So soll es im Nahverkehr sicherer werden

Mehr Personal und Kameras

Sicherheit beim Zugfahren: Nicht erst seit dem Terroranschlag in dem Würzburger Regionalzug ist das ein Thema im NRW-Nahverkehr. Zweckverbände, die zuständigen Ministerien und die Bahn hatten bei einer Sicherheitskonferenz im April in einem Konzept Vorschläge gemacht, wie das Sicherheitsgefühl von Fahrgästen und Mitarbeitern gesteigert werden kann. Was ist bis jetzt daraus geworden?

DORTMUND

, 28.07.2016, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Nahverkehrsverbände in NRW haben Vorschläge vorgelegt, wie Sicherheit in Zügen in Zukunft gestaltet werden soll.

Nahverkehrsverbände in NRW haben Vorschläge vorgelegt, wie Sicherheit in Zügen in Zukunft gestaltet werden soll.

Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) hat im vergangenen Monat ein Sicherheitskonzept verabschiedet. Auch die anderen beiden NRW-Zweckverände – der Nahverkehr Rheinland (NVR) und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) – und die Deutsche Bahn haben reagiert. Die Hintergründe:

Wird im NRW-Nahverkehr in Zukunft mehr Personal eingesetzt?

Die bestehenden Verkehrsverträge sollen im Gebiet des VRR an die aktuelle Situation angepasst werden. „Das bedeutet, dass insbesondere in den Abendstunden ab 19 Uhr eine höhere personelle Präsenz von Sicherheits- und Servicepersonal angestrebt wird, nach Möglichkeit mittelfristig flächendeckend bis zu einer Begleitquote von 100 Prozent“, erklärt Sabine Tkatzik, Pressesprecherin des VRR.

Der NVR, auch Teilnehmer der Sicherheitskonferenz, hat seit Anfang des Jahres das Personal in den Zügen erhöht. „Wir haben auf Schwerpunkte reagiert, in nahezu allen Zügen fahren ab 19 Uhr zwei Sicherheitsleute mit, am Wochenende jetzt bis 6 Uhr, anstatt bis 3 Uhr“, sagt Holger Klein, Sprecher des NVR.

Das Thema Begleitquote sei natürlich auch eines, an dem im NWL gearbeitet wird – und das nicht erst seit der Sicherheitskonferenz, wie NWL-Sprecher Uli Beele auf Anfrage erklärt. Seit einigen Jahren arbeite man darauf hin, wieder auf 100 Prozent zu kommen, vor allem in den Abendstunden. Wenn mehr Mitarbeiter im Zug oder am Bahnhof sind, fühlen sich Fahrgäste tendenziell sicherer. „Das hat auch viel mit dem subjektiven Empfinden zu tun“, sagt Beele. 

Angesichts der Gewalttaten der vergangenen Tage will zudem die Deutsche Bahn die Sicherheit auf Bahnhöfen und in Zügen verstärken. "Wir planen, in den nächsten Jahren bei der DB Sicherheit zusätzlich mehrere hundert Mitarbeiter einzustellen sowie deren Ausbildung und Qualifizierung zu verbessern", sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Mittwoch in Berlin. Auch die Videoüberwachung werde ausgebaut. 

Laut Grube bemüht sich die Deutsche Bahn intensiv darum, "dass unsere Züge und Bahnhöfe auch weiterhin zu den sichersten Orten im öffentlichen Raum zählen". Derzeit seien rund 3700 unternehmenseigene Sicherheitskräfte zur Unterstützung der rund 5000 Bundespolizisten auf Bahnanlagen im Einsatz. "Wir haben seit Jahren eine sehr gut funktionierende Partnerschaft mit der Bundespolizei", sagte Grube. Auch die Bundespolizei will investieren, bestätigt Jens Flören, Sprecher der Bundespolizei für NRW, auf Anfrage „Ja: Wir wollen verstärkte, sichtbare Präsenz an Bahnhöfen zeigen.“ In den Ausbau der Videoüberwachung sollen den Angaben zufolge in den kommenden Jahren 85 Millionen Euro investiert werden. Der VRR will ab Herbst zudem sogenannte Verfügungsteams eingesetzt werden.

Was genau ist mit „Verfügungsteams“ gemeint?

Diese Teams bestehen aus zwei Sicherheitsmitarbeitern und einem Fahrausweisprüfer. Sie sollen brennpunktspezifisch eingesetzt werden, „wobei insbesondere bei sicherheitsrelevanten Vorkommnissen schnell reagiert werden kann und das Hausrecht effektiv durchgesetzt werden kann“, so Sabine Tkatzik. In S-Bahnen und Regionalzügen werden Teams in ausgewählten Bereichen planmäßig eingesetzt. Das Besondere ist aber, dass die Verfügungsteams auch kurzfristig über eine Sicherheitsleitstelle für andere Einsatzorte angefordert werden können.

Sieben dieser Teams sollen ab Herbst eingesetzt werden. „Einsatzplanung, Dienstzeiten und Schwerpunktbereiche werden in Abstimmung mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Bundespolizei vorgegeben“, so Sabine Tkatzik. Derzeit laufe die Organisation noch. 

Gibt es die Verfügungsteams ab Herbst dann dauerhaft?

Nein. Die Pilotphase dauert ein Jahr – es gibt aber eine Option auf Verlängerung. Laut VRR belaufen sich die Kosten auf 1,5 Millionen Euro pro Jahr. VRR und Land NRW teilen sich die Kosten zu gleichen Teilen. Der NVR will hier das Pilotprojekt abwarten und dann über eine Einführung entscheiden. Genauso ist es beim NWL. Wie Uli Beele erklärt, hatte man sich bei der Sicherheitskonferenz geeinigt, dass die Pilotprojekte erst mal im VRR-Gebiet laufen sollen, und die anderen NRW-Zweckverbände das Ergebnis dieser Piloten abwarten.

Was war ursprünglich in Bezug auf Kontrollen mit Hunden angedacht gewesen?

Eigentlich sollten drei der sieben Verfügungsteams aus zwei Sicherheitsmitarbeitern, einem ausgebildeten Hundeführer und eben einem Hund bestehen. „Erfahrungen aus der Hamburger Hochbahnwache zeigen deutlich, dass sich der Einsatz von Diensthunden positiv auf das Sicherheitsempfinden auswirkt, wenn diese in einer Gefahrensituation zum Einsatz kommen“, so steht es in der ursprünglichen Version des Sicherheitskonzepts des VRR.

Seit 1992 setzt die Hamburger Hochbahn zwölf Diensthunde an Haltestellen ein, „vor allem bei Großveranstaltungen, wie Demonstrationen oder Fußballspielen“, sagt Sprecherin Christina Becker. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, die Hunde wirken eindrucksvoll und schon durch ihre bloße Anwesenheit deeskalierend“, sagt sie. Die dreiköpfigen Teams mit Hund sind im Rahmen eines Verfügungsdienstes vor allem nachmittags, abends und nachts im Einsatz. 

„Der Vergleich mit Hamburg hinkt etwas“, sagt Lothar Ebbers, der als Vertreter des Fahrgastverbands Pro Bahn ständiger Gast im Ausschuss für Verkehr und Planen des VRR ist, ein. In Hamburg werden die Hunde in wenigen U-Bahnen und an Bushaltestellen eingesetzt. Trotzdem bleiben die Hunde ein Thema: Mithilfe eines Erfahrungsberichtes aus Hamburg, so Ebbers, wolle sich der VRR-Verwaltungsrat im September vertiefend mit dem Thema befassen. Auch NRW-Verkehrsminister

Michael Groschek kündigte an, über die Hundestreifen noch mal mit dem VRR zu sprechen. Er war auf der Sicherheitskonferenz dafür eingetreten, sie auszuprobieren.

Was haben die Zweckverbände noch für die Sicherheit beschlossen?

Die Videoüberwachung im VRR soll flächendeckend ausgeweitet werden. 2020 ist dazu im Beschluss des Verwaltungsrates angepeilt. Aktuell, so Sabine Tkatzik, sind 92 Prozent der S-Bahn-Fahrzeuge mit Videotechnik ausgestattet. Beim NVR ist man weiter. „Wir haben die komplette S-Bahn-Flotte mit Videokameras nachgerüstet“, sagt Klein. Bei Neuausschreibung sei die Überwachung fest vorgeschrieben.

Mit seinem bereits verabschiedeten Sicherheitskonzept ist der VRR so etwas wie ein Vorreiter. Auch das hat mit der Sicherheitskonferenz zu tun: Dort wurde verabredet, dass einige Pilotprojekte erst mal testweise dort laufen sollen, bevor sie in anderen Bereichen umgesetzt werden.

Nichtsdestotrotz arbeitet auch der NWL an einem Konzept. So gibt es jetzt eine Initiative für den Raum Westfalen-Lippe, die bis zum Ende des Jahres einen Bericht über die allgemeine Sicherheitslage erstellt. Basierend darauf, so Uli Beele, soll dann auch ein Konzept erarbeitet werden. „Wenn wir den Status Quo ermittelt haben, können wir auch sehen, welche Maßnahmen zusätzlich benötigt werden“, sagt er. Heißt: Ende des Jahres soll auch in Westfalen ein Sicherheitskonzept verabschiedet werden.

Zugangskontrollen zu Bahnhöfen sind im VRR-Konzept auch nicht vorgesehen. Warum nicht?

„Zu große Hindernisse“ gebe es für solche Kontrollen, meint Lothar Ebbers. Zu bedenken seien nicht nur die Kosten für die Umbauten, sondern auch Brandschutzvorrichtungen oder die Konsequenzen für den Charakter von Bahnhöfen. Eigentlich war in dem Konzept die Prüfung von technischen Zugangskontrollen vorgesehen, für die NRW-Verkehrsminister Michael Groschek bei einer Sicherheitskonferenz im April noch geworben hatte. Auch dieser Punkt wurde nach einem Antrag der CDU-Fraktion aus dem Konzept herausgenommen, bevor es verabschiedet wurde.

Auch der NVR ist skeptisch gegenüber den Zugangskontrollen. „Bei uns sind diese durch bauliche Situationen nur schwer zu realisieren“, sagt Klein. Außerdem: Die Rede war von technischen Zugangskontrollen. „Das ist ja im Prinzip eine Art Fahrkartenkontrolle“, sagt Bundespolizei-Sprecher Jens Flören. Sicherheitskontrollen, die darüber hinausgehen, sieht er kritisch. „Wir haben 700 Bahnhöfe und Haltepunkte allein in NRW. Das wäre schier unmöglich“, sagt er.

Mit dpa