Türkische Spitzeleien in NRW-Klassenzimmern?
Behörden suchen Klarheit
Berichte über Spitzeleien in deutschen Klassenzimmern in türkischem Auftrag alarmieren Landesregierung und Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen. Nach Erkenntnissen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft haben türkische Konsulate bei „Informationsveranstaltungen“ türkischstämmige Lehrer und Eltern angestiftet, kritische Stimmen in den Schulen zu melden.

Der Vorwurf der Lehrer- und Erzieher-Gewerkschaft wiegt schwer: die türkischen Konsulate sollen türkische Lehrer und Eltern aufgefordert haben, türkei-kritische Stimmen in NRW-Schulen zu melden.
Das Düsseldorfer Schulministerium habe bereits eine Stellungnahme bei den Konsulaten angefordert, bestätigte ein Sprecher am Donnerstag. Dabei geht es auch um die Frage, ob versucht wurde, über eigene „Lehrpläne“ der Konsulate den Unterricht zu manipulieren.
Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gab es entsprechende Veranstaltungen in den Konsulaten Düsseldorf, Essen, Köln und Münster. „Wir haben aus unterschiedlichen Quellen erfahren, dass die Teilnehmer dazu angehalten wurden, den Generalkonsulaten jede Kritik an der türkischen Regierung, die in NRW-Schulen beobachtet wird, zu melden“, sagte GEW-Landesvize Sebastian Krebs der Funke Medien-Gruppe. Die Anweisung sei nicht auf den Sprachunterricht Türkisch oder den islamischen Religionsunterricht beschränkt gewesen, sondern habe alle möglichst Fächer umfassen sollen. „Schüler sollen sogar ihre Lehrer filmen und die Aufnahmen an türkische Behörden weiterleiten“, so Krebs. Der Gewerkschaft GEW liegen auch so genannte „Jahrespläne für das Unterrichtsfach Türkisch und türkische Kultur“ vor. Diese werden offenbar von den Konsulaten an Lehrer in Deutschland verteilt werden. „Diese Lehrpläne sind stark nationalistisch gefärbt“, sagte Krebs weiter.
Zusammenhang mit Ditib-Durchsuchungen
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf rechnet in Kürze mit einer konkreten Eingabe der Landesregierung zu den Vorwürfen, hat aber noch keine Ermittlungen aufgenommen. Es sei davon auszugehen, dass die Erkenntnisse auch mit dem Generalbundesanwalt abzugleichen seien, sagte ein Sprecher. Möglicherweise gebe es einen Zusammenhang mit den jüngsten Wohnungsdurchsuchungen bei Ditib-Imamen.
Auch hier liegen Spitzel-Vorwürfe im Raum. Konkret: Ankara nutze die Ditib-Imame als Spitzelnetz, um Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen auszuspähen, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht. Grundlage der Vorwürfe ist ein Schreiben von türkischen Religionsbehörde Diyanet an die türkischen Botschaften und Konsulate vom 20. September 2016. Diyanet-Präsident Mehmet Görmez räumte die Existenz des Briefes bereits ein, in dem die Adressaten aufgefordert werden, detaillierte Berichte über Gülen-Strukturen an Diyanet zu schicken. Einige Imame waren dieser Aufforderung gefolgt. Görmez betonte aber, es sei nie darum gegangen, Einzelpersonen auszuspähen. Stattdessen habe es sich um ein legitimes Vorgehen gegen eine Terrororganisation gehandelt.
Landtag fordert Distanz
Unterdessen riefen alle Fraktionen im nordrhein-westfälischen Landtag Ditib zur Lossagung von Ankara auf. Die Landesregierung werde Spitzeleien von Imamen des türkisch-islamischen Religionsverbands nicht hinnehmen, sagte NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD). Der Staat akzeptiere nicht, dass innertürkische oder islamische Konflikte in NRW ausgetragen werden.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist der bundesweite Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten türkisch-islamischer Moscheegemeinden in Deutschland. Der Verband untersteht der Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei, das dem Ministerpräsidentenamt in Ankara zugeordnet ist.