So wählten die Türken in Deutschland

Reform des Präsidialsystems

In zwei Monaten stimmt das türkische Volk über eine umstrittene Verfassungsreform ab - sie soll Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mehr Macht verschaffen. Auch Türken im Ausland durften wählen und könnten bei dem knappen Wahlergebnis den Ausschlag gegeben haben. Doch wie ist eigentlich ihr Wahlverhalten?

Oberhausen

21.02.2017, 05:29 Uhr / Lesedauer: 2 min
Die Türkenentschieden am 16. April in einem historischen Referendum über das von Staatschef Erdogan gewünschte Präsidialsystem.

Die Türkenentschieden am 16. April in einem historischen Referendum über das von Staatschef Erdogan gewünschte Präsidialsystem.

Mit teils sehr deutlicher Mehrheit haben die in Nordrhein-Westfalen lebenden Türken für die umstrittene Verfassungsänderung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gestimmt. Allein im Konsulat Essen gaben drei von vier Wählern (fast 76 Prozent) eine "Ja"-Stimme ab, wie die regierungsnahe Zeitung "Daily Sabah" online angibt.

Demnach lag das Ergebnis der Anhänger Erdogans im türkischen Konsulat von Düsseldorf bei etwa 70 Prozent, in Köln und Münster bei 64 Prozent. Die meisten "Nein"-Stimmen gab es in Berlin, hier stimmte laut "Daily Sabah" fast jeder Zweite gegen einen stärkeren Einfluss Erdogans auf die türkische Politik.

Hohe Wahlbeteiligung

Von den in Deutschland abgegeben Stimmen entfielen 63,1 Prozent auf das "Ja". Damit gab es fast eine Zweidrittelmehrheit für das Präsidialsystem, das die Macht des Staatsoberhaupts künftig stark ausweitet. In der Türkei selbst war das Ergebnis deutlich knapper - in anderen Ländern aber auch deutlich höher:

 

An der Abstimmung hatten sich überdurchschnittlich viele wahlberechtigte Türken im Ruhrgebiet und im Rheinland beteiligt. In Nordrhein-Westfalen waren 500 000 Türken zur Stimmabgabe aufgerufen. Die im Ausland lebenden Türken machten etwa 5 Prozent aller Wahlberechtigten aus. Präsident Erdogan hatte sie aufgerufen, sich massenhaft zu beteiligen.

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Entscheidende Stimmen aus Deutschland?

Die Türken in Deutschland können bei dem knappen Wahlergebniss in der Türkei theoretisch den Ausschlag gegeben haben. Sie wurden daher vor Abstimmungen heiß umworben - wie auch vor dem Referendum über die Einführung des Präsidialsystems.

In der Türkei sind nach Angaben der Wahlbehörde rund 55,3 Millionen Wahlberechtigte registriert, hinzu kommen rund 2,9 Millionen Wahlberechtigte im Ausland. Von den stimmberechtigten Auslandstürken lebt fast die Hälfte in der Bundesrepublik.

Bei den Türken in Deutschland können Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP traditionell auf sehr starke Unterstützung zählen, was sich auch beim Referendum niederschlagen dürfte. Erdogan und die Partei werben für ein Ja für das Präsidialsystem, das dem Staatschef einen deutlichen Machtzuwachs bescheren würde.

Bei der Präsidentenwahl im August 2014 konnte Erdogan in Deutschland 68,8 Prozent der Stimmen verbuchen - deutlich mehr als sein Gesamtergebnis, das bei 52,2 Prozent lag. Bei dieser Wahl stimmten die Türken in Deutschland in ihren diplomatischen Vertretungen ab. Im Konsulat in Essen - zuständig für das Ruhrgebiet, wo Ministerpräsident Binali Yildirim am Samstag auftritt - erzielte Erdogan deutschlandweit mit 79,4 Prozent sein bestes Ergebnis.

Überproportional gut abgeschnitten

Auch bei der Parlamentswahl im November 2015 schnitt Erdogans AKP in Deutschland überproportional gut ab: Auf sie entfielen 59,7 Prozent der in der Bundesrepublik abgegebenen Stimmen, während sie insgesamt auf ein amtliches Endergebnis von 49,5 Prozent kam. 40,79 Prozent der 1,41 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland beteiligten sich damals an der Parlamentswahl.

Die AKP treibt die von Staatschef Erdogan angestrebte Einführung des Präsidialsystems in der Türkei gegen den erbitterten Widerstand der Opposition voran. Das Parlament in Ankara stimmte bereits im Januar einer Verfassungsänderung für ein System zu, das Erdogan mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen würde. 

Zu den geplanten Änderungen gehört unter anderem, dass der Präsident nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef werden und das Amt des Ministerpräsidenten entfallen soll. Mit der Reform würde auch der Einfluss des Präsidenten auf die Justiz zunehmen. Kritiker befürchten ein Ende der Demokratie in der Türkei.

Von dpa

Hinweis in eigener Sache: In der ersten Version dieses Artikels waren Teile der Grafik nicht korrekt, hier wurden die Ja- und die Nein-Stimmen vertauscht. Wir haben dies aktualisiert.

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