Türkei droht Griechenland: Eskaliert der Streit um die Ägäis diesen Sommer?
Bodenschätze und Militärbasen
Die Türkei erhebt Ansprüche auf griechische Ägäisinseln. „Wenn Griechenland sich nicht fügt, werden wir die Dinge weiter vorantreiben“, drohte der türkische Außenminister Cavusoglu.
Die türkische Regierung verschärft ihren Ton gegenüber Griechenland. Außenminister Mevlüt Cavusoglu forderte das Nachbarland auf, sein Militär von Ägäisinseln wie Rhodos, Kos, Lesbos und Samos abzuziehen. „Wir bluffen nicht“, sagte Cavusoglu gegenüber Journalisten auf dem Rückflug von einem Besuch in Israel. „Wenn Griechenland sich nicht fügt, werden wir die Dinge weiter vorantreiben“, drohte Cavusoglu. Zu welchen Maßnahmen die Türkei dann greifen wird, erläuterte der Minister nicht.
In Athen wächst die Sorge vor neuen Spannungen in diesem Sommer. Am Donnerstag meldete Griechenland rund 40 Verletzungen seines Luftraums durch türkische Kampfflugzeuge. Die Türkei argumentiert, Griechenland verliere seine Souveränitätsrechte über die Inseln der östlichen Ägäis, weil es dort Militär stationiert hat. Das steht nach türkischer Auffassung im Widerspruch zu den Verträgen von Lausanne und Paris, die eine Demilitarisierung der Inseln vorsahen.
In einem am Donnerstag in New York an die UN übergebenen Brief bestreitet die griechische Regierung diese Auslegung der Verträge. Die Türkei beruft sich unter anderem auf den 1947 geschlossenen Friedensvertrag von Paris, mit dem Italien die Dodekanes-Inselgruppe um Rhodos an Griechenland abtrat. Er bestimmte die Demilitarisierung der Inseln.
Die griechische Regierung argumentiert, die Türkei könne aus dem Vertrag keine Ansprüche ableiten, weil sie gar keine Vertragspartei ist. Griechenland begründet die Militarisierung der Inseln mit der Bedrohung durch zahlreiche Ladungsschiffe an der türkischen Küste und mit dem in der UN-Charta festgeschriebenen Recht auf Selbstverteidigung. Im Raum steht auch eine türkische Kriegsdrohung, wenn Griechenland seine Hoheitsgewässer in der Ägäis von sechs auf zwölf Meilen ausdehnen würde – wozu Athen nach der UN-Seerechtskonvention berechtigt wäre. Die Türkei betrachtet einen solchen Schritt als Casus Belli, als Kriegsgrund.
Auch der Streit um die Bodenschätze im östlichen Mittelmeer könnte in den nächsten Wochen neu aufflammen. Die Türkei beansprucht dort Seegebiete, die nach dem UN-Seerecht Griechenland als Wirtschaftszone zustehen. Im Sommer 2020 gerieten beide Länder an den Rand eines militärischen Konflikts, als griechische und türkische Kriegsschiffe gefechtsbereit in den umstrittenen Seegebieten auffuhren. Unter Vermittlung der damaligen Kanzlerin Angela Merkel konnte die Krise entschärft werden. Jetzt kündigte die Türkei für Juli neue Erdgasbohrungen in der Region an.
Die Spannungen sind umso brisanter, weil der Gesprächsfaden zwischen dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis abgerissen ist. Erdogan erklärte diese Woche, für ihn existiere Mitsotakis nicht mehr, er werde ihn nie wieder treffen. Er warf dem griechischen Premier vor, er habe bei seinem Besuch in Washington vorvergangene Woche versucht, amerikanische Waffenlieferung an die Türkei zu hintertreiben.
Erdogan bringt sich in Position
Die scharfen Töne aus Ankara dürften vor allem innenpolitisch motiviert sein. Ein Jahr vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen steht Erdogan wegen der Rekordinflation von 70 Prozent unter wachsendem Druck. Mit dem Konfliktkurs gegenüber Griechenland könnte Erdogan versuchen, nationalistische Wähler an sich binden, auf deren Stimmen er angewiesen ist. Das erklärt auch Erdogans Einspruch gegen die Nato-Norderweiterung und seine Vorwürfe gegenüber Schweden und Finnland. Er beschuldigt beide Länder, türkischen Terroristen Asyl zu gewähren.
Während um die Nato-Norderweiterung weiter gerungen wird, drohen neue Spannungen: Staatschef Erdogan kündigte diese Woche eine weitere Militäroffensive in Nordsyrien an. Es wäre die vierte seit 2016. Die USA kritisierten die türkischen Pläne bereits als Gefahr für die Stabilität der Region.
RND
Der Artikel "Türkei droht Griechenland: Eskaliert der Streit um die Ägäis diesen Sommer?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.