Der Tod von Marc Gutte zählt zu den erschütterndsten Mordfällen in Unna. Zugleich ist er einer der rätselhaftesten, und das nicht nur, weil er auch nach über 36 Jahren nicht aufgeklärt worden ist. Denn offen sind auch die Fragen nach dem Warum.
Warum musste es ein elfjähriger Junge sein? Warum dieser? Was überhaupt hat den Täter angetrieben, einen Gewaltexzess auszuüben, für den es später zum Glück keine Wiederholung mehr gab?
Diese Fragen beschäftigen die Ermittler immer wieder. Denn Mord verjährt nicht, und wirklich abgeschlossen werden entsprechende Fälle erst mit ihrer Aufklärung. Ansonsten kommen Ermittlungen, in denen sich erst einmal keine weitere Bewegung erwarten lässt, bei der Staatsanwaltschaft Dortmund ins Archiv. Sie werden zum „Cold Case“, der aber jederzeit wieder aufgenommen werden kann.
LKA hat Marc Guttes Fall im „Cold Cases“-Projekt betrachtet
Dies geschieht nun – zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 – auch mit dem Mordfall Marc Gutte. Grund dafür ist ein Projekt des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Das Land hatte eine „besondere Aufbauorganisation“ (BAO) eingerichtet, um insgesamt 403 „Cold Cases“ systematisch darauf abzuklopfen, ob sich aufgrund fortentwickelter Ermittlungsmethoden ein Ansatz sehen lässt, den Fall noch einmal neu unter die Lupe zu nehmen. Zu den Fällen, in denen dies erfolgversprechend erschien, zählt der aus Unna.

Marc Gutte war ein elfjähriger Junge aus einem der ländlichen Stadtteile im Osten von Unna, das einzige Kind eines Unnaer Ehepaares. Schilderungen aus der Zeit seines Mordes lassen ihn als einen völlig normalen, aber aufgeweckten kleinen Jugen erscheinen: zierlich von Gestalt, mit einer großen Brille, wie man sie halt trug in den 80ern, und in seiner Freizeit gerne mit seinem Fahrrad unterwegs. Ein letztes Mal fuhr er es am 30. September 1986.
Marc wollte einen Freund besuchen. Doch dort kam er nie an. Als er abends nicht zurückkehrte, wurden seine Eltern schnell stutzig. Normalerweise war Verlass auf Marc, und wenn ihm eine Zeit gesagt wurde, zu der er bitte wieder zu Hause sein sollte, dann kam er pünktlich. Familie Gutte meldete Marc vermisst. Am Tag darauf fand man ihn.
Marc Guttes Ermordung erscheint wie ein Rausch der Gewalt
Marc hatte einen Trampelpfad benutzt durch ein Feld in der Nähe des Induparks – damals eine beliebte Abkürzung für Radfahrer. Auf diesem Feld, das seinerzeit mit hoch aufragendem Mais bestellt war, muss ihn sein Täter abgepasst haben.
Es ist unklar, was die Motive des Unbekannten waren. Sexueller Art waren sie nicht, das konnte die Polizei schon früh ausschließen. Auch ein Raubüberfall schien nicht plausibel. Welche Beute wäre bei einem elfjährigen Jungen zu erwarten? Selbst das Fahrrad wurde noch gefunden, einige Schritte vom Leichnam entfernt, als hätte der Täter es aus dem Blickfeld geschafft, damit es nicht zu schnell gefunden wird.
Marc selbst lag bäuchlings auf dem Ackerboden, sein Kopf mit dem Gesicht voran gewaltsam ins Erdreich gedrückt. Am Hals entdeckten die Ermittler Würgemale, ansonsten mehrere Anzeichen „massiver, stumpfer Gewalt“.

Der Täter muss in einen regelrechten Rausch der Gewalt verfallen sein. Gefunden wurde er bis heute nicht. Vielleicht aber gibt es noch einen Funken Hoffnung.
Sie beruht auf der Fortentwicklung der DNA-Analyse. Sie kam schon vor 23 Jahren zum Einsatz, als die Akte Marc Gutte zum bislang letzten Mal aus dem Archiv geholt wurde. Heute allerdings sind ihre Methoden sehr viel feiner. Es reichen deutlich kleinere Proben, um daraus den genetischen Fingerabdruck eines Lebewesens abzuleiten.
„Verdächtige Partikel“ werden jetzt auf DNA untersucht
Die Staatsanwaltschaft Dortmund spricht von „verdächtigen Partikeln“, die an einigen Textilien des Jungen anhaften und an den Klebestreifen der Leichenfolie. Vielleicht handelt es sich um Fasern der Bekleidung, vielleicht auch um etwas, das vom Boden aufgewirbelt worden war. Vielleicht ist es die menschliche DNA von Marc Gutte. Aber wenn auch nur ein Partikel vom Täter stammt, dann gibt es jetzt zumindest die Methoden dafür, ihn genetisch zu entschlüsseln.
Was die Ermittler mit so einer Erkenntnis anfangen können nach 36 Jahren, lässt sich nicht absehen. Dem Antrag des LKA, entsprechende Asservate erneut ins Labor schicken zu lassen, kommt die Staatsanwaltschaft Dortmund mit Interesse nach. Jetzt sind erst einmal die Laborfachleute des LKA damit befasst.