Trauer um Gerlind Gahlen Sie hat den „alten Männerverein CDU“ gründlich aufgemischt

Trauer um Gerlind Gahlen: Sie hat den „Männerverein CDU“ aufgemischt
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Vor mehr als 40 Jahren wurde Gerlind Gahlen zum ersten Mal in den Rat gewählt. „Dass ich für die CDU damals nur eine Alibifrau war, fand ich grässlich“, sagte sie vor dreieinhalb Jahren in ihrem letzten Interview mit unserer Zeitung. Was die Herren Politiker, die der Mutter von drei Kindern 1979 einen Platz auf der Kandidatenliste überließen, nicht sahen: Sie hatten sich kein braves Heimchen vom Herd, sondern eine streitbare, selbstbewusste Person in ihre Reihen geholt. Nachdem Gerlind Gahlen sich 2004 aus der Ratsarbeit und zehn Jahre später auch aus der überparteilichen Arbeit im Frauenforum zurückgezogen hatte, stellte sie sachlich fest: „Jetzt ist das Altwerden für mich mehr als eine Aufgabe.“ Am 7. Dezember 2022 ist sie mit fast 86 Jahren – drei Wochen vor ihrem Geburtstag –gestorben.

Weggefährtinnen und -gefährten trauern über die Parteigrenzen hinweg um Gerlind Gahlen. „Sie war eine Powerfrau und hat eine Menge bewegt“, sagt Christine Freitag von den Grünen. Ein Dauerbrenner in Gahlens politischer Arbeit: eine Notunterkunft für obdachlose Frauen. Mit dem Frauenforum und in der 2003 gegründeten Ratskommission für Gleichstellungs- und Frauenfragen, deren erste Vorsitzende sie war, brachte sie das unbequeme Thema immer wieder aufs Tapet. Wirklich erledigt ist es bis heute nicht. Der Arbeitskreis Recklinghäuser Frauengeschichte würdigte die Tatkraft der CDU-Politikerin schon zu Lebzeiten mit einem ausführlichen Porträt im Band „Aktive Frauen in Recklinghausen und Umgebung“. Autorin Dr. Karin Derichs-Kunstmann schrieb: „Ihr war es immer wichtig zu sehen, wo man was ändern kann und muss und dann Verbündete zu suchen, mit denen sie dieses anpacken konnte.“

Eine Gruppe von Frauen mit einem Plakat und Blumen.
Weltfrauentag 2007: Das Frauenforum verteilte Blumen und Informationen an die Recklinghäuserinnen. Mit dabei waren (v.l.) Gerlind Gahlen, Mathilde Storm, Ingeborg Röhl, Ulrike Upmeier, Gabriele Thiesbrummel und die damalige Gleichstellungsbeauftragte Ulla Simon. © Gutzeit (Archiv)

„Eine Kommunalpolitikerin mit Ecken und Kanten“

„Wir sind sehr traurig über den Tod von Gerlind Gahlen. Sie war eine sehr engagierte Ratsfrau, die sich insbesondere in der Frauenarbeit und für die Feuerwehr sehr stark eingesetzt hat“, so CDU-Stadtverbandsvorsitzender Benno Portmann: „Gerlind war eine Kommunalpolitikerin mit Ecken und Kanten, die immer fair und mit großem Engagement für die Sache gekämpft hat.“

Gerlind Gahlen wurde 1936 in Kassel geboren, kam 1949 mit ihrer Familie nach Recklinghausen. Ihre Kindheit und die Kriegsjahre verbrachte sie in Berlin. Wie unverzichtbar schnelle Rettung ist, hat sie dort am eigenen Leib erfahren. „Ich habe brennende Straßen gesehen, war nach einem Bombenangriff verschüttet. Mein Vater hat mich aus den Trümmern geholt“, erzählte sie einmal. Ein Grund, warum sie Jahrzehnte später für den Neubau der Feuer- und Rettungswache an der Kurt-Schumacher-Allee brannte und sich deshalb auch mit ihren Ratskollegen anlegte. Als das Projekt endlich beschlossene Sache war, wurde sie energische Vorsitzende des Feuerwehrausschusses, der auch den Bau bis 2002 begleitete – und kritisierte schon damals, dass die neue Wache zu klein geplant wurde. Eine Tatsache, die die Stadt bis heute verfolgt.

Ein tiefer Einschnitt in Gerlind Gahlens Leben war 1999 der plötzliche Tod ihres Mannes nach 43 gemeinsamen Ehejahren. Künftig meisterte sie ihr Leben weitgehend als „One-Woman-Show“. Den Umzug in eine barrierefreie Wohnung im damals neuen Hohenzollernpark bezeichnete sie als eine „der besten Entscheidungen meines Lebens.“ Denn die seniorengerechte Umgebung ermöglichte ihr das, was ihr immer so wichtig war: möglichst lang ein selbstständiges Leben zu führen, trotz aller Einschränkungen, die das Alter mit sich brachte. Gerlind Gahlen wurde im Familienkreis beigesetzt.

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