Turbo-Abi: Schüler fühlen sich stärker belastet
G8-Studie
Was sind tatsächlich die Auswirkungen der Umstellung des Gymnasiums auf acht Jahre? Eine neue Studie aus Tübingen hat am Montag durchaus gemischte Ergebnisse vorgelegt. Genug Zeit für Hobbies haben die Schüler demnach immer noch - aber sie fühlten sich oft stärker belastet und weniger gesund.

Die Elterninitiative "G9-Jetzt" fordert in NRW die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium.
In NRW kämpfen die Gegner der Schulzeitverkürzung weiter gegen das "Turbo-Abitur". Am Montag übergab die Bürgerinitiative "G9 jetzt" im Düsseldorfer Landtag fast 99 000 amtlich geprüfte Protest-Unterschriften gegen das achtjährige Gymnasium (G8). Ihre Kritik: Durch das schnellere Abi seien die Schüler zu viele Stunden pro Woche an der Schule, es bleibe zu wenig Zeit für Hobbies und auch die Qualität der Bildung leide unter dem Turbo-Abi.
Ulrich Trautwein, Wissenschaftler von der Universität Tübingen, hat am Montag in Stuttgart zu diesen Fragen erste Ergebnisse seiner Studie "Konsequenzen der G8-Reform" vorgestellt. Sie beziehen sich auf Schüler in Baden-Würtemberg, dürften aber auch für die Debatte in NRW interessant sein.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
- Freizeit: Die vielfach geäußerte Kritik, dass der verkürzte Weg zum Abitur die Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen außerhalb der Schule signifikant einschränke, lasse sich durch die Daten seiner Erhebung nicht erhärten, so Trautwein: "Der Vorwurf, G8-Schüler hätten in der Kursstufe keine Zeit mehr für außerunterrichtliches Lernen, für die Familie oder Freizeitaktivitäten im Orchester oder in Kirchengruppen, lässt sich durch unsere Daten nicht belegen". Tatsächlich sei das Bild, das sich hier ergebe, uneinheitlich. Vergleichbar viel Zeit verbrachten Abiturientinnen und Abiturienten in G8 und G9 laut Studie mit "schulischen Angeboten", "Lesen", "Orchester, Kirchengruppen oder anderen Gruppen (außer Sport)", "anderen Hobbys", "Zeit mit der Familie verbringen" und "Computer spielen, chatten". Schülerinnen und Schüler aus G9-Jahrgängen gaben mehr Zeit an für "Freundinnen und Freunde treffen", "Nebenjob", "Sport" und "Fernsehen" als Abiturientinnen und Abiturienten in G8.
- Wohlbefinden: Festgestellt wurde jedoch, dass Schüler in der Kursstufe des achtjährigen Bildungsgangs ein weniger gutes gesundheitliches Wohlbefinden und subjektiv größere Belastungen beschrieben als diejenigen, die in neun Jahren zur Hochschulreife geführt wurden. Konkret wurden Aussagen wie z.B. "Wenn ich von der Schule nach Hause komme, bin ich angespannt" oder "Sogar in meiner Freizeit denke ich an Schwierigkeiten in der Schule" abgefragt. Schülerinnen und Schüler aus G8-Kohorten gaben ein deutlich höheres schulisches Beanspruchungserleben an als Schülerinnen und Schüler aus dem G9-Jahrgang. Bei der Messung des gesundheitlichen Wohlbefindens wurden Symptome wie beispielsweise "Kopfschmerzen", "Schlafstörungen" oder "Müdigkeit, Erschöpfung" erfasst. Bei den Analysen zeigten sich bei den Schülerinnen und Schülern in G8 höhere Symptomhäufigkeiten als bei jenen in G9.
- Abiturnoten: Bei den Abiturnoten gab es keine Unterschiede zwischen G8- und G9-Schülern.
- Naturwissenschaften: Auch gab es keine oder nur geringfügige Unterschiede bei den Kompetenzen in Mathematik und Physik. In Biologie zeigten sich geringfügige Leistungsvorteile für G9.
- Englisch: Trautwein ermittelte zudem, dass G9-Schüler signifikant besser im Kompetenzbereich Englisch abschnitten als G8-Schüler. Dieser Unterschied sei jedoch nicht zwingend auf die Reform des gymnasialen Bildungsgangs zurückzuführen, sondern möglicherweise ein vorübergehender Effekt der Umstellung der Fremdsprachenkonzeption des Landes.
Weitere Details finden sich in der Zusammenfassung der Studie:
Die Daten der Studie von Prof. Dr. Trautwein wurden im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) von der Universität Bamberg erhoben und im Auftrag der Landesregierung von Baden-Württemberg durchgeführt.
Insgesamt lagen Daten von rund 5.000 baden-württembergischen Schülerinnen und Schülern aus 48 Gymnasien vor, die Schülerinnen und Schüler wurden am Ende ihrer Schulzeit nach den schriftlichen Abiturprüfungen befragt.
Einbezogen wurden die Abiturjahrgänge 2011 (G9), 2012 (Doppeljahrgang G8 und G9) sowie der erste reine G8-Jahrgang 2013.