Theater Dortmund erwartet einen Wagner-Weltstar und einen Skandalregisseur
Saison 2019/20
Das Theater Dortmund hat den Dicker-schwerer-größer-Wettstreit der Kulturveranstalter der Region gewonnen. Die Saisonbroschüre für die Spielzeit 2019/20 ist eine kiloschwere Kiste.

Kay Voges, Marcus Lobbes, Xin Peng Wang, Andreas Gruhn, Tobias Ehinger und Heribert Germeshausen (v.l.) haben das Programm der Saison 2019/20 vorgestellt. Generalmusikdirektor Gabriel Feltz war mit einer Videobotschaft vertreten. © Gass
Die Vertreter von sechs Sparten des Theaters präsentierten am Mittwochvormittag ihr Programm für die Saison 2019/20. Marcus Lobbes, Leiter der neuen Akademie für Theater und Digitalität, konnte aber bislang nur berichten, dass es zwei Mikro-Festivals der Akademie geben soll, das erste im Januar. Und dass die Akademie, die aus einem Dreierteam besteht, 54 Forschungsstipendien vergibt. Seine Regie-Handschrift zeigt der Akademiechef ab dem 1.2. im Schauspiel mit einem Klassiker, „Hexenjagd“ von Arthur Miller.
Showdown zum Abschied
Schauspiel-Intendant Kay Voges hat seinen zehnten und letzten Spielplan vorgestellt. „Wir werden uns nicht mit Wehmut verabschieden, sondern mit einem Feuerwerk und ab März alle Türen aufreißen und zu einem Showdown einladen“, kündigte der scheidende Schauspielchef an. Sieben Premieren bietet die Spielzeit auf der großen Bühne, vier weitere im Studio. Eine kleine Sensation ist, dass Skandalregisseur Jonathan Meese „Lolita (R)evolution (Rufschäfigendst)“ in Dortmund als Uraufführung inszeniert (ab 15.2.). Ein „Kunst-Spektakel“ zum Mythos der Lolita kündigt das Schauspiel mit dem Stück an.
Kay Voges inszeniert „Play. Abriss einer Reise“, eine Uraufführung (ab 11.10.), in der sich Figuren und Autoren aus den Stücken des vergangenen Jahrzehnts begegnen. „Wir gehen mit dem ganzen Ensemble auf Spurensuche und horchen in den Bühnenboden, welchen Geistern wir begegnet sind. Das Ganze steht unter der großen Frage, was der Kern des Theaters ist“, so Voges. Auf der kleineren Studio-Bühne des Schauspielhauses bringt der Intendant am 16.2. noch „you give me fiverr“ heraus, einen „Reisebericht aus dem Universum der Microjobs“.
Die Spielzeit eröffnet Regisseur Thorsten Bihegue mit seiner Inszenierung der Schauspieler-Komödie „Das Reich der Tiere“ von Roland Schimmelpfennig. Das Stück, in dem ein Schauspiel-Ensemble vor einer offenen Zukunft steht, weil das Musical, an dem es probt, abgesetzt wird, passt zur Situation des Dortmunder Ensembles, das nach der nächsten Spielzeit wohl auch auseinanderdriftet. „Dem Publikum soll das Stück einfach nur Spaß machen“, wünscht sich Voges.
Sascha Hewemann, der in Dortmund den „Kirschgarten“ inszeniert hat, bringt ab 29.11. „Die Dämonen“ von Dostojewski auf die Bühne. Und ab 7. 3. eröffnen „Die Kassierer und Die Drei von der Punkstelle“ dann mit einer Uraufführung den Abschieds-Premierenreigen, der im Frühjahr in die „Dortmunder Dekaden-Festspiele“ mündet. Im Herbst 2020 soll wie berichtet die 34-jährige Julia Wissert als neue Schauspiel-Intendantin kommen.
Die Studio-Premieren sind „Familien gegen Nazis“ von Laurence Young (6.10.), „Der Widersacher“ nach dem Roman von Emmanuel Carrere (1.12.), „Konstellationen“ von Nick Payne (31.1.) und „you give me fiverr“ (16.2.)
