Doch Streik des öffentlichen Dienstes im Kreis Unna? Gewerkschafter: „Wäre nicht überrascht“

Verdi-Vertreter im Kreishaus hält Annahme des Tarifabschlusses für offen
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Die Verhandlungsführer auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite haben sich auf einen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen verständigt. In den Rathäusern und im Kreishaus in Unna stimmen Gewerkschaftsmitglieder von Verdi erst in diesen Tagen über das gefundene Ergebnis ab.

In der Kreisverwaltung hat bereits die sogenannte aufsuchende Mitgliederbefragung durch die Vertrauensleute von Verdi begonnen. „Wir fragen das Votum für die Annahme oder die Ablehnung ab“, erläutert Dave Varghese, Vorsitzender der Verdi-Betriebsgruppe beim Kreis Unna.

Drei Kritikpunkte am Tarifabschluss

Dieses Vorgehen ist satzungsmäßig nach Tarifverhandlungen vorgesehen. Die Bundestarifkommission der Gewerkschaft möchte dadurch in den nächsten Wochen ein Stimmungsbild bei den Beschäftigten gewinnen, ob man sich mit dem gefundenen Kompromiss anfreunden kann oder eher nicht.

Denn formal hat die Bundestarifkommission den Verdi-Mitgliedern lediglich erst eine Annahme des Ergebnisses empfohlen. Was Dave Varghese nach Bekanntwerden des Tarifabschlusses am 6. April bemerkt hat: „Der Diskussionsbedarf ist groß.“

  • Drei Punkte in dem Papier würden bei nicht wenigen Mitgliedern kritisch gesehen: die relativ lange Laufzeit von 27 Monaten, weil am Tarifabschluss in dieser Zeit nicht gerüttelt werden darf;
  • außerdem die sogenannten „Null-Monate“, denn der neue Tarifvertrag beginnt erst am 1. April, während der alte am 31. Dezember auslief – somit gebe es für drei Monate keine Verbesserungen. „Das ist etwas Neues“, ordnet Varghese ein.
  • Der dritte Kritikpunkt sei zwar nur eine Option, nämlich die freiwillige Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf bis zu 42 Stunden. „Der Acht-Stunden-Tag war eine Errungenschaft“, sagt dazu der Verdi-Mann. Daher müsse man die Frage stellen, ob die 42-Stunden-Option nicht ein Rückschritt sei: „Wollen wir das wirklich?“

Votum bindet Verdi zumindest politisch

Er sei der Gewerkschaft zugleich aber „dankbar“, dass sie „trotz allem Pessimismus“ für höhere Löhne eingetreten sei. Für die höheren Entgelte hatte Kreiskämmerer Philipp Reckermann bereits Mehrausgaben für den Kreis Unna in diesem und im nächsten Jahr von insgesamt knapp 6 Millionen Euro errechnet.

Wegen der kritischen Rückmeldungen sei er „gespannt“, so Varghese, wie die bis zum 9. Mai dauernde Abstimmung der Mitglieder ausgehe. Vermutet er eine Annahme oder Ablehnung? „Mich würde beides nicht überraschen“, sagt Dave Varghese. Würde eine Ablehnung zum Streik führen?

Denkbar ist es. Die Bundestarifkommission entscheidet am 12. Mai über die Annahme des Tarifergebnisses – dabei fließt auch das Votum der Mitglieder ein. Rechtlich verpflichtend ist dieses zwar nicht, aber in der Regel bindend aus Gründen der innergewerkschaftlichen Demokratie und Legitimation.

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