Sichere Stellplätze, Reparaturservice und Arbeitsgelegenheiten - das bieten Radstationen

Sichere Stellplätze, Reparaturservice und Arbeitsgelegenheiten - das bieten Radstationen

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Fast 68.000 Fahrräder wurden 2017 in NRW gestohlen. In Radstationen stehen sie sicher. Die überwachten Stationen sind aber mehr als nur eine Parkgelegenheit.

NRW

, 13.08.2018, 05:50 Uhr / Lesedauer: 5 min

Auf dem Boden neben dem Stahlbügel liegt ein geknacktes Schloss. Das Fahrrad, zu dem es gehörte, ist weg. Wer sein Rad schon einmal an der Nordseite des Hauptbahnhofs abgestellt hat, der kennt dieses Bild, wurde vielleicht sogar selbst schon bestohlen. 2017 wurden laut einem Sprecher der Polizei mehr als 67.900 Fahrräder in NRW als gestohlen gemeldet.

Radstationen teilweise bis zu 100 Prozent ausgelastet

„Für viele ist die Radstation alternativlos“, sagt Jürgen Beck, Leiter der Radstation am Dortmunder Hauptbahnhof. Diese liegt auf der anderen, der Südseite des Bahnhofs, gegenüber vom Fußballmuseum. „440 Stellplätze gibt es hier – alle überdacht und bewacht“, sagt Beck. „Vor der Neueröffnung im Januar 2016 hatten wir eine Warteliste von 70 bis 80 Interessierten, die ihr Rad hier abstellen wollten“, sagt Beck. „Im Moment liegt die Auslastung bei 60 bis 65 Prozent, aber in zwei bis drei Jahren werden wir wieder an unsere Grenzen stoßen. Der Bedarf ist da und er wächst.“ In Castrop-Rauxel etwa liegt die Auslastung zwischen 80 und 100 Prozent, am Lüner Bahnhof bei 90 Prozent. Ein Negativbeispiel ist der Bahnhof Selm-Beifang: Dort gab es nicht genügend Nachfrage, sodass die Radstation im Jahr 2015 geschlossen wurde.

Die Fahrradstation am Dortmunder Hauptbahnhof ist eine von 72 in Nordrhein-Westfalen, teilt das Verkehrministerium NRW mit, Stand Dezember 2017. Mehr als 60 tragen den Markennamen „Radstation“, den der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) NRW lizenziert hat. „Auch wir dürfen uns seit der Neueröffnung so nennen“, erklärt Beck. Um den lizenzierten Namen zu erhalten, muss eine Fahrradstation bestimmte Kriterien erfüllen – beispielsweise müssen die Stellplätze überdacht und bewacht sein.

Die Radstation wird videoüberwacht - so einfach kann hier niemand ein Rad klauen.

Die Radstation wird videoüberwacht - so einfach kann hier niemand ein Rad klauen. © Jean-Pierre Fellmer

Der 55-jährige Zweiradmechaniker Beck arbeitet seit elf Jahren in der Station. Weniger auffällig als das Rad-Parkhaus am Haupteingang ist die dazugehörige Werkstatt – sie befindet sich nur wenige Meter entfernt im Bahnhofsgebäude neben der Polizeiwache. In der Mitte des kleinen Raums steht ein Rad auf einer Reparaturbank, daneben ein Beitisch mit Schraubenschlüsseln und -ziehern. Beck sitzt an einem Schreibtisch, an der Wand neben ihm hängt sein Meisterbrief „Unser Hauptgeschäft ist das Parken der Räder sowie die Reparatur“, sagt Beck. Auch motorisierte Räder repariert Beck. Als gelernter Zweiradmechaniker war er früher auch für Motorräder zuständig, an der Wand hängen diverse Zertifikate für die Reparatur motorisierter Räder. „Kleinigkeiten wie eine verkohlte Steckverbindung oder ein defekter Akku können oft schnell erkannt und repariert werden“, sagt Beck.

