U-Haft für Türkei-Korrespondent "unverhältnismäßig"

Reaktionen auf Yücel-Urteil

Seit am Montagabend bekannt wurde, dass der Journalist Deniz Yücel in der Türkei in Untersuchungshaft muss, häufen sich die Reaktionen. Kritik an der Gerichtsentscheidung kommt sogar aus den Reihen der türkischen Regierungspartei AKP. Auch deutsche Parteien und Politiker positionieren sich deutlich zu der Entscheidung.

ISTANBUL

28.02.2017, 11:06 Uhr / Lesedauer: 2 min
Ein Autokorso-Teilnehmer hat ein Plakat «#Free Deniz» am 25.02.2017 in Flörsheim (Hessen) auf der Seitenscheibe und macht dabei das Victory-Zeichen.

Ein Autokorso-Teilnehmer hat ein Plakat «#Free Deniz» am 25.02.2017 in Flörsheim (Hessen) auf der Seitenscheibe und macht dabei das Victory-Zeichen.

Die Untersuchungshaft für den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel in Istanbul ist auch in der türkischen Regierungspartei AKP auf Kritik gestoßen. Er sehe „die Gerichtsentscheidung kritisch“, sagte der deutsch-türkische Abgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Parlament, Mustafa Yeneroglu, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. „Ohne Einzelheiten zu kennen und soweit ich den Berichten entnehmen kann, denke ich, dass der Propagandabegriff zu weit ausgelegt worden ist.“ Yeneroglu warf Yücel zugleich vor, „mehr Aktivist als Journalist“ zu sein.

Was wird Yücel vorgeworfen?

„Seine Berichte über die Türkei sind meistens von tiefen persönlichen Ressentiments geprägt, entsprechend auch extrem verzerrt, er fokussiert und überspitzt, wo es seinem Bild passt und blendet aus, wo es dem eigenen Weltbild nicht entspricht“, sagte Yeneroglu. „Insbesondere die Berichterstattung über die (verbotene kurdische Arbeiterpartei) PKK ist mindestens von Symphatie für die Terrororganisation geprägt, die er wohl nicht als solches betrachtet.“ Ein Richter hatte am Montagabend Untersuchungshaft für Yücel erlassen, dem unter anderem Terrorpropaganda vorgeworfen wird.

Yeneroglu sagte zur Kritik an dem Beschluss aus Deutschland: „Kritik ist willkommen, solange sie sachlich ist, nicht verallgemeinert und im konkreten Beispiel nicht verkennt, dass die Haftentscheidung die eines unabhängigen Gerichts ist und nicht der türkischen Regierung.“ 

Die Reaktion der Linken:

Die Linke im Bundestag hat eine Aktuelle Stunde zum Fall Deniz Yücel im Bundestag beantragt. Bei der Debatte solle es in der kommenden Woche um die Haltung der Bundesregierung zu Yücel und allen anderen inhaftierten Journalisten in der Türkei gehen, teilte die Fraktion am Dienstag in Berlin mit. 

So äußert sich Heiko Maas:

Bundesjustizminister Heiko Maas hat das Vorgehen in der Türkei gegen den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel scharf kritisiert. Der Umgang mit dem Journalisten sei „völlig unverhältnismäßig“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Kritische Berichterstattung ist fundamentaler Bestandteil demokratischer Willensbildung. Das Wegsperren von missliebigen Journalisten ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit unvereinbar.“

Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte halte, „wird eine Annäherung an die EU immer schwieriger bis unmöglich“, sagte Maas. Mit Blick auf Auftritte türkischer Politiker in Deutschland fügte der Minister an: „Wer bei uns die Meinungsfreiheit in Anspruch nimmt, sollte auch selbst Rechtsstaat und Pressefreiheit gewährleisten.“

Das sagt Sigmar Gabriel:

Außenminister Sigmar Gabriel sprach von „schwierigen Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen“. Er fügte hinzu, der Fall werfe „ein grelles Schlaglicht auf die Unterschiede, die unsere beiden Länder offensichtlich bei der Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze und in der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit haben“. 

Auch Angela Merkel hat sich geäußert: 

„Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat", sagte die Bundeskanzlerin am Dienstag. 

Welle der Solidarität für Yücel: 

Die Bekanntmachung des Gerichtsentschlusses war Anlass für eine große Welle der Solidarität in ganz Deutschland. „Ich glaube, man möchte Deniz Yücel auch als Pfand behalten. Und bei nächster Gelegenheit, wenn man etwas braucht von der Bundesrepublik, dann mit Frau Merkel verhandeln und ihn eventuell freilassen.“, so der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu im Radiosender "Hr-Info". Auch FDP-Chef Christian Lindner stellte sich hinter Yücel und gegen die Entscheidung in der Türkei: „Nach dieser Entscheidung der eben nicht mehr unabhängigen Justiz in der Türkei halte ich auch Auftritte des Präsidenten Erdogan in Deutschland für ausgeschlossen. Die Bundesregierung kann und muss das verhindern.“

 

 

von dpa

Viele Menschen sprechen sich derzeit für die Freilassung von Yücel aus. Eine  hat bereits mehr als 18.000 Unterstützer gefunden.