Alle fünf Sparten des Theater Dortmund beenden die laufende Saison mit einem Besucherplus und haben gemeinsam mehr als vier Millionen Euro Fördermittel akquiriert. „Das Theater erfährt gerade eine unglaubliche Rückendeckung“, so Theaterdirektor Tobias Ehinger.
Daniel Behle gibt sein Debüt als Lohengrin
Die Oper Dortmund bekommt als erste Oper in Deutschland ein eigenes Ensemble für die „Junge Oper“, die damit eigenständige Untersparte der Oper wird. Finanziert wird das durch die 864.651 Euro, die das Land der Oper zusätzlich zur Verfügung stellt. Das Geld fließt in das Projekt „Outreach“, das mit einem Festival in den Osterferien Premiere feiert. Dabei ist auch die Premiere von Avner Dormans Oper „Die Kinder des Sultans“ geplant.
Die erste der sieben Opern-Premieren ist die von Puccinis „Butterfly“, die am 15.9. das Regie-Team der Dortmunder „Turandot“ herausbringt. Mit Tenor Daniel Behle singt ein Weltstar ab 30.11. die Titelpartie in Wagners „Lohengrin“. Es ist das Rollendebüt des Bayreuth-Sängers. Auch Elsa ist mit dem dramatischen Talent Christina Nilsson toll besetzt. Regie führt Ingo Kerkhof, der gerade mit „Quartett“ in Dortmund Erfolge gefeiert hat. Beide Opern dirigiert Gabriel Feltz.
Der „Ring“, den Peter Konwitschny ab 2021 in Dortmund schmiedet, wirft Schatten voraus: Ein „Wagner-Kosmos“ bereitet vom 21.-24.5. darauf vor, „Neverland“ heißt der Lohengrin für Jugendliche, der am 26.10. als eine von vier Premieren der Jungen Oper herauskommt. Und Peter Konwitschny inszeniert ab 13.3. „Die Stumme von Portici“ von Daniel-Francois-Esprit Auber. Die spätromantische Grand Opéra wird bilingual, französisch und deutsch gesungen, zu hören sein. Eine Entdeckung ist auch die Oper „Fernand Cortez oder die Eroberung von Mexiko“ von Gaspare Spontini (ab 21.5. 20); Regie führt Eva-Maria Höchmayr.
Beim Bewährten und Erfolgreichen bleibt es im Bereich Musical und Operette. Das Musical „Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn inszeniert wieder Gil Mehmert (12.10.). Der Wiener Thomas Enzinger bringt die Operette „Im weißen Rössl“ von Ralph Benatzky am 18.1. heraus. Die Cityring-Konzerte und Galas runden das Angebot ab. Intendant Heribert Germeshausen hatte einen tollen Start. Er beende seine erste, noch laufende Saison mit einem der besten Ergebnisse der vergangenen zehn Jahre, hieß es.
Das Ballett tanzt zwischen Baugaus und Dante
Das Ballett bringt drei Premieren heraus, und das NRW-Juniorballett erarbeitet in Dortmund ein viertes Tanzstück („#zauberflöte 3.0“), das jedoch nach einer Tour in andere Städte erst ein Jahr später in Dortmund zu sehen wird. Die nächstgelegene Spielstätte ist das Theater Düren (am 21.11.).
Ballett-Chef Xin Peng Wang setzt „Die göttliche Komödie“ von Dante Alighieri mit dem zweiten Teil, „Purgatorio“, fort. Die Uraufführung kommt am 2.11. heraus. Nach ihrem Weg durch die Hölle sind die Figuren nun auf dem Läuterungsberg (Purgatorio) angekommen, wo die Seelen der Verstorbenen stufenweise gereinigt werden, ehe sie ins Paradies gelangen. Wang choreografiert diesmal zu Musik von John Luther Adams und Kate Moore.
