Natürlich liefert sich Kenneth Branaghs „Tod auf dem Nil“ ein Schattenboxen gegen den Film mit Peter Ustinov von 1978. In der aktuellen Version (ab Donnerstag im Kino) gibt Branagh den Meisterdetektiv Hercule Poirot, wie schon bei „Mord im Orient Express“.
Als Darsteller wie Regisseur schlägt Branagh sich gut. Er demonstriert auch, dass der Agatha Christie-Klassiker behutsame Neuerungen verträgt. Das fängt an mit einem Prolog, bei dem man sich im falschen Film wähnt. Im Schützengraben des Ersten Weltkriegs steht ein Sturmangriff bevor. Ein Soldat hat den Vogelflug im Auge und gibt einen wichtigen Tipp zum Zeitpunkt der Attacke: Es ist der junge Poirot, der später verwundet wird.
Das Superhirn mit einer Biografie auszustatten (die auch Poirots Junggesellentum beleuchtet), ist keine schlechte Idee, weil sie der Figur mehr Tiefe gibt. Wenn unser Mann viele Jahre später höchst linkisch flirtet, weiß man warum. Dass der kühle Logiker Hercule Gefühle für eine Dame zeigt, ist auch ein Novum.
Angetan hat es ihm eine schwarze Musikerin (Sophie Okonedo), die knackigsten Jump Blues spielt und dem Film eine unerwartete musikalische Färbung gibt, vital und gar nicht von gestern.
Man aalt sich im Luxus
Auch auf dem Nil ist die Musikerin dabei, ein Pärchen auf Honeymoon-Reise hat sie engagiert: Gal „Wonder Woman“ Gadot spielt die schwerreiche Linnet Ridgeway, Armie Hammer ihren Ehemann Simon. Die Kreuzfahrt führt zu Ägyptens Monumenten, man aalt sich im Luxus, bis tödliche Schüsse fallen. Bei einer Leiche wird es nicht bleiben.
Branagh ignoriert die Tempo-Hechelei und das Kino-Bohei unserer Tage. Der Erzählduktus kommt charmant altmodisch daher, die Wer-hat’s-getan-Spannung destilliert sich aus Psychologie und Beobachtung. Poirot fragt, kombiniert und entlarvt ein Komplott. Wer sagt, dass es ein Krimi Getöse braucht? Und als Ausstattungsstück hat der Film einiges an Pracht zu bieten.