Planet Erde ist sauer. „Grubenarbeiten zerrütten meine Schönheit“, sagt er. „Ausgebeutet werde ich auch jetzt, während ich spreche.“ Man merkt: Die Autorin Sanja Mitrović will in ihrem neuen Theaterstück „Unter Grund“ am Schauspiel Dortmund eine ökologische Botschaft an die Zuschauer und Zuschauerinnen bringen.
Die Serbin, die auch schon für die Schaubühne Berlin gearbeitet hat und in Brüssel lebt, führt auch Regie. Das Dortmunder Publikum nahm die Uraufführung am Samstag mit freundlichem, aber kurzem Applaus auf.
Düftige Handlung
Aber was ist dieser zweistündige Abend ohne Pause eigentlich? Eine Info-Veranstaltung zur Klimakrise? Eine Vorlesung, deren Text auf sechs Schauspieler aufgeteilt ist? Eine Belehrung wie von Greta Thunberg?
Die Handlung ist jedenfalls dürftig: Ein Bergmann (sympathisch: Ekkehard Freye) erlebt 2018 die Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop. Dabei dürfte ein weinender Kumpel – zu sehen auf TV-Aufnahmen – die Autorin inspiriert haben.
Papiertiger plus etwas Lyrik
Der überwiegende Teil der Handlung spielt 2040. Das Bergwerk öffnet wieder in der Hoffnung, dass der ärmere Teil der Menschheit dort Zuflucht finden kann, während es sich die Reichen auf dem Mars gut gehen lassen. Aktivisten entführen einen Milliardär (gut: Alexander Darkow), der fortan für die textlichen Gegenpositionen zuständig ist.
Die Fakten hat Sanja Mitrović perfekt recherchiert. Manchmal fühlt man sich, als sei man in eine Broschüre des Regionalverbandes Ruhr geraten: „Alles begann als 53 Städte, die es in unserem Gebiet gibt, das 4435 Quadratkilometer groß ist, mit drastischen Haushaltskürzungen konfrontiert wurden.“ Der Text bietet wenig Neues fürs Publikum, ist streckenweise langweilig. Ein Papiertiger plus etwas Lyrik.

Nur in zwei Szenen packt die Inszenierung zu. In einem irrwitzigen Monolog schildert Valentina Schüler verzweifelt, was sie getan hat, um das Klima zu retten – nämlich alles. Auch die Szene, in der die Schauspieler das Publikum umrunden und sich die Argumente wie Bälle im Schwimmbad zuwerfen, ist wirkungsvoll.
Antje Prust als Tochter gelingen mit Freye schöne Dialoge, Raphael Westermeier entlarvt sehr fein einen Minister, Adi Hrustemović entwickelt als Bauer große Präsenz. Das Bühnenbild dagegen ist eher „arm“ und hat bestimmt nicht zu viel CO 2 verbraucht.
Futuristische Schiebetür
Pflanzen und der Milliardär werden in Folienkästen gehalten, die futuristische Tür zwischen den Kohlesäulen erinnert fatal an die frühen Folgen von Raumschiff Enterprise. Wirklich hypermodern sehen dagegen die hautengen Anzüge der Kostümbildnerin Marika Marković Milojev aus.
Fazit: Eine Dystopie, in der die Menschheit unter die Erde flüchtet, ist nicht neu (Roman „Das Silo“). Die Absicht der Autorin ist sympathisch. Aber mit einer Inszenierung, die kaum Spannung entwickelt, erweist Sanja Mitrović dem wichtigen Thema des Klimawandels, das uns alle sehr beschäftigt, keinen wirklich guten Dienst.
Termine: 1. / 12. / 25. 2., 19. / 26. 3.2023; mit englischen Übertiteln; Karten: Tel. (0231) 502 72 22. www.theaterdo.de
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