Reparaturservice ist wichtig für die Radstationen

Das Telefon klingelt: Ein Kunde will wissen, ob er sein repariertes Rad abholen kann. „Welche Nummer haben Sie?“, fragt Beck. Er schaut auf eine selbst gebaute Pinnwand, an der blaue Zettel mit Zahlen hängen. „Ja, Ihr Rad ist fertig – Sie können es abholen.“ Teilweise ist der Reparaturservice für eine Radstation sogar wichtiger als die Abstellmöglichkeiten: In Haltern etwa gibt es am Bahnhof viele Gratis-Parkplätze für Räder - daher gewännen Reparatur und Verleih von Rädern für die Halterner Radsation an Bedeutung, so Michael Halberstadt von der Jugendwerkstatt der Caritas, die die Radstation dort betreibt. Bei der Radstation am Schwerter Bahnhof können Reparaturaufträge sogar in den Briefkasten geworfen oder auf der Website mitgeteilt werden - etwa über das Smartphone, während man im Zug sitzt.

Diese Pinnwand zeigt, welches Rad bereits repariert ist.

Diese Pinnwand zeigt, welches Rad bereits repariert ist. © Jean-Pierre Fellmer

Fahrradstationen werden vom Land gefördert: Die Kommune stellt einen Antrag zur Förderung an das Land, pro Fahrradstellplatz bekommt sie 70 Prozent der Baukosten – finanzschwache Kommunen erhalten sogar 75 Prozent, dazu gehört auch Dortmund. Die Kosten sind gedeckelt – 1000 Euro für einen Stellplatz am Straßenrand, 1250 Euro für eine Fahrradbox und 1500 für einen innen liegenden Stellplatz. Die Kommune verpachtet die Station dann an den Betreiber der Radstation – also an ein privates Unternehmen oder eine gemeinnützige Organisation. Hier ist das die Dobeq – die Dortmunder Bildungs-, Entwicklungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Der Bau der neuen Radstation hat 477.000 Euro gekostet – 153.720 Euro davon kamen aus dem Klimaschutz-Programm des Bundes.

Viele Räder in einer Radstation mit Doppelstockparkern unterbringen

Beck steht vom Schreibtischstuhl auf, verlässt die Werkstatt und geht zum Radparkhaus. „Das Dach wurde schon in den 70er-Jahren gebaut, bei der Nachrüstung wurde einfach ein Fundament aus Beton gegossen, darauf wurden Wände aus Stahl und Glas hochgezogen.“

Die Räder sind akkurat in zwei Etagen geparkt. „Das sind sogenannte Doppelstockparker“, erklärt Beck. Sie ermöglichen es, viele Räder auf wenig Platz unterzubringen. Die Schiene, auf der das Rad steht, ist mit einem Hydrauliksystem verbunden – fast mühelos lässt sich das Rad abstellen. „Damit auch etwa die ältere Frau die Radstation alleine nutzen kann.“

Die Fahrräder sind auf zwei Etagen geparkt - in sogenannten Doppelstockparkern, wie Jürgen Beck erklärt.

Die Fahrräder sind auf zwei Etagen geparkt - in sogenannten Doppelstockparkern, wie Jürgen Beck erklärt.

Inwiefern der Radverkehr durch Fahrradstationen besonders gestärkt wird, lasse sich nur schwer sagen, meint Peter London, Experte für Fuß- und Radverkehr beim Verkehrsministerium NRW: „Die letzte Mobilitätsuntersuchung war im Jahr 2008, die nächste soll bald veröffentlicht werden. Bisher liegt der Anteil vom Rad- am Gesamtverkehr bei zehn bis zwölf Prozent.“ Der ADFC wurde im Jahr 2000 vom Land beauftragt, Pendler an einem Bahnhof mit einer Fahrradstation zu befragen, wie sie die Radstation nutzen. Das Ergebnis: Die Bahn konnte zehn Prozent echte Neukunden gewinnen – also Pendler, die das Rad und im Anschluss die Bahn statt des Autos genutzt haben. Deshalb begrüßt laut einem Sprecher die Deutsche Bahn Fahrradstationen. Fahrradhändler wie Klaus Schmitz aus Dorsten sind nicht immer begeistert von Fahrradstationen: Er finde es zwar gut, dass dort Räder abgestellt werden können. Aber das in der Fahrradstation in Dorsten Reparaturen angeboten würden, ohne dass es einen Werkstattmeister gebe, sei nicht richtig. Die Fahrradhändler von Big Wheel in Haltern und „fahr´Rad“ in Lünen sähen jedoch keine Konkurrenz in den örtlichen Radstationen.

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Dortmunder Radstation hat zehn Ladeplätze für E-Bikes und Pedelecs

An der Station in Dortmund können Pendler auch Räder ausleihen: Links neben dem Eingang der Radstation befindet sich eine Station des Fahrradleihdienstes Metropol-Radruhr. Und die Radstation der Dobeq verleiht auch E-Bikes und Pedelecs. Laut Wegerich vom ADFC sind motorisierte Räder bei der Mehrheit der Pendler noch kein Thema . Ausschlaggebend sei der sichere Parkplatz für die teuren Räder – aber nicht nur an Bahnhöfen, sondern auch beim Arbeitgeber oder am Supermarkt. Die Dortmunder Radstation hat zehn Ladestationen von der DEW21 (Dortmunder Energie- und Wasserversorgung) gesponsert bekommen. Und diese werden laut Beck immer häufiger genutzt – schließlich ist der Service kostenlos.

Zehn Ladestationen hat die DSW21 der Radstation am Dortmunder Hauptbahnhof gesponsert.

Zehn Ladestationen hat die DSW21 der Radstation am Dortmunder Hauptbahnhof gesponsert. © Jean-Pierre Fellmer

Zurück in der Werkstatt. Beck schraubt an einem Rad, ein junger Mann steht plötzlich in der Tür: „Hallo, ich habe gehört, dass man hier Sozialstunden abbauen kann“, fragt er. Heute sei zu viel zu tun, er solle morgen wiederkommen, antwortet Beck.

Radstationen sind auch ein wichtiger Arbeitgeber

Laut London vom Verkehrsministerium haben Radstationen auch eine soziale Funktion: Neben Menschen, die vom Gericht verordnete Sozialstunden ableisten, arbeiten dort oft Langzeitarbeitslose, die wieder für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden sollen – sogenannte „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ (AGH). Seit dem 1. Juli gibt es an der Radstation 14 solcher AGH, zuvor waren es 11. „Wir sind auf das Personal angewiesen“, sagt Beck. Neben ihm schraubt Sven Pragal (32), er hat seine Arbeit an der Radstation in einer AGH begonnen und macht jetzt eine Ausbildung zum Fahrradmonteur. „Die Kollegen sind nett und die Arbeit war in vier Jahren noch nie langweilig.“

Sven Pragal schraubt an einem Rad, das zur Reparatur abgegeben wurde.

Sven Pragal schraubt an einem Rad, das zur Reparatur abgegeben wurde. © Jean-Pierre Fellmer

Aber was tun denn Radfahrer, die aus dem Norden kommen, und ihr Rad nicht jedes Mal durch den Hauptbahnhof schieben wollen? Laut Heike Thelen, Pressesprecherin der Stadt Dortmund, gibt es den Plan, auch auf der Nordseite eine Radstation zu errichten. „Wenn es das Angebot gäbe, würde ich es auch nutzen – den Preis finde ich in Ordnung“, sagt Rahel Dina Hackert. Die 27-jährige Studentin pendelt regelmäßig nach Essen und stellt ihr Rad an der Nordseite des Bahnhofs ab. „Schon dreimal wurde mein Rad geklaut. Aber es jedes Mal durch den Bahnhof zu schieben, um es in der Radstation an der anderen Seite abzustellen, ist einfach zu zeitaufwendig.“

Mehr hochwertige Radstellplätze sind für Dortmund geplant

Zwei weitere Fahrradparkhäuser mit je 40 Plätzen sind laut Tiefbauamt – am Bahnhof in Mengede und in Aplerbeck an der Marsbruchstraße Ecke Rodenbergstraße geplant. Beide sollen ein elektronisches Schließsystem bekommen, sodass Pendler rund um die Uhr Zugang zu ihren Rädern haben. Die Kosten: je 72.000 Euro pro Parkhaus. In Mengede gibt es bereits sichere Fahrradparkplätze – am Bahnhof stehen hier 16 vermietete Fahrradboxen der Deutschen Bahn. Auch in anderen Städten gibt es Fahrradboxen, in mehreren Stadtteilen in Dorsten etwa.

Laut Wegerich vom ADFC sind Radstationen wichtig für einen zukunftsorientierten Verkehr. Es komme aber auf das Gesamtkonzept und die jeweilige Kommune an, um den Radverkehr ganzheitlich zu fördern.

Es ist 15.50 Uhr, Jürgen Beck hat Feierabend. Er muss nach Bochum – und fährt natürlich mit dem Rad.

Co-Autoren: Michael Klein aus Dorsten, Matthