Als die Leiche gefunden wird, ist die Mutter schon abgereist.
2016 verurteilte man sie zu 20 Jahren Haft. Prozessbeobachterin war Filmemacherin Alice Diop, die den Fall in ihrem Spielfilm „St. Omer“ aufarbeitet. Wie die Angeklagte hat Diop senegalesische Wurzeln, was ihre verfeinerte Sensorik für das Leben afrikanischer Frauen in Frankreich erklärt.
Eine Frau in seelischer Not
„St. Omer“ ist im Kern ein etwas spröder Gerichtsfilm. Die Kindsmörderin, die hier Laurence Coly heißt (gespielt von Guslagie Malanda) wird zu ihrem Leben befragt. Der Staatsanwalt glaubt, sie habe kaltblütig gehandelt, weil das Kind ihr Dasein erschwerte.
Die Verteidigerin zeichnet das Bild einer Frau in seelischer Not. Colys Plan für Studium und Zukunft war gescheitert, die Beziehung zum Kindsvater stand auf der Kippe.
Eine Passionsgeschichte
Coly sei verzweifelt gewesen, nah am Wahn, nicht zurechnungsfähig.
Die Angeklagte sagt, sie wurde verhext und bringt schwarze Magie aus Afrika ins Spiel. Eine Schutzbehauptung? Alice Diop ergreift zwar nicht Partei, dass sie Mitgefühl für Coly hegt, ist aber zu sehen.
„St. Omer“ hat Züge einer Passionsgeschichte, wenn Diop vom Erfolgsdruck erzählt, der auf schwarzen Studentinnen laste.
Parabel über Afrikanerinnen
Auch Rama (Kayije Kagame) verfolgt den Prozess. Der Uni-Dozentin mit afrikanischen Wurzeln geht Colys Schicksal ans Herz. Sie sieht Coly als Schwester im Geiste, unter Tränen überdenkt sie die eigene Schwangerschaft.
Ein gekünstelter dramatischer Kniff, nicht sehr glaubhaft. Ausschnitte aus Pasolinis „Medea“ sollen den Film wohl auf Fallhöhe einer Tragödie und Parabel über afrikanische Frauen in Europa stemmen. Das wirkt dann reichlich bemüht.
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