So überwacht die Polizei in NRW Handydaten

Fragen und Antworten

Die Polizei setzt bei ihrer Ermittlungsarbeit immer häufiger auf das elektronische Hilfsmittel der Handyortung. Dabei arbeitet sie mit verdeckten Methoden, von denen Betroffene nichts mitbekommen. Da auch unschuldige Personen mit erfasst werden, gibt es Kritik.

von Wiebke Karla, Jan Falk, Benedikt Reichel

DÜSSELDORF

, 20.06.2014, 18:44 Uhr / Lesedauer: 3 min
Die Polizei in NRW arbeitet immer öfter mit der Überwachung von Mobiltelefonen.

Die Polizei in NRW arbeitet immer öfter mit der Überwachung von Mobiltelefonen.

Zum einen die „Stille SMS“, bei der ein Signal an das Mobiltelefon gesendet wir, dass daraufhin seinen Standort preisgibt. Für den Nutzer ist dieses Signal unsichtbar. Damit kann konkret ein Handy (also eine Telefonnummer) aufgespürt werden. Bei der Funkzellenabfrage werden alle Daten aus seinem bestimmten Bereich aufgelistet – also alle Mobiltelefone, die sich zu einem konkreten Zeitpunkt in der Funkzelle aufgehalten haben. So kann die Polizei beispielsweise erkennen, wer in der Nähe eines Tatorts war. Bei mehreren Tatorten und entsprechenden Funkzellenabfragen lassen sich Überschneidungen erkennen.

2013 haben die Behörden in NRW 4145 Funkzellenabfragen gestellt. Das hat das Land NRW circa eine Million Euro gekostet. Diese Methode wird immer häufiger genutzt. 2012 gab es gut 3500 Anfragen, 2011 erst rund 2700. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden bereits knapp 1000 Funkzellenabfragen gestellt. Zudem haben die Ermittler 2013 fast 310.000 Ortungssignale („Stille SMS“) an konkrete Handys versendet, um deren Standort zu erfahren. Ein Jahr zuvor waren es gut 275.000 Ortungsversuche, im Jahr 2009 lag die Zahl jedoch auch schon mal höher bei 320.000 Fällen. Diese Zahlen gehen aus der Antwort des Innenministeriums auf eine große Anfrage der Piratenpartei im NRW-Landtag hervor.

Nein. Wie viele konkrete Personen hinter diesen Ortungsversuchen per „Stiller SMS“ stehen ist nicht klar. Eine Anzahl an überwachten Personen nennt das Innenministerium nicht. Es ist jedoch üblich, dass ein Telefon eine Vielzahl von Ortungssignalen über einen längeren Zeitraum erhält. Laut Justizministerium handelt es sich nur um relativ wenige Fälle, in denen die Richter der Polizei eine  Erlaubnis zum Einsatz der Methoden erteilt hat. Im Jahr 2012 waren es 821 Verfahren ein Jahr zuvor waren es 591. In relativ wenigen Fällen gab es also jeweils viele Ortungen. Wie viele Personen genau betroffen waren, ist aber nicht bekannt. Auch ist nicht ganz sicher, ob die Zahlen des Justizministeriums genau die Zugriffe abdecken, die das Innenministerium angegeben hat.

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Die Telekommunikationsüberwachung ist im § 100a der Strafprozessordnung geregelt. Die Erhebung von sogenannten Verkehrsdaten (also Ortsangaben) regelt der § 100g. Demnach dürfen diese Daten bei schweren Straftaten nach § 100a auch ohne das Wissen der Betroffenen erhoben werden, „wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht“. Für die Durchführung brauchen die Behörden eine richterliche Genehmigung.

Insgesamt schon, ob sie in jedem einzelnen Fall wirklich zu Recht eingesetzt wurden, ist nicht nachvollziehbar. Zudem lässt sich nicht nachvollziehen, wann – und wann nicht – die Richter jeweils Genehmigungen für die Überwachung erteilt haben.

Ja. So haben etwa auch die Landesregierungen in Hamburg und Berlin Statistiken zur Nutzung von „Stillen SMS“. Die Polizei Hamburgs hat demnach im Jahr 2012 insgesamt 137.522 „Ortungsimpulse“ versendet, Tendenz ebenfalls steigend. Auch in Bayern und anderen Ländern wurden Anfragen entsprechend beantwortet. Warum gibt es Kritik an der Handyortung durch die Polizei? Es geht doch schließlich um Verbrechensbekämpfung. Gerade bei der Funkzellenabfrage werden die Handydaten Tausender Nutzer in dieser Funkzelle erfasst und zunächst einmal gespeichert. Dabei geht es auch um die Daten unschuldiger und gar nicht tatverdächtiger Bürger. Zwar betont das Innenministerium, dass diese Daten wieder gelöscht würden, jedoch bemängeln die Piraten in NRW eine fehlende Transparenz, zum Beispiel darüber, wann die Daten gelöscht werden. So wäre es denkbar, dass bei laufenden Ermittlungen mehrere Funkzellen ausgewertet würden und so unschuldige Bürger ins Visier der Ermittler geraten, weil sie sich gerade zufällig dort aufgehalten haben. Problem: Die betroffenen Erfahren noch nicht einmal, dass ihre Daten erhoben wurden.