Sommerzeit ist Grillzeit, leider aber auch die Zeit schmerzhafter Darminfektionen. Campylobacter- und Salmonellen-Infektionen steigen bei Hitze an. Wo die gefährlichen Keime lauern - und wie Sie sich schützen.

Dortmund

, 28.07.2018, 05:50 Uhr / Lesedauer: 4 min

Salmonellen kennt fast jeder, aber Campylobacter? Der inzwischen häufigste bakterielle Erreger von Darminfektionen ist laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung nur einer Minderheit ein Begriff. Campylobacter sei 22 Prozent von rund 1000 Befragten bekannt, teilte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit.

Die häufigsten Symptome sind Durchfall, Bauchschmerzen beziehungsweise -krämpfe, Fieber und Mattigkeit. Die Erkrankung dauert in der Regel bis zu eine Woche, mitunter auch länger. Gefährlich ist die Infektion für Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere sowie alte und abwehrgeschwächte Menschen. Diese sollten generell auf den Verzehr von rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft, einschließlich Rohmilch und rohem Hackfleisch oder Mett verzichten.

Im Interview erklärt Dr. Heidi Wichmann-Schauer vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) woher die Keime kommen - und wie Sie sich vor einer Infektion schützen können.


Wie viele Menschen erkranken an einer bakteriellen Infektion durch Lebensmittel?

Wichmann-Schauer: Es gibt etwa 70.000 gemeldete Fälle von Campylobacteriose, die jährlich an das Robert Koch-Institut übermittelt werden. Etwa 15.000 Fälle von Salmonellose. Die Fallzahlen zu weiteren durch Lebensmittel übertragbaren bakteriellen Erkrankungen liegen deutlich niedriger.

Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Experten gehen von einer bis zu zehnfach höheren Dunkelziffer aus. Nicht jeder geht zum Arzt oder der Arzt lässt keine Stuhlprobe untersuchen. Denkbar ist außerdem, dass nicht alle Fälle an die Gesundheitsbehörden gemeldet werden.

Woher kommen die Bakterien?

Bei Campylobacter wissen wir schon, dass das Hauptreservoir Geflügel und Rinder sind. Deshalb kommen die Erreger meistens von Fäkalien dieser Tiere auf die tierischen Lebensmittel. Rohe oder unzureichend gegarte Lebensmittel von diesen Tieren sind die Hauptüberträger. Das betrifft nicht nur Fleisch, sondern auch Rohmilch. Uns bereitet zunehmend Sorgen, dass Milch heute gern roh verzehrt wird - Stichwort: Milchtankstelle. Salmonellen kommen auch im Darm von Tieren vor - überwiegend bei Schweinen und Geflügel. Auch hier gilt: Rohe und unzureichend gegarte Lebensmittel von diesen Tierarten können verunreinigt sein. Bei Kontakt mit Fäkalien können auch pflanzliche Lebensmittel kontaminiert sein. In der Vergangenheit waren dies beispielsweise Melonen, Schokolade, Sprossen oder Kräutertees.

Wie kommen die Bakterien auf die Pflanzen?

Der weltweite Handel mit Lebensmitteln nimmt zu. Das kann auch daran liegen, dass in den vergangenen Jahren vermehrt auch Lebensmittel aus Ländern gehandelt werden, die nicht unsere Hygiene-Standards haben. In Regionen, in denen das Wasser knapp ist, werden Pflanzen unter Umständen auch mit behandeltem Abwasser bewässert, um einen Ertrag zu haben. Und so besteht die Möglichkeit, dass tierische und menschliche Fäkalien auf Lebensmittel gelangen. Auch Überflutungen von Feldern erhöhen das Risiko für Kontaminationen.

Warum steigen die Fallzahlen besonders bei Hitze in den Sommermonaten an?

Bei Campylobacter stellen wir fest, dass auch die Tiere in den Sommermonaten häufiger infiziert sind. Man geht davon aus, dass die Übertragung von Tier zu Tier in den Sommermonaten leichter möglich ist - zum Beispiel durch Fliegen und andere Insekten. Das weiß man, weil man Fliegengitter angebracht hat. Bei Beständen, die so möglichst insektenfrei gemacht wurden, ist auch die Infektionsrate geringer.

Bei den Salmonellen kommt hinzu, dass sie sich im Sommer schneller vermehren, wenn man die Kühlkette nicht einhält. Salmonellen vermehren sich oberhalb von sieben Grad. Deshalb ist es riskant, wenn man Tiramisu mit rohen Eiern nicht kühlt.

Wie kaufen Sie ein?

Man kann zum Beispiel morgens oder abends Einkaufen fahren, wenn es nicht so warm ist. Auch eine Kühltasche dabei zu haben, ist empfehlenswert. Ein Großeinkauf dauert ja auch eine Weile und leicht verderbliche Lebensmittel wie Fleisch und auch die Tiefkühlkost suche ich mir erst zum Ende des Einkaufs zusammen. Zu Hause kommt das sofort in den Kühlschrank und die Truhe.

Was muss man beim Einräumen des Kühlschranks beachten?

Was kaum jemand macht, aber sehr wichtig ist: Die Temperaturangaben auf den Verpackungen beachten. Die sind recht unterschiedlich. Verpacktes Hackfleisch etwa sollte bei zwei Grad gekühlt werden, die hat man aber im heimischen Kühlschrank nur selten. In der Regel hat ein Kühlschrank fünf bis sechs Grad im Schnitt. Solche Lebensmittel muss man am Tag des Einkaufs verbrauchen oder zumindest durchgaren.

Campylobacter und Salmonellen in der Region (1. bis 28. Woche):

Dortmund:
Campylobacter: 317 Salmonellen: 26

Kreis Unna:
Campylobacter: 259 Salmonellen: 25 Kreis Borken:
Campylobacter: 251 Salmonellen: 31

Kreis Coesfeld:
Campylobacter: 186 Salmonellen: 31
Kreis Recklinghausen:
Campylobacter: 395 Salmonellen: 39

Welche Lebensmittel gehören in welches Fach?

Das, was am schnellsten verdirbt, also Wurstaufschnitt, Fleisch, Fisch natürlich gehören auf die Glasplatte weit nach hinten, dort wo die Kühlung herkommt. Ganz nach oben kann man Marmelade, Toastbrot und andere Dinge stellen, die nicht so verderblich sind. Getränke und Ketchup-Flaschen kann man in die Tür stellen. Und der Kühlschrank sollte nicht so voll sein. Die Luft muss zirkulieren können. Und man sollte den Kühlschrank nicht ständig auf und zumachen.

Sollte man zum Schneiden Holz-, Plastik- oder Glasbrettchen benutzen?

Hauptsache es hat eine glatte und saubere Oberfläche. Holz ist schnell zerfurcht und lässt sich auch in der Geschirrspülmaschine schlecht reinigen. Hygienischer sind glatte, gut zu reinigende Kunststoff- oder Glasbrettchen. Wenn Sie darauf Fleisch schneiden, würde ich schon ein Brettchen empfehlen, das sie auch in der Geschirrspülmaschine reinigen können. Und wenn Sie Salat, Gemüse und Fleisch schneiden wollen, fangen Sie mit dem Salat und Gemüse an und schneiden erst danach Fleisch. Und dann ab in die Spülmaschine oder mit richtig heißen Wasser und Spülmittel reinigen, bevor Sie es wiederverwenden.

Sollte man Hähnchen vor dem Zubereiten abwaschen?

Nicht abwaschen! Möglichst so gut wie gar nicht anfassen, auch nicht trocken tupfen. Am besten mit Küchengeräten gleich in die Pfanne oder auf den Grill legen. Durch das Abwaschen verteilt man eher die Bakterien noch in der Küche - insbesondere Campylobacter. Und unbedingt richtig durchgaren!

Wie oft sollte man Putzlappen, Trockentücher und Schwämme in der Küche wechseln, um Keimen keine Chance zu geben?

Wenn häufig mit tierischen Lebensmitteln gekocht wird, am besten täglich. Die Lappen in die Wasch-, die Schwämme in die Spülmaschine. Wenn Sie nur am Wochenende mit tierischen Lebensmitteln kochen, sollten Sie die Sachen am Sonntagabend wechseln. Benutzte Küchenschwämme gehören spätestens nach einer Woche in den Müll.

Und beim Grillen? Worauf würden Sie besonders achten?

Schwein und Geflügel sollte man grundsätzlich durchgaren, weil die Wahrscheinlichkeit, dass da Campylobacter oder Salmonellen vorhanden sind, deutlich höher ist. Beim Grillen haben wir noch eine zweite Gefahr - und deshalb haben wir vielleicht auch mehr Infektionen im Sommer: Beim Grillen gilt es, getrennte Teller und getrenntes Besteck für das rohe Fleisch und für die gegarten Sachen zu benutzen. Man braucht je eine Grillzange für das rohe Fleisch und für das gegarte Fleisch, weil man sonst die Bakterien auf das gegrillte Fleisch überträgt. Salate sollte man erst aus dem Kühlschrank holen, wenn man sie isst. Beim Picknick im Park ist eine Kühltasche Pflicht. Feuchttücher, um sich die Hände zu reinigen bevor man ist, gehören auch ins Gepäck. Das muss kein Desinfektionsmittel sein.

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Was denken Sie, wenn Sie TV-Kochshows sehen?

Es ist sehr schade, dass in Kochshows der Öffentlichkeit nicht vermittelt wird, wie man hygienisch kocht. Da sehe ich großen Nachholbedarf.

Sind Veganer und Vegetarier überhaupt nicht gefährdet?

Vermutlich haben Sie ein geringeres Risiko, an Lebensmittelinfektionen zu erkranken, weil sie eben keine rohen, vom Tier stammenden Lebensmittel verzehren. Aber das Risiko ist nicht gleich null. Auch pflanzliche Lebensmittel können durch Hygienemängel mit Fäkalien verunreinigt sein. Aber auf pflanzlichen Lebensmitteln werden in Deutschland [hws7] deutlich seltener Krankheitserreger gefunden. Die Wahrscheinlichkeit, Krankheitserreger in die Küche zu tragen, steigt mit der Häufigkeit, in der sie rohe[hws8] vom Tier stammende Lebensmittel verarbeiten.