Ein Auftragswerk des Dortmunder Balletts ist „Bauhaus 100“. Das Junior-Ballett München rekonstruiert in diesem Doppelabend das legendäre „Triardische Ballett“ von Oskar Schlemmer. Im zweiten teil des Abends präsentiert das Ballett Dortmund eine Neuproduktion der niederländischen Choreografin Wubkje Kuindersma. In „Fluid Housing“ führt sie die Bauhaus-Bewegung mit Dialogen zwischen Tanz und Neuen Medien weiter.
Dritte Premiere ist am 22.2. „Ein Mittsommernachtstraum“ von Alexander Ekman, der als Deutsche Erstaufführung in Dortmund zu sehen ist. Der Starchoreograf lässt sich zu dieser Arbeit von Shakespeare, Ingmar Bergman und Federico Fellini inspirieren. Als Wiederaufnahmen sind „Drei Farben: Tanz“ und „Rachmaninow/Tschaikowsky“ zu sehen.
Zwei Internationale Ballettgalas rahmen die Saison ein. Geplant sind auch eine Internationale Ballettwoche im Juni, Internationale Sommerakademien und das Seniorentanztheater.
Das Kinder- und Jugendtheater geht mit “Zwerg Nase“ in die Adventszeit
Für das Kinder- und Jugendtheater (KJT) wird die nächste Saison besonders spannend, weil mit dem Architektenwettbewerb zum Bau der „Jungen Bühne“ neben dem Schauspielhaus die Umzugspläne an den Hiltropwall nach so vielen Jahren des Wartens endlich konkreter werden. Andreas Gruhn, Leiter des KJT, hat die Saison an der Sckellstraße unter das Motto „Jeder ist anders anders“ gestellt. Acht Premieren für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen bietet die Spielzeit, darunter „H2Oh!“ auf der Kokerei Hansa. Als Weihnachtsmärchen ist ab 14.11. Gruhns Inszenierung von „Zwerg Nase“ nach Wilhelm Hauff zu sehen.
Einen Austausch mit dem Theater in Rostow am Don wird es geben und zum Spielzeit-Ende ein Sommercamp mit 150 Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet und europäischen Nachbarländern.
Gabriel Feltz dirigiert alle neun Sinfonien von Beethoven an einem Tag
An einem Tag (28. Juni 2020, ein Sonntag) spielen die Dortmunder und Belgrader Philharmoniker, deren Chefdirigent ebenfalls der Dortmunder Generalmusikdirektor Gabriel Feltz ist, im Konzerthaus Dortmund alle neun Sinfonien von Beethoven. Die Sinfonien 1 und 2 erklingen um 10 Uhr mit den Dortmundern, 3 und 4 um 12.30 Uhr mit den Belgradern. 5 und 6 folgen um 15 Uhr (Dortmunder Philharmoniker), 7 und 8 um 17.30 Uhr (Belgrader Philharmoniker). Zum Abschluss spielen beide Orchester zusammen ab 20 Uhr die Neunte. Eine Woche zuvor ist der Marathon bereits in Belgrad zu erleben, dort mit der Neunten in einem Open-Air-Konzert.
„Am Puls der Stadt“ ist das Motto der Saison 2019/20 der Dortmunder Philharmoniker. Die neun Philharmonischen Konzerte vor dem Beethoven-Marathon sind alle mit Städtenamen übertitelt. Zum Saisonstart am 1. und 2. Oktober geht es mit Dvoráks „Neuer Welt“ und einem Bandoneon-Solokonzert nach New York, später nach Petersburg, Leipzig, Wien, Mailand (mit dem Verdi-Requiem am 11. / 12. 2. unter Leitung von Gabriel Feltz), Paris, Peking (mit einem Konzert für Schlagzeug und Orchester von Tan Dun am 7. / 8. 4.), Prag (mit Mahlers siebter Sinfonie unter Gabriel Feltz am 5. / 6. 5. 2020) und London.
Außer den Philharmonischen Konzerten präsentieren die Philharmoniker wieder drei Wiener-Klassik-Konzerte (diesmal mit Gastdirigenten) sowie drei Familien- und drei Jugendkonzerte und das Stummfilmkonzert „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ am 3. Juni 2020.