Spiele und Spieler: Gamescom platzt aus allen Nähten
Große Vorschau
Die Saison startet erst im August: Doch schon Mitte Juli auf der Gamescom in Köln informieren sich Hunderttausende Spielefans über neue Trends der Branche. Oder sie feiern einfach ihre Lieblingsspiele. Was erwartet sie in diesem Jahr? Welche Spiele werden in Köln vorgestellt? Und lohnt es sich überhaupt, sich anzustellen?

Spiele testen, Spiele spielen, Spieler sein: Die Gamescom in Köln lockt auch dieses Jahr wieder Hunderttausende Spiele in die Messehallen.
2013 brach die Gamescom Rekorde: Mit 340.000 Besuchern ist sie weltweit die größte Messe ihrer Art. 2014 werden 650 Aussteller erwartet, die 140.000 Quadratmeter Fläche bespielen. Nicht nur neue Spiele werden geboten. Das Programm reicht vom Hinterhof der Messe bis in die Kölner Innenstadt. Das Gamescom City Festival hat mit Musik auf drei Bühnen letztes Jahr noch einmal 120.000 Menschen angelockt.
Einerseits ist das ein schöner Erfolg. Andererseits ist der Riese schwer zu bändigen. Schon letztes Jahr war der Andrang so groß, dass zwischenzeitlich niemand mehr in die Koelnmesse durfte. Die Gamescom ist eine Messe der Superfans, die sich stundenlang anstellen, um eine handvoll Titel für je 15 Minuten auszuprobieren. Noch kann die Koelnmesse mehr Platz zur Verfügung stellen. Aber jetzt schon wurden im Vorverkauf 50 Prozent mehr Tageskarten abgesetzt, als zur gleichen Zeit im Vorjahr.
Ist man einmal drin, dann gilt das passende Motto zur ausufernden Messelandschaft: „Spielend neue Welten entdecken“. Mit den neuen Welten sind allerdings keine Mehrzweckhallen gemeint, sondern weit offene Landschaften, die man in modernen Games bereist. Eigentlich sind sogenannte „Open-World“-Spiele alter Käse. Frei zu erkundende Spielwelten gab es schon vor Jahrzehnten. Neu ist aber ihr Ausbreitung in alle möglichen und unmöglichen Genres. Bei Ubisoft sind praktisch alle Blockbuster der kommenden Monate in offenen Welten angesiedelt. Spieler bereisen das Paris der französischen Revolution in „Assassin's Creed: Unity“, den Himalaya in „Far Cry 4“, oder ganz Nordamerika in „The Crew“.
Auch die deutsche Spielefirma „Crytek“ liegt im Trend: in „Homefront Revolution“ sind die Spieler Guerillakämpfer in einer besetzten Stadt. Wo sie zuschlagen, bleibt ihnen überlassen.
Immer größere, immer detailliertere Spielwelten in immer mehr Genres – das mag ein Trend sein, eine Revolution ist es nicht. So verhält es sich auch mit dem anderen „Megatrend“ der Messe: Spieler „verschmelzen“ angeblich mit ihren Spielen. Sie konsumieren längst nicht mehr einfach, sondern sie gestalten selbst, was sie sie wie spielen wollen. Vorreiter wie „LittleBigPlanet“ haben bereits vor sechs Jahren bewiesen, dass Spieler sich auch mit komplexen Werkzeugen herumschlagen, um ihre Traumlevels und Minispiele zu gestalten. Der Bewegung will Microsoft jetzt mit „Project Spark“ neuen Schwung geben.
In dem Titel für PCs und die Xbox One erschaffen Spieler ganze Spielwelten, teilen sie mit anderen, modifizieren sie. Aber auch der Pionier mischt wieder mit: „LittleBigPlanet 3“ erscheint diesen Herbst für Playstation 3 und 4.
Die Teilhabe kann auch früher ansetzen: Längst schauen Spieler den Spielemachern in die Karten, lange bevor das Produkt im Händlerregal steht. In sogenannten Beta-Tests können Millionen Spieler die Blockbuster von morgen ausprobieren; etwa das im September erwartete „Destiny“, den neuen Egoshooter der „Halo“-Schöpfer. Für die Entwickler sind online veranstalte Anspielsessions wichtige Marktforschung. Dass die Gamescom solche Events lobend erwähnt, ist nicht ganz frei von Ironie. Denn wenn Spieler den Hit von morgen daheim anspielen können, warum sollen sie dann nach Köln kommen?
Eine Antwort könnten die vielen Spiele geben, die sich bisher nicht vorab testen ließen. Millionen Fans haben „Destiny“ gespielt. Andere populäre Titel wie das düstere „Batman: Arkham Knight“ - schon wieder ein Open-World-Spiel - noch nicht. Sicher anspielbar wird der beklemmende Horrortitel „Alien: Isolation“ sein. Der Hersteller verspricht Furcht einflößende Testrunden in abgedunkelten Einzelkabinen.
Vielleicht am spannendsten sind hunderte Spiele, von denen man vorher noch gar nichts wusste. Abseits der langen Schlangen warten einige echte Entdeckungen auf abenteuerlustige Spieler. PC-Besitzer freuen sich auf mutige Nischenfirmen wie Paradox Interactive, die gegen jeden Trend komplexe, knüppelharte Strategiespiele auf den Markt werfen und gleich mehrere Neuigkeiten für ihre Fans in Deutschland einpacken.
Voll im Trend liegt dagegen die Indie Megabooth. Sogenannte „Indiespiele“ sind längst der Kreativmotor der Branche. Ein internationaler Zusammenschluss kleiner, aber feiner Spielemacher hat zusammen einen Messestand gemietet.
Und wer sich auf der Messe vom Trubel erholen muss, der findet 2014 offenbar mehr Möglichkeiten, denn je. Das Außengelände wird zum Strand umfunktioniert; Ausruhen könnte bei der angekündigten Motocross-Show allerdings schwer fallen. Ganz ohne Reizüberflutung könnte dagegen ein Besuch beim Gamescom Campus über die Bühne gehen. Hier kann man sich informieren, wie man selber Spielemacher wird. Oder man schaut sich das gleich auf der Messe an: das Studio InnoGames veranstaltet am eigenen Stand einen „Game Jam“. Entwickler vollbringen dort das Kunststück, ein Spiel im Dauersprint zu erschaffen. Zeit haben sie nur vom Anfang bis zum Ende der Messe.
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Das 'Rahmenprogramm' rückt immer mehr in den Mittelpunkt: Eine ganze Halle voll Bewegungsangebote, ein großes Zusammentreffen der als Spielehelden verkleideten „Cosplayer“, eine Sonderausstellung zu Retro-Spielen, Informationsangebote für Familien, Wettbewerbe im immer populäreren eSport – ein großer Teil der bunten Spielekultur wird in Köln abgebildet.
Fast kann man glauben, die Gamescom hätte bereits ihr nächstes Ziel erreicht: eine familienfreundliche Messe zu werden. Gespielt wird längst in allen Bevölkerungs- und Altersschichten. Nicht so in Köln; hier bestimmen bisher junge Männer von 16 bis 24 das Bild. Wer sich die Spiele des kommenden Jahres live anschauen will, der sollte den Besuch gut planen – allein schon wegen der knappen Tageskarten. Der Vorverkauf lohnt sich doppelt. Die Tickets sind erstens billiger und gelten zweitens auch als Zugticket für die Anreise. Auch die Aussicht auf einen exklusiven Seiteneingang vor Ort klingt verlockend. Angesichts der Besucherströme von 2013 ist gute Vorbereitung Pflicht, um der Pilgerfahrt nach Köln etwas abzugewinnen. Und Ohrstöpsel sollte man einpacken. Wegen der schreienden Animateure.