mahlzeiten handelt, die die Familien zusammen zu sich genommen hätten.
Sie wurden nach Essen gebracht, weil es zu einem der wenigen Lebertransplantationszentren in Deutschland gehört. Die Uniklinik arbeitet nicht nur mit Spenderorganen von Verstorbenen, sondern auch mit Lebendspenden, da es möglich ist, einen Teil seiner Leber zu spenden. „Wir haben immer wieder Fälle mit akutem Leberversagen, wo ein Elternteil spenden kann“, erläutert Prof. Pape in dem Fernsehbeitrag.
Kinder und Elternteil weiter in Lebensgefahr
Update 16.10., 11.50 Uhr: Die drei Kinder, die nach Knollenblätterpilz-Verzehr von Experten der Universitätsmedizin Essen wegen akuten Leberversagens behandelt werden, schweben weiter in Lebensgefahr. Sie waren in der Nacht zu Dienstag laut Uniklinikum mit akutem Leberversagen in die Kinderklinik aufgenommen worden und benötigten dringend eine Notfalltransplantation. Eine Kliniksprecherin sagte nun auf dpa-Anfrage, der Zustand sei unverändert ernst, es gebe keine neue Entwicklung.
Die Kinder sind den Angaben zufolge zwischen fünf und 15 Jahre alt. Woher genau sie kommen und ob es sich um Jungen oder Mädchen handelt, könne man nicht sagen. Auch der Vater eines der Kinder wird weiter wegen Leberversagens behandelt, hieß es.
Essen: Drei Kinder wegen Giftpilzen in Lebensgefahr
Erstmeldung 15.10., 16.53 Uhr: Herbstzeit ist Pilzzeit. Doch wie gefährlich das Selbstsammeln werden kann, davor warnt aus einem erschreckenden Anlass das Uniklinikum Essen am Dienstag. Dort wurden in der Nacht gleich drei Kinder mit akutem Leberversagen eingeliefert. Der Grund: selbst gesammelte Pilze, die giftig waren. Alle drei Kinder schweben nun in Lebensgefahr und benötigen dringend eine Notfall-Lebertransplantation. Außerdem werde der Vater eines der Kinder deshalb behandelt.
In einem Fall seien zwei Cousins eingeliefert worden, in einem anderen Fall ein weiteres Kind aus einer anderen Familie. Zu Alter und Herkunft der Kinder ist nichts bekannt. Alle drei Kinder stammten nicht aus Nordrhein-Westfalen und seien zur Behandlung zu den Experten nach Essen gebracht worden. Die Universitätsmedizin Essen ist nach eigenen Angaben eines der wenigen Lebertransplantationszentren in Deutschland.
Der Knollenblätterpilz ist einer der giftigsten Pilze in Europa
Essbare und giftige Pilze zu unterscheiden, ist nicht einfach. Der Knollenblätterpilz gilt als einer der giftigsten Pilze überhaupt. Und dieser hochgiftige Vertreter sehe dem Champignon sehr ähnlich, sagte Experte Markus Cornberg der Deutschen Presse-Agentur. Der Medizinische Geschäftsführer der Deutschen Leberstiftung warnte vor dem Verzehr selbst gesammelter Pilze aus dem Wald, das Risiko einer Vergiftung sei zu hoch.
Cornberg mahnte: „Finger weg von Pilzen aus dem Wald.“ Auch auf Apps solle man sich als Laie nicht verlassen. „Pilze sollte man im Supermarkt kaufen.“ Wer unbedingt sammeln wolle, solle das nur zusammen mit ganz erfahrenen Pilzexperten tun. „Der Knollenblätterpilz lauert überall.“ Wie stark die Vergiftung ausfalle, hänge vor allem davon ab, wie viel man von dem Knollenblätterpilz gegessen habe. Eine Rolle könne aber auch spielen, wie groß und schwer die betreffende Person sei.
Wenn Beschwerden auftreten, sei Eile geboten
Das Toxin des Knollenblätterpilzes werde über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Wenn dort Beschwerden auftreten, sei Eile geboten. Bei schnellem Eingreifen – etwa mit Kohletabletten – sei ein Leberschaden noch aufzuhalten, es gebe auch ein Gegengift, erläuterte er. Als Intensivmaßnahme bei drohendem Leberversagen gebe es die Möglichkeit, das Gift aus dem Körper herauszuwaschen. Akutes Leberversagen bedeutet laut Stiftung, dass die Leberfunktion komplett zusammenbricht. Weil dieses Krankheitsbild lebensbedrohlich sei, müsse eine Lebertransplantation geprüft werden.
Vergiftungsfälle nach Pilzverzehr würden nicht gemeldet, es gebe keine Zahlen, schilderte Mediziner und Wissenschaftler Cornberg. 2023 seien der Stiftung wieder zunehmend viele Fälle bekanntgeworden, da es sehr früh im Jahr feucht gewesen sei, was das Pilz-Wachstum begünstige. Auch dieses Jahr sei bisher sehr feucht ausgefallen.
Auch der Pilz-Experte Dr. Jens Wöllecke von der AGON Schwerte betonte, dass das Pilzesammeln nichts für Laien ist: „Es ist eine eindeutige Bestimmung notwendig, um sich mit Pilzen nicht den Magen zu verderben oder womöglich schwerwiegend zu vergiften.“ Daher sollte man die Speisepilze, die hier in der Region wachsen, gut kennen und auch die Giftpilze identifizieren können, sagte der Experte eindringlich.
Die Speisepilze können nämlich schnell mit gefährlichen Sorten, wie etwa dem Grünen Knollenblätterpilz und dem Gifthäubling verwechselt werden, erklärte Wöllecke bei einem Gespräch mit der Redaktion vor ein paar Wochen. Der Verzehr könne bereits bei kleinen Mengen zu schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Vergiftungen führen, bei denen die Betroffenen auf Ersatzorgane und Dialysen angewiesen seien. Genau das ist nun bei den drei Kindern im Essener Klinikum der Fall. Das Klinikum sowie auch Wöllecke raten daher dringend vom Pilzesammeln ohne ausgebildeten Experten ab. Auch von Bestimmungs-Apps hält der Experte nichts: „Es gibt keine vernünftige App dazu und leider auch keine Standardregel, um Speisepilze verlässlich von Giftpilzen unterscheiden zu können.“
Großteil aller tödlichen Pilzvergiftungen durch Knollenblätterpilz
Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung werden diesem durchschnittlich zehn Pilzvergiftungen pro Jahr ärztlich mitgeteilt, die Giftinformationszentren der Länder beantworten über 3.000 Anfragen zu Pilzen pro Jahr.
Das BfR und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gehen davon aus, dass der Knollenblätterpilz für den Großteil aller tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland ursächlich ist. Bei Kindern könne je nach Alter und Gewicht schon der Verzehr einer geringen Menge von fünf bis zehn Gramm tödlich ausgehen.
Angaben im Deutschen Ärzteblatt im Oktober 2020 zufolge wurden in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018 insgesamt 4.412 stationäre Behandlungen und 22 Todesfälle aufgrund toxischer Wirkung verzehrter Pilze verzeichnet, 90 Prozent der tödlichen Pilzvergiftungen wurden demnach durch den Knollenblätterpilz verursacht.
mit dpa
Pilze im Cappenberger Wald?: Was Sammler in Selm und Lünen beachten müssen
Experte aus Schwerte warnt: Zwei heimische Pilze extrem giftig: Vergiftungsfälle in Essen