Großbritannien will 14 hochmoderne Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 an die Ukraine liefern. Das schwere Gerät soll helfen, die russischen Panzer auszuschalten. Ein pikantes Detail: Der Challenger verschießt unter anderem Projektile aus Uran. Wladimir Putin reagiert auf die Lieferung mit der Androhung von Konsequenzen: „Ich möchte anmerken, dass Russland gezwungen sein wird, entsprechend zu reagieren, wenn all dies passiert.“ Der russische Machthaber nennt die Munition „Waffen mit einer nuklearen Komponente“. Die britische Regierung bezeichnet das wiederum als Fake News.
Professor Johann Höcherl erklärt, was es mit der Uranmunition auf sich hat: „Man muss sich die Geschosse wie lange, extrem schwere Metallspeere vorstellen.“ Der Wissenschaftler forscht zu Waffen- und Munitionstechnik an der Universität der Bundeswehr in München. „Der Vorteil dieses Materials ist seine extrem hohe Dichte. Dadurch fliegen die Projektile sehr weit und haben eine hohe Durchschlagskraft. Eine sehr wirksame Waffe vor allem im Panzerduell.“
Uran: günstiges Material mit enormer Durchschlagskraft
Das Uran, das für die Herstellung der Projektile verwendet wird, ist zumeist ein nur schwach strahlendes Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Brennstäben für Atomkraftwerke anfällt. Hierbei wird aus dem Uranerz das sogenannte Uranisotop 235 herausgelöst, mit dem man Atomkraftwerke betreibt oder Atomwaffen bestückt. Übrig bleibt eine vielfach größere Menge des Uran 238, das für die Projektile der britischen Panzer zum Einsatz kommt. Dieses Uran 238 sei „relativ günstig und hat sehr gute ballistische Eigenschaften auf der Flugbahn und im Ziel“, so Höcherl.
Uran ist rund 70 Prozent schwerer als Blei und bedeutend härter. Die Geschosse verlassen den Panzer mit fast 6000 Kilometern pro Stunde – achtmal so schnell wie ein Passagierjet. „Wenn die angespitzten Pfeile auf der Panzerung des gegnerischen Fahrzeugs einschlagen, wirkt extrem viel kinetische Energie auf einer sehr kleinen Fläche“, sagt Höcherl. So kann auch sehr starke Panzerung durchschlagen werden.
Die problematische Wirkungsweise hierbei: Beim Aufschlag wird das Projektil pulverisiert und verbrennt teilweise. Dabei wird eine große Menge Uranstaub freigesetzt. „Das Verbrennen des Urans ändert aber nichts an der Strahlung des Materials“, sagt Waffenexperte Höcherl. „Das Material ist zwar nur ein Alphastrahler, also nur über sehr kurze Distanz wirksam. Wenn man aber den Staub einatmet und dieser längere Zeit im Körper verbleibt, wird es gefährlich.“
Auch wenn die Geschosse aus grundsätzlich radioaktivem Material bestehen, kann man sie nicht als Atom- oder Nuklearwaffe bezeichnen, sagt Höcherl. „Beim Wirkmechanismus einer Nuklearwaffe kommt es entweder zu einer Spaltung oder einer Verschmelzung von Atomkernen. Das ist bei Uranprojektilen nicht gegeben.“ Es gehe darum, kinetische Energie möglichst effektiv ins Ziel zu bringen. „Man könnte die Geschosse auch aus Stahl herstellen. Die hätten schlicht nicht die gleiche Durchschlagskraft.“ Dass die Erwähnung von Urangeschossen im Krieg – allein wegen des Namens – zu emotionalen Reaktionen in der Öffentlichkeit sorgt, kann Höcherl jedoch nachvollziehen.
Einsätze von Uranmunition sind vor allem durch Nato-Staaten bekannt. So haben US-Truppen in den Kriegen im Irak schätzungsweise 400 Tonnen der Munition verschossen. Wie schädlich die Rückstände der Munition für die Bevölkerung sind, ist in der Wissenschaft umstritten. In einer Studie etwa haben Forscher vermehrt Uranpartikel in den Körpern irakischer Frauen nachgewiesen und bringen eine erhöhte Zahl von Brustkrebserkrankungen in Verbindung mit dem Gebrauch der Munition. Eine andere Studie zeigt, dass sich bestimmte Krebsarten in irakischen Kriegsgebieten nach dem Einsatz der Urangeschosse verdreifacht haben.
Panzerwracks in große Plastiktüten verpackt
Auch im Jugoslawienkrieg in den 1990er-Jahren kamen Urangeschosse zum Einsatz. Dort wurde nach den Gefechten versucht, die potenziell schädliche Wirkung einzudämmen, sagt Höcherl. „Man hat die Panzerwracks mit übergroßen Kunststofftüten eingepackt, um zu verhindern, dass sich der Uranstaub verteilt.“ Ob in der Ukraine ähnliche Maßnahmen getroffen werden, kann Höcherl nicht sagen.
Die Gefahr für die Soldaten, die mit der leicht strahlenden Munition hantieren, hält der Waffenforscher für gering: „Die Geschosse sind verkapselt. Da kommt man nicht in direkten Kontakt.“ Außerdem könne man davon ausgehen, dass das amerikanische und britische Militär seine eigenen Soldatinnen und Soldaten nicht größerer Strahlung aussetzt. „Die würden das kaum machen, wenn Gefahr für die eigenen Leute besteht“, sagt Höcherl.
Neben den USA und Großbritannien haben auch China, Frankreich und Russland ähnliche Urangeschosse im Arsenal. Ein großflächiger Einsatz durch russische Truppen ist dem Militärexperten Höcherl nicht bekannt. Die Bundeswehr verwendet keine Uranmunition. Das geht aus einer Anfrage der Linken im Bundestag aus dem Jahr 2020 hervor. Im Kampfpanzer Leopard 2 kommen etwa panzerbrechende Geschosse aus Wolfram-Sinter-Legierungen zum Einsatz. Aber auch das ist ein Schwermetall, das beim Aufschlag auf einen feindlichen Panzer teilweise in der Umgebung verteilt wird. Die Folgen seien weniger gefährlich, „aber auch das will man nirgendwo im Körper haben“, gibt Höcherl zu bedenken.
Ob die 14 Challenger-2-Panzer mit Uranmunition den Ukrainern einen entscheiden Vorteil bringen werden, bezweifelt Höcherl: „Zum einen braucht es eine gute Ausbildung der Truppe, die die Panzer bedienen können. Zum anderen ist es natürlich eine Frage des Kräfteverhältnisses. Mit einer Kompanie von 14 Panzern wird man auf dem Schlachtfeld keine Wende erzielen können.“
RND
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