Manche Fragen erscheinen einfach, und man könnte eine zügige Antwort erwarten: Erlaubt oder nicht erlaubt? Bauen oder nicht? Das Ehepaar Rettig-Reinold hat eine neuartige Anlage geplant, einen „Locker“ von Amazon. Geht das? Der Weg zu einer Antwort war schwierig, die Unnaer erhalten sie jetzt aus dem Rathaus. Ihre erste Frage hatten sie im Juli gestellt - 2021.
Der Reihe nach: Die Idee entstand während der Corona-Pandemie, als Einkaufen und Mobilität für viele Menschen problematisch waren. Eine Paketbox des Versandhändlers Amazon könnte einigen in der Gartenvorstadt eine Hilfe sein, meinten Petra Rettig-Reinold und ihr Mann Torsten Reinold. Die Anlagen funktionieren wie die Pack- bzw. Abholstationen von DHL oder Hermes, sind aber auf Amazon-Bestellungen beschränkt. Wer etwas bei dem Versandriesen bestellt, kann es sich nach Hause, an eine Packstation oder eben an einen Amazon-Schrank schicken lassen, den das Unternehmen „Locker“ nennt, übersetzt „Schrank“ oder „Schließfach“. Der Kunde kann seine Ware innerhalb einer Frist selbstständig abholen, sobald er Gelegenheit dazu hat.

Mehrere Vorteile erhofft
Die beiden Unnaer haben einen Abholservice für ihre Siedlung im Sinn, in der auch viele Senioren wohnen, wie sie erklären. Für die Überlassung ihrer Grundstücksecke, die eine Mauer von ihrem Garten trennt, würden sie von Amazon 100 Euro im Monat erhalten. Es sei angedacht, dies zu spenden, zum Beispiel an die Tafel, so Petra Rettig-Reinold.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt: mehr Sauberkeit. Die schmale Freifläche an der Ecke Ahorn-/Eichenstraße werde leider regelmäßig als Hundetoilette missbraucht. Vor allem im Sommer müssten sie immer wieder Dutzende „Haufen“ wegräumen, weil sie sonst Garten und Terrasse wegen des Gestanks nicht nutzen könnten. „Das ist wirklich ekelig hier“, sagt Petra Rettig-Reinold. Die Idee: Was jetzt noch ein für Gassigeher einladender Grünstreifen ist, könnte auf Kosten von Amazon befestigt und teils bebaut werden. Das Ehepaar hat die Hoffnung, dass das Hundekot-Problem so eingedämmt würde.
Über ein Jahr Warten auf Rückmeldung
Der bauliche Aufwand ist überschaubar. Es müsste eine kleine Fläche betoniert werden. Die hier geplante Schließfachwand würde zwei mal zwei Meter in Höhe und Breite messen. Einen Stromanschluss bräuchte sie nach Informationen der Antragsteller nicht. Muss so etwas irgendwie genehmigt werden? Der brave Bürger fragt sicherheitshalber nach. Um nicht im schlimmsten Fall die Kosten für den Rückbau tragen zu müssen, erkundigten sich Rettig-Reinolds im Rathaus.
So kam im Juli 2021 so etwas wie ein Antragsverfahren in Gang. Die Unnaer füllten Formulare aus, schickten nach und nach über Wochen Fotos, Zeichnungen und E-Mails mit Erläuterungen ans Rathaus. Nachfragen aus der Behörde hätten sie nur telefonisch erhalten. Wäre dies eine gewerbliche Anlage? Wie sieht es mit Parkplätzen aus? Muss ein Architekt beauftragt werden? Solche und andere Fragen bemühten sich die Rettig-Reinolds für die Stadtverwaltung zu klären.
„Seit November 2021 haben wir dann nichts mehr gehört“, sagt Petra Rettig-Reinold. Sie und ihr Mann hätten ihren Plan, Standort eines Amazon Lockers zu werden, wohl einfach aufgegeben, wenn nicht in ihrer Nachbarschaft etwas aufgetaucht wäre: ein Amazon Locker. Zwei mal zwei Meter, an der Straßenecke, wie es das Paar geplant hatte, nur steht der Apparat 350 Meter entfernt, am anderen Ende der Eichenstraße. „Wieso geht das dort und bei uns nicht?“, fragt Petra Rettig-Reinold.

Stadt Unna: nicht zulässig im Wohngebiet
Die Stadt Unna konnte nun gegenüber unserer Redaktion einen Teil der Frage beantworten. Warum es nicht geht: Für das Aufstellen einer solchen Anlage brauche es eine Baugenehmigung. Die geplante Stelle liege in einem reinen Wohngebiet, „in dem auch ausnahmsweise keine gewerblichen Anlagen zulässig sind“, erklärt Bürgermeisterreferent Niko Dahlhoff. Der geplante Standort liege zudem außerhalb der Baugrenzen. Die Antragstellerin werde „von hier demnächst eine Rückmeldung bzw. einen Bescheid bekommen“, schreibt Dahlhoff weiter.
Rettig-Reinolds werden also keinen Locker auf ihrer Grundstücksecke bekommen. Die Frage, warum sie dies nun über ein Jahr nach ihrer Anfrage erfahren, beantwortet die Stadt Unna so: „Das Aufstellen von Packstationen, Lockern etc. ist eine noch sehr junge Angelegenheit, die hier im Haus zunächst geprüft werden musste.“
Bau ohne Genehmigung?
Bleibt die Frage, warum nun vier Fußminuten entfernt im selben Wohngebiet ein Schließfachschrank von Amazon steht. Dazu die Stadt Unna: „Dass an anderer Stelle eine solche Anlage gebaut wurde, ist innerhalb der Verwaltung nicht bekannt. Der Bereich Bauordnung nimmt dies zum Anlass, sich die Situation vor Ort anzuschauen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Anlage einfach ohne Beteiligung der Kreisstadt Unna gebaut wurde. Je nach Sachlage würde dann ein ordnungsbehördliches Verfahren mit dem Ziel des Rückbaus eingeleitet.“