Es ist ein warmer Sommertag. Lars Rohwer sitzt zum Abendtermin auf der Terrasse in einem Restaurant, doch eigentlich wartet er wieder mal auf einen Anruf eines Fußballers. Rohwer trainiert ihn nicht selbst, kümmert sich aber um ihn: Als Berater steht er den Amateurspielern zur Seite. Der betreffende Spieler hatte ihn bereits mittags angerufen, weil ihn eine Biene in die Hand gestochen hatte. Was nach einer Lappalie klingt, kann den Unterschied ausmachen, ob ein Spieler am Wochenende spielt und Leistung zeigt – oder nicht.
„Ich gehe immer ran“, sagt Lars Rohwer deswegen, der sich abseits der Vereine um seine Spieler kümmert. Das Handy steht an manchen Tagen gar nicht still. Bereits mittags benötigt der Spielerberater manchmal ein Ladegerät für das Mobiltelefon. Was als Hobby begann, hat sich für Lars Rohwer zu seiner eigenen Agentur „GoalTalents“ entwickelt, die neben einer Teilzeitstelle zu einem Rund-um-die-Uhr-Job geworden ist. Die ständige Erreichbarkeit, Scouten, Sichten, Analysieren, die Flüge ins Ausland – dabei ist die Agentur des 27-jährigen Dortmunders eigentlich noch immer im Aufbau.

Vermittlung, Beratung, Betreuung – Rohwer ist wichtig zu betonen, dass er auf dem Segment der Betreuung zu Hause ist. „Diese Branche wird zu sehr, vielleicht manchmal auch bewusst, als dreckig beschrieben“, sagt Rohwer. Berüchtigt sind aus dem Weltfußballer die Strippenzieher, die Jungspieler viel zu früh zu Millionenverträgen drängen und sich selbst unfassbare Bonuszahlungen einheimsen.
Rohwers Agentur ist anders ausgerichtet. Viele Spieler bleiben auf westfälischer Ebene und werden den Sprung zum Profi wohl nicht schaffen. Ist da überhaupt eine Beratung notwendig? „Jeder hat seinen eigenen Bedarf und jeder möchte auf seinem Niveau die bestmögliche Leistung erbringen. Ich helfe Spielern, die sich optimieren wollen und einen professionellen Umgang wollen oder mit sich selber eingehen. Da darf man nicht unterscheiden, ob das Bundesliga oder eben Westfalenliga ist“, findet Rohwer.
Rohwer wurde früh Funktionär
Wie wird man Spielerberater? Lars Rohwer spielte selbst Fußball als Kind, doch nach einer Entzündung an Knochen und Knorpel am knienahen Schienbeinkopf entschied sich der Rechtsverteidiger früh, mit 14, zum Aufhören. Das Interesse am Fußball ließ dadurch nicht nach. Mit der Insolvenz von Rot Weiss Ahlen im Jahr 2010 ergaben sich Chancen für den jungen Lars Rohwer. Er begann als Videoanalyst für den neuen Trainer Thomas Berndsen (SV Herbern) und Björn Lerbs (FLVW) in der Oberliga zu arbeiten und stieg zum Medienbeauftragten auf, bevor die Hammer SpVg Rohwer abwarb.

Lars Rohwer war allerdings frühzeitig zweigleisig gefahren. Parallel hatte er bei der SG Massen als Trainer angefangen, bevor er die U13 in Ahlen übernahm – er lernte also das Trainergeschäft kennen, während er im Hintergrund als Funktionär mitarbeitete. Zu diesem Zeitpunkt war Rohwer selbst noch nicht volljährig.
Nach dem Wechsel nach Hamm wurde Rohwer Stadionsprecher und für Marketing des Vereins in der Geschäftsstelle eingestellt, parallel war er Trainer beim TSC Eintracht Dortmund im U-Bereich, bevor er als Trainer ebenfalls zur HSV ging. In Hamm allerdings bahnten sich gewaltige Umbrüche im Management an. Rohwer verließ den Klub, ging für vier Monate nach China, wo er in der Akademie eines heutigen Zweitligisten arbeitete.
Es überrascht wenig, dass aus der Bündelung des Verständnisses für Training und den Ansprüchen eines Großvereins das Profil eines Spielerberaters entstand. Gleichzeitig häuften sich Anfragen bei Rohwer aus Spielerkreisen: „Immer mehr ehemalige Spieler, die ich trainiert habe, haben mich gefragt: Lars, was würdest du mir raten?“, erzählt Rohwer.
Rohwers erste Klienten
Die Idee von Angelo Daut, heutiger Leiter des Scouting des Bundesligisten VfL Bochum, doch selbst als Berater tätig zu sein, fand bei Rohwer dabei anfangs gar nicht so großen Anklang. „Damit konnte ich noch nichts anfangen“, sagt Rohwer – zu klischeebehaftet war das Image der geldgeilen Branche. Doch das wandelte sich: Rohwer wollte etwas Eigenes auf die Beine stellen. 2019 gründete er seine eigene Agentur.
Die ersten Klienten: Jonas Janetzki, heute 22 Jahre alt und beim Westfalenligisten FC Iserlohn, sowie Philipp Schmidt (20), Kirchhörder SC, vorher Holzwickede. „Mit ihnen hat alles angefangen“, sagte Rohwer. Über bestehende Spieler in der Kartei oder über Kalt-Akquise knüpfte Rohwer weitere Kontakte, das Netzwerk wuchs und wuchs, so auch die Liste der Spieler, die er betreut.
Ex-Schalke-Profi Jörg Mielers, heute Sportchef beim Kirchhörder SC, hatte selbst zu seiner aktiven Zeit einen Berater. „Das war aber bezahlter Fußball“, betont Mielers, „ich glaube nicht, dass sich das im Amateurbereich durchsetzt.“ Bei Mielers klingt Skepsis durch. „Wenn Geld im Spiel ist, weiß man nie so genau. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man jungen Spielern mit Erfahrungen zur Seite steht und über Beziehungen Probetrainings vermittelt. Aber es gibt auch Vereine in unteren Ligen, die einen Spieler nicht nehmen, wenn er mit einem Berater ankommt“, sagt er.
Schmidt setzt auf Berater
Mielers und Rohwer haben sich persönlich bereits getroffen, als Philipp Schmidt nach Kirchhörde wechselte. Hier sind Mielers Erfahrungen allerdings positiv: „Lars ist ein super Typ, sehr bodenständig.“ Und auch in Neheim, wo drei Spieler, die Rohwer betreut, ist man ein Freund des Spielerberaters aus Dortmund, nicht zuletzt, weil er den Australier Fletcher McDonald vermittelt hatte. „Lars versteht seine Rolle anders als viele Berater. Er ist mehr ein Betreuer“, sagt Trainer Alexander Bruchhage.
Spieler Philipp Schmidt selbst, ist froh, einen „Fußball-Fachmann, der nicht aus dem eigenen Elternhaus kommt“ zur Seite zu haben, von dem er „ehrliches Feedback“ bekommen kann. Schmidt bestätigt Mielers‘ These: Die Unterstützung habe ihm beim Sprung in den Seniorenbereich geholfen. „Das war der schwierigste Schritt. Wenn ich einen Schritt weiter möchte, besitzt Lars ein Kontaktfeld. Das ist hilfreich“, sagt Schmidt.

Am Platz – das ist Lars Rohwer wichtig – spricht er keine Spieler an. Telefonate oder Kurzmitteilungen sind dann meistens der Erstkontakt zu den Sportlern. Auch Social Media ist für ihn enorm wichtig. „Instagram ist eine wichtige Plattform. Man kennt sich und folgt sich“, sagt Rohwer, der intensiv Recherche betreibt, um Spieler zu sichten und Informationen über sie zu bekommen.
41 Spieler stehen aktuell bei ihm unter Vertrag. Die untere Basis bilden Landesliga- und Westfalenligaakteure. Bis hoch in die Regionalliga hat Rohwer im Männerbereich Spieler in seiner Agentur als auch im U17- und U19-Bundesliga-Segment. Zunehmend attraktiv wird das Ausland für Rohwer. In Österreich vertritt er mittlerweile vier Bundesligaspieler: Julian Hinterleitner, Benedikt Größl (St. Pölten), Esad Bejic (Austria Wien) und Maxi Winkler (SC Imst).
Wie verdient Rohwer damit etwas? Reisen nach Wien kosten Geld, hinzu kommen Hotelkosten und ein Büro, das Rohwer in der Innenstadt von Unna unterhält. „Die Kosten decken sich so gerade. Es ist eine Mischkalkulation, die aufgeht“, sagt Rohwer. Luxus lebt er nicht. Die Reisen werden im Vorfeld zu guten Konditionen geplant, in den Schickimicki-Hotels steigt er nicht ab. Mehrmals im Jahr ist Rohwer im Jahr in Österreich, andere Nachbarländer kann sich Rohwer ebenfalls vorstellen, zu beackern, der deutschsprachige Raum steht aber für ihn im Fokus.
Agentur GoalTalents wächst
Beteiligt werde seine Agentur prozentual am Grundgehalt des Akteurs. Auch von Prämien partizipiere GoalTalents fallabhängig. Das ist üblich in der Branche. Eine Beispielrechnung: Tritt ein Spieler von seinen 300 Euro Grundgehalt zehn Prozent ab – die genaue Zahl nannte Rohwer nicht – verdient er 30 Euro im Monat. Die Summe aller Spieler deckelt also das Budget.
Dafür liefert er ein umfassendes Betreuungsangebot, das Spieler individuell in Anspruch nehmen können: aus Training, Physiotherapie, persönlichen Gesprächen und Videoanalyse – viel Arbeit für Lars Rohwer. „Der Tag hat eine gewisse Stundenanzahl. Und ich entscheide, wie ich meinen Tagesablauf gestalte. Wenn acht Spieler in drei Tagen eine Analyse brauchen, dann kriegen sie die auch. Das ist dann auch mal mit einer Nachtschicht verbunden“, so Rohwer, der sich aber viel Arbeit planbar in den Kalender legt.
Die Agentur ist außerdem personell gewachsen: Zwei Partner unterstützen Rohwer unter anderem als Scout, in der Analyse und im Bereich Versicherung und Finanzen. Ein Physiotherapeut ist ein weiterer Kooperationspartner sowie ein Performance-Center mit Kältekammer.
„Die Kommunikation ist das A und O. Hast du das nicht, fehlt dir das Vertrauen. Bekommst du kein Vertrauen, brauche ich auch keinen Spieler zu betreuen“, sagt Rohwer. Mehrfach wöchentlich hat er mit seinen Spielern Kontakt. Darunter sind momentan auch drei Spieler der ersten Mannschaft des Holzwickeder SC, für den Rohwer nach seinem Rücktritt bis zum Jahreswechsel noch Kommunikations- und Marketingchef war.
Rohwer bestätigt, dass die Arbeit für den Klub und die Beratung seiner Spieler einen Interessenkonflikt darstellen können, den er unbedingt vermeiden möchte. Berät Rohwer auf der einen Seite Moritz Müller, Maurice Majewski und Henrik Dißelhoff bei Verhandlungen mit dem Holzwickeder SC, ist ein Konflikt jedoch praktisch vorprogrammiert. Diesen habe es aber noch nicht gegeben, sagte der Agenturinhaber selbst. „Ich werde nicht auf die Spieler zugehen und ihnen sagen, dass ich für sie Probetrainings in anderen Vereinen vereinbaren kann. Das Signal muss vom Spieler kommen“, sagt Rohwer klar. Durch seinen Abgang beim HSC ist die Problematik ohnehin vom Tisch.
Udo Speer, Vorsitzender des Holzwickeder SC, sagt: Wenn ein Spielerberater das Beste für den Spieler herausholen möchte, aber an anderer Position im Verein in der Verantwortung steht, ist das natürlich nicht förderlich. Da kann ein Geschmäckle aufkommen, wobei ich bei uns keinen Fall vor Augen habe, bei dem es schlecht gelaufen ist.“ Zudem bezahlte der Spieler den Berater, auf den Klub kommen keine Kosten zu. „Wir haben noch nie eine Rechnung bekommen, wo eine Forderung aufgerufen wird, und würden das auch ablehnen.“
Berater auch beim FC Schalke
Während in der Oberliga etwa 20 Prozent der Spieler einen Berater haben, kippt das Verhältnis einer Liga höher. In der Regionalliga haben geschätzt rund 80 Prozent der Spieler Berater. Der Konkurrenzkampf um Talente: riesig. Vor allem in der U19-Bundesliga, wo Lars Rohwer zunehmend aktiv ist. Bei Spielern von Borussia Dortmund oder Schalke 04 musste Rohwer lange gar nicht vorstellig werden – hier ist der Markt abgegrast. Mittlerweile zählt auch ein U17-Akteur des FC Schalke zu seinen Klienten. In Münster oder Paderborn hat er dagegen mittlerweile mehrere Spieler akquiriert. Rohwer stellt ohnehin infrage, ob der Weg immer über die großen Klubs führen muss. „Wie viele schaffen es denn von denen in die erste Mannschaft?“

So wechselte Innenverteidiger Jannik Pantke (18) letztlich aus Osnabrück in die U19 des SV Rödinghausen. Hier erwarten ihn kein aufgeblähter Kader, hier bekommt er Spielzeit, hier hat er Perspektive, weil er am Saisonende in die U23-Seniorenmannschaft aufrücken wird und im Regionalliga-Kader Einheiten absolviert. Und Rohwer traut ihm hier auch den Sprung in die erste Mannschaft zu. Der SV Rödinghausen hat sich zu einem Top-Regionalligisten entwickelt. Als reiner Vermittler, der Spieler von A nach B transferiert, sieht sich Rohwer aber nicht. „Ich habe mich bewusst für die Betreuung entschieden. Mir liegt an den Spielern was. Ich möchte mit den Leuten arbeiten“, sagt Rohwer.
Stressig sind die Transfer-Hochphase im Sommer und ihre Vorbereitung, weniger der Winter. Vor allem der Sommer 2022 war voll bei Lars Rohwer, der nach der Corona-Pandemie ein verstärktes Wechselinteresse beobachtete. Viele Spieler hatten geplante Wechsel wohl aufgeschoben. „Der Juni war brutal. Der Entscheidungsprozess ist dabei komplexer und zeitintensiver als der eigentliche Transfer“, sagte Rohwer. Eine Provision erhält er nur im höheren Bereich.
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