Sparkassen-Gehälter: Exzess oder angemessen?

So viel verdienen die Vorstände vor Ort

Zu hohe Vorstandsgehälter und Pensionen, die nicht mehr zeitgemäß sind: Die Sparkassen in NRW stehen in der Kritik, vor allem seit sie ihre Vorstandsgehälter offenlegen müssen. Kritiker sprechen von einem "Exzess", die Banken von einer "marktkonformen Vergütung". Wir beleuchten beide Positionen und zeigen, was die Sparkassenchefs in NRW verdienen und wo die Gehälter am meisten gestiegen sind.

NRW

, 21.02.2016, 07:35 Uhr / Lesedauer: 7 min

Die Bilanzsummen und Vorstandsgehälter der Sparkassen in NRW im Jahr 2014:

Die Grafik zeigt die Bilanzsummen der Sparkassen in NRW (Daten des Handelsblattes).Wenn Sie auf die einzelnen Kreise klicken, erhalten Sie weitere Informationen. 

Besonders die Pensionsregelungen, die vorsehen, dass ein Vorstand einer Sparkasse in NRW zwischen 40 und 55 Prozent seines letzten Jahresgehalts als Altersversorgung erhält, wird vom Finanzministerium NRW und in der Öffentlichkeit kritisch gesehen. So würde beispielweise der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Dortmund, Uwe Samulewicz, bei einem Jahresgehalt von 558.000 Euro (Stand 2014) eine Pension zwischen 223.200 und 306.900 Euro im Jahr erhalten, je nachdem wie lange er Vorstandschef bleibt.

Zum Vergleich: Ein Minister in der Bundesregierung verdient pro Jahr rund 176.400 Euro und erhält eine Pension zwischen 48.000 und 126.000 Euro, je nach Zugehörigkeit in der Regierung.  Vorstandschef von Banken, die in der Finanzkrise mit Staatshilfe gerettet worden waren, durften unmittelbar nach der Finanzkrise ein Jahresgehalt von höchstens 500.000 Euro Jahresgehalt beziehen. Das tbetraf auch den Chef der Commerzbank, Martin Blessing. Seit 2012 bezieht er allerdings sein reguläres Gehalt von rund einer Million Euro – 2014 verdiente er inklusive Boni sogar rund 2,7 Millionen Euro.

Im Gegensatz zu den Privatbanken sind Sparkassen aber Anstalten des öffentlichen Rechts, Träger sind die Gemeinden, Städte oder Landkreise. Zu den größten Kritikern der Gehaltspolitik der nordrhein-westfälischen Sparkassen gehört der Bankenprofessor Ralf Jasny (Foto) von der Frankfurt University of Applied Sciences. Gemeinsam mit Johannes Lang hat er die Analyse „Was verdienen die Vorstände von Sparkassen“ verfasst. Die beiden Sparkassenverbände in NRW – Westfalen-Lippe (SVWL) und der Rheinische Sparkassen- und Giroverband (RSGV)  – haben ein Wirtschaftsberatungsunternehmen damit beauftragt, um diese Analyse zu widerlegen.

Pro & Contra: Sind die Gehälter der Sparkassen-Vorstandschefs angemessen?

Das sagt der Kritiker Jasny:

„Vorstand einer Sparkasse zu sein, ist mittlerweile einer der attraktivsten Jobs in der Bankenwelt. Früher sind die Vorstandsmitglieder der Sparkassen analog den Tarifen des Öffentlichen Dienstes bezahlt worden. Da war es Tradition – und das ist ja auch heute noch so –, dass man 70 Prozent seines letzten Gehalts als Ruhestandsgeld bekommt. Dann ist im Jahr 2000 die Gewährsträgerhaftung weggefallen, die bis dahin regelte, dass die Kommunen automatisch die Verluste der Sparkassen übernehmen müssen. Da haben die Sparkassen-Vorstände gesagt: ‚Ja, jetzt sind wir ja richtige Banken, jetzt müssen wir dementsprechend bezahlt werden wie bei anderen Banken.` Da sind die Gehälter angehoben worden, andere Begünstigungen wie die Pensionen sind aber beibehalten worden.“

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Das sagen die Sparkassen:

 „Der Sparkassenverband Westfalen-Lippe hat die Struktur der empfohlenen Vorstandsvergütung im Jahr 2014 von einer namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersuchen lassen. Das Ergebnis: Vergütung und Alterseinkommen der Sparkassenvorstände in Westfalen-Lippe sind branchenüblich und marktgerecht. Die Sparkassen in Westfalen-Lippe gehören zu den erfolgreichsten Kreditinstituten in Europa. Wenn die aktuelle Vergütungsstruktur dafür sorgt, dass bei Nachbesetzungen in den Vorständen beste Köpfe gewonnen werden können, machen die Verwaltungsräte der Institute alles richtig“, teilt Andreas Löbbe, Sprecher des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe auf Nachfrage mit.

Notker Becker, Sprecher des Rheinischen Verbandes:  

„Die Sparkassenverbände haben die Anstellungsbedingungen der Sparkassenvorstände in NRW mit den Anstellungsbedingungen der Vorstände von Genossenschaftsbanken und privaten Regional- und Landesbanken, Förderbanken sowie den Anstellungsbedingungen der ersten und zweiten Führungsebene privater Kreditinstitute verglichen. Ferner wurden die Anstellungsbedingungen der Sparkassenvorstände in NRW mit den Empfehlungen für Anstellungsbedingungen der Sparkassenvorstände anderer Regionalverbände verglichen. Schließlich wurde die Wettbewerbssituation bei der Rekrutierung von Sparkassenvorständen aufgearbeitet. Aus diesen Untersuchungen wurde u. a. die Erkenntnis gewonnen, dass die Empfehlungen zur Vergütungshöhe der Sparkassenvorstände  dem Marktniveau entsprechen,  insbesondere im Vergleich zu Genossenschaftsbanken und anderen Regionalbanken ähnlicher Größenordnung.“

Sie wollen wissen, wie hoch die Vorstandsgehälter in ihrer Sparkasse sind? Alle Daten finden Sie  am Ende des Textes. 

Trotzdem kassieren die Vorstände einer Privatbank im Vergleich doch mehr, oder?

Das sagt Kritiker Jasny:

„Ja absolut gesehen schon. Aber die Deutsche Bank beschäftigt rund 100.000 Mitarbeiter weltweit, die Sparkasse Dortmund als einer der größeren Sparkassen in NRW „nur“ 1800 Menschen. Das ist eine andere Hausnummer. Bei über der Hälfte der Sparkassen in NRW werden 20 Prozent des Jahresgewinns an die Vorstände in Form von Gehältern und Pensionen ausgezahlt – bei der Deutschen Bank und bei der Commerzbank liegt der Wert bei nur rund 2 Prozent. Berücksichtigt man die Größe und Bedeutung der Institute, so verdienen Sparkassenvorstände in Relation fünfmal so viel wie Vorstände der Deutschen Bank und der Commerzbank.“

Das sagen die Sparkassen:

„Ein Vergleich der Vorstandsvergütung relativ zur Bilanzsumme mit einem global systemrelevanten Bankinstitut wie der Deutschen Bank ist nicht zielführend - zumal dann auch die Vergütungen zu berücksichtigen wären, die insgesamt dort für das obere Management gezahlt werden. Die Deutsche Bank etwa hat  - ausweislich ihres eigenen Geschäftsberichtes 2014 – insgesamt 816 Mitarbeiter, die 1 Mio. EUR und mehr jährlich verdienen“, sagt RSGV-Sprecher Becker. SVWL-Sprecher Löbbe ergänzt: „Maßgeblich wäre ein Vergleich mit den genossenschaftlichen Instituten. Dafür liegt bislang jedoch kein öffentlicher Vergleich vor, weil viele Genossenschaftsbanken eine Veröffentlichung der Vergütung mit einem Verweis auf § 286 (4) HGB unterlassen.“

So viel verdienten die Vorstandschefs der Sparkassen in NRW im Jahr 2014:

Die Grafik zeigt die Vorstandsgehälter der Sparkassen in NRW (Daten des Handelsblattes).Wenn Sie auf die einzelnen Kreise klicken, erhalten Sie weitere Informationen. 

3. Pro und Contra: Die Höhe der Pensionen

Besonders die Höhe der Vorstands-Pensionen, die die Sparkassenverbände den Verwaltungsräten der Sparkassen empfehlen, stehen in der Kritik. Der Haushalts- und Finanzausschuss des NRW-Landtags hatte 2013 eine „substanzielle Modernisierung“ und ein „Abschmelzen“ der Bezüge bei der Altersversorgung der Sparkassenvorstände gefordert und eine „gesetzgeberische Regelung“ angedroht. Nun haben beide Verbände neue Empfehlungen vorgelegt. Stellen diese neuen Leitfäden die geforderte „substanzielle Modernisierung“ dar?

Das sagt Kritiker Jasny:

„Eine substanzielle Veränderung der Gehaltsstrukturen stellen beide Empfehlungen nicht dar. Denn ein Vorstand kann weiter 55 Prozent der letzten Bezüge als Pension erhalten. Die Änderungen gelten zudem nur für erstmalig bestellte Mitglieder. Allein in NRW gibt es rund 250 Vorstände, für die sich gar nichts ändert. Nur, dass die Pensionszusage erst für die zweite Vertragsperiode gilt, aber dafür gibt es in der ersten Periode 20 bis 35 Prozent Sondervergütung, mit der die Altersvorsorge finanziert wird. Das ist im Prinzip eine verkappte Gehaltserhöhung. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum dies alles nur für die Vorstände, aber nicht für die Sparkassenmitarbeiter gilt, die selbst entscheiden müssen, wieviel ihres bestehenden Gehalts sie in die Altersvorsorge investieren wollen. Immerhin: Der Rheinische Verband stellt die beitragsgesteuerte Altersversorgung als Alternative neben die Direktzusage, das ist ein Riesenunterschied zur Empfehlung des Verbandes Westfalen-Lippe. Die Regelung im Rheinland stellt keine Revolution dar, geht  aber zumindest in die Richtung einer zeitgemäßen Regelung, dort hat man eher die Zeichen der Zeit erkannt.“

Anmerkung: Der kleinere Rheinische Verband zieht alternativ zu der Regelung der Direktzusage, die bis zu 55 Prozent des Jahresgehalts als Pension vorsieht, nun eine beitragsgesteuerte Altersvorsorge für Vorstände vor. Der Verband Westfalen-Lippe dagegen führt die beitragsgesteuerte Variante zwar auch ein, empfiehlt sie den Sparkassenräten aber nicht ausdrücklich.

Das sagt NRW-Finanzminister Norbert-Walter Borjans:

"Wenn sich jetzt die beiden NRW-Verbände zu Korrekturen bei der Höhe der Ruhestandsgehälter veranlasst sehen, zeigt das, dass sie die Zeichen der Zeit im Prinzip verstanden haben. Dass die Diskussion damit nicht zu Ende ist und sowohl über die Höhe der Vergütungen und Pensionen als auch über den Empfehlungscharakter noch weiter debattiert wird, ist mehr als verständlich. Bei mancher Formulierung drängt sich der Verdacht auf, dass der Wille zu einer grundlegenden Korrektur eher begrenzt ist und im Zweifel noch viele Jahre geltende "Altfallregelungen“ mit äußerst üppigen Gehalts- und Versorgungsregelungen konstruiert werden können. Das werden sich Landesregierung und die Regierungsfraktionen im Landtag genau angucken."

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Das sagen die Sparkassen:

„Als Regelfall sehen die neuen Empfehlungen die Vereinbarung einer beitragsorientierten Altersversorgung vor. Das Vorstandsmitglied kann für die Absicherung im Alter einen festen jährlichen Betrag erhalten, den es selbst für die Altersvorsorge einsetzen muss.  Zukünftig ist die bisherige Direktzusage nur noch ausnahmsweise möglich, wenn man einen Vorstand gewinnen will, der aus einem früheren Beschäftigungsverhältnis eine Altersversorgung im Wege einer Direktzusage erworben hat“, sagt RSGV-Sprecher Becker. Sein Kollege vom Verband Westfalen-Lippe erklärt: „Als Alternative zur bisher üblichen endgehalts- und dienstzeitabhängigen Ru-hegeldzusage wird empfohlen, den Vorstandsmitgliedern für die Absicherung im Alter einen festen jährlichen Betrag zu zahlen. Der feste jährliche Betrag ist im Text der Empfehlungen an erster Stelle genannt. Dies hat eine inhaltliche Bedeutung. Diese Variante des Alterseinkommens ist vorzugswürdig.“

Wieso konnten sich die beiden Verbände nicht auf eine einheitliche Regelung einigen?

Das sagt der Kritiker Jasny:

„Der Rheinische Verband stellt die beitragsgesteuerte Altersversorgung als Alternative neben die Direktzusage, das ist ein Riesenunterschied zur Empfehlung des Verbandes Westfalen-Lippe.

Dass man sich da nicht einigen konnte, wundert mich überhaupt nicht, denn es geht um einen fundamentalen Unterschied.“

Das sagen die Sparkassen:

„Die aktuellen Verbandempfehlungen des RSGV weichen in einigen wenigen Punkten von den Empfehlungen des SVWL ab. Der RSGV ist aber bestrebt, in nächster Zeit eine Einigung mit dem SVWL über die noch unterschiedlichen Positionierungen herbeizuführen“, sagt RSGV-Sprecher Becker. Der Verband Westfalen-Lippe wollte sich zum Zustandekommen der unterschiedlichen Leitfäden öffentlich nicht äußern.

Das sagt das NRW-Finanzministerium:

„Die unterschiedlichen Empfehlungen der beiden Verbände zeigen, dass auch im Sparkassenlager ein differenziertes Verständnis für den offensichtlichen Nachbesserungsbedarf bei den Vergütungen und Pensionen der Spitzenmanager in den Sparkassen besteht.“ Martin Börschel, für das Sparkassengesetz zuständiges Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses, kritisiert, dass die Verbände „nicht in der Lage sind, sich auf ein einheitliches Vorgehen zu verständigen“.

Viele Sparkassen in NRW kommen ihrem öffentlichen Auftrag vor allen Dingen in Form von „kommunalen Wohltaten“ nach, wollen die Kommunen an einer Gewinnausschüttung aber oft nur mit einem geringen Teil teilhaben lassen. Kommen die Sparkassen ihrem öffentlichen Auftrag nach?

Das sagt Jasny:

„Es gibt einzelne Sparkassen in NRW, die können deshalb keine Gewinne an die Kommune ausschütten, weil sie das Geld brauchen, um irgendwann die Pensionen ihrer scheidenden Vorstände zu bezahlen. Die Sparkasse Emmerich-Rees zum Beispiel hat Pensionsrückstellungen von rund 800 Millionen Euro, der Jahresgewinn liegt vor Steuern bei etwa 400 000 Euro. Die Sparkasse muss die Gewinne der nächsten zehn Jahre dafür verwenden, um die Pensionen für zwei oder drei Vorstände zu finanzieren. Dafür arbeiten rund 200 Leute.

Die kommunalen Wohltaten sind im Vergleich zu dem, was an Sparkassen sonst für Gelder bewegt werden, Kleingeld. Wenn da ein paar Tausend Euro für den Turnverein oder die Kleinkunstbühne gesponsert werden, ist das alles im homöopathischen Bereich. Wenn beispielsweise die Sparkasse Düsseldorf eine Millionen Euro für wohltätige Zwecke gibt, kann man da viel von machen. Wenn sie aber 26 Millionen Euro nicht ausschütten will, ist das eine ganz andere Nummer.“

Das sagen die Sparkassen:

„Die Sparkassen in Westfalen-Lippe haben im Jahr 2015 eine halbe Mrd. Euro an Steu-ern, Ausschüttungen, Spenden und Sponsoring gezahlt. Sie haben zudem mit einem erheblichen Wachstum bei den Kreditzusagen an Unternehmen, aber auch an Privat-personen, sowie bei den Einlagenbeständen sehr nachdrücklich den Beweis angetre-ten, dass sie ihren in § 2 des Sparkassengesetzes NRW gesetzlich festgelegten Auftrag der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft nachkommen. § 2 des Sparkassengesetzes NRW legt den Unternehmenszweck und den öffentlichen Auftrag abschließend fest“, sagt SVWL-Sprecher Löbbe. Notker Becker vom RSGV sagt: Gleichwohl leisten die Sparkassen darüber hinaus  einen umfassenden Beitrag für das öffentliche Wohl.  Die rheinischen Sparkassen haben im Jahr 2014 über 134 Mio. Euro für gemeinnützige Zwecke in der Region ausgegeben (2013 138 Mio. Euro). Der Betrag setzt sich aus Spenden, Sponsoring und Prämienspar-Zweckerträgen sowie Stiftungs- und Gewinnausschüttungen zusammen und zeigt breites Verantwortungsbewusstsein in den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales, Sport, Forschung und Umwelt. Zusammen mit 361 Mio. Euro gezahlten Steuern kommen den Bürgerinnen und Bürgern im Rheinland somit 495 Mio. Euro (2013 493 Mio. Euro) als „Bürgerdividende“ zu Gute.“

Die Vorstandsgehälter, Steigerungen und Bilanzsummen der Sparkassen in NRW finden Sie in dieser sortierbaren Tabelle auf einen Blick: