Es war eine erschütternde Tat – für die Nachbarn an der Friedenskirche, für Deutschland, für England. Der lange Arm der irischen IRA reichte bis in die Bundesrepublik. Und an jenem Abend im Jahr 1989 schlug er zu in Unna-Massen. Der kaltblütige Mord an Heidi Hazell ist eingegangen in die Kriminalgeschichte. Und noch immer ist er ungesühnt.
Anders als der Mord an dem elfjährigen Marc Gutte, der nun vom Cold-Cases-Projekt des NRW-Innenministeriums erneut beleuchtet wurde, liegt der Fall Heidi Hazells beim Generalbundesanwalt in den Archiven – schon wieder, nachdem die Familie des Terroropfers 2015 eine Wiederaufnahme erwirkt hatte.
Vielversprechende Hinweise, so hieß es seinerzeit, hatte die Nichte des Opfers gesammelt. Sie bezog sich nach eigenem Bekunden auf ranghohe Mitglieder der irischen Partei Sinn Féin, der als politischer Arm der IRA galt. Demnach gebe es Hinweise auf einen namentlich bekannten Mann – doch am Ende verliefen die Spuren im Sande. Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren inzwischen wieder eingestellt – nach Paragraf 170, Absatz II, der Strafprozessordnung, was meint: Es gab tatsächlich einen Beschuldigten, aber nicht genügend Belastendes, um eine Anklage zu rechtfertigen.
IRA bekannte sich zum Anschlag in Unna-Massen
Abgesehen von der persönlichen Täterschaft war seinerzeit schnell klar, wer hinter dem Anschlag an der Friedenskirche steckte. Die IRA veröffentlichte bereits am Tag darauf ein Bekennerschreiben, dessen Inhalt oftmals verfremdet wiedergegeben worden ist. Heidi Hazell sei demnach Opfer einer bedauerlichen Verwechslung geworden. Doch dies stimmt nicht: Bedauern kommt in dem Wortlaut nicht zum Ausdruck.
Zwar bestätigt das Schreiben, dass der Anschlag eigentlich Heidi Hazells Mann, einem Angehörigen der britischen Garnison in Dortmund, gegolten habe. Die Verfasser des Schreibens kommentierten die Verwechslung allerdings lediglich mit dem Hinweis auf eine bereits zuvor veröffentlichte Warnung, „Zivilisten“ sollten sich besser von „britischem Militär fernhalten“. Dies beziehe auch Privatfahrzeuge von britischen Soldaten mit ein.

Einen solchen steuerte auch Heidi Hazell am 7. September 1989. Hazell lebte erst seit einigen Monaten in Massen, war ihrem Mann zum Dienstsitz in Dortmund gefolgt. Eigentlich stammt die junge Frau, die als Heidi Schnaars geboren wurde, aus einem kleinen Ort im Norden von Bremen.
Gut zwei Jahre waren sie und ihr Mann nun verheiratet. Clive Anthony Hazell war Staff Seargent der britischen Armee, was im Rang dem Stabsunteroffizier der Bundeswehr entspricht. Das Leben einer Soldatenfamilie war damals von regelmäßigen Ortswechseln geprägt. Nach der Zeit in Massen würde es weitergehen in den Raum Paderborn. Als die IRA seine Frau erschoss, war Clive Anthony Hazell zum Manöver in Bayern.
Attentäter hatten Seargent Hazell gut ausgekundschaftet
Dass es eine Frau war, die den Privatwagen des Seargents an jenem Abend in Massen steuerte, war den Tätern entweder nicht aufgefallen oder einerlei. Vieles deutet darauf hin, dass Hazell im Vorfeld gut ausgekundschaftet worden war. Am 7. September 1989 sollte er direkt vor seiner Wohnung in die Falle gehen.
Es war schon Nacht, als Heidi Hazell den rechtsgelenkten Saab 9000i an der Friedenskirche vorbei zur Werner-Bergengruen-Straße steuert. Um 21.50 Uhr fing die IRA sie ab. Ein Mann schritt auf ihr Fahrzeug zu mit einem Sturmgewehr im Anschlag. Vermutlich war es ein einzelner Feuerstoß, den er abgab. 14 Kugeln durchschlugen Seitenfenster und Blech des Fahrzeuges. Hazells Fahrzeug rollte zurück zur Friedenskirche. Als der Notarzt vor Ort war, war die junge Frau schon tot.

Die Ermittlungen liefen vielversprechend an. Sogar Augenzeugen gab es. Sie berichteten von zwei Fluchtfahrzeugen mit vier Mann darin, die schließlich davon brausten. Der Täter habe einen Tarnanzug und ein Barett getragen wie die Angehörigen der britischen Armee. Die Tatwaffe allerdings war russisch, wie eine Analyse der Projektile ergab: Eine Kalaschnikow AK-47. Doch alle Ermittlungsansätze führten zu nichts. 1993 wurde das Verfahren erstmals eingestellt. Die Neuaufnahme 2015 beschäftigte den Generalbundesanwalt weitere vier Jahre.
Familie von Heidi Hazell wartet noch auf Gerechtigkeit
Das Attentat in Massen löste Erschütterung aus. Im gewalttätig ausgetragenen Nordirlandkonflikt schien die Bundesrepublik ein neues Schlachtfeld zu werden. Erst eine Woche zuvor waren zwei britische Soldaten vor einer Kaserne in Münster angeschossen und schwer verletzt worden. Die IRA begann mehrere Morde in Deutschland. Heidi Hazell aber sollte das einzige deutsche Opfer bleiben.
Heidi Hazell wurde nur 26 Jahre alt. Ihre Familie wartet noch immer darauf, dass der Täter gefasst, der Mord gesühnt wird. Auf Social-Media-Kanälen im Internet pflegen sie das Andenken an die Getötete. Und sie hoffen auf den entscheidenden Hinweis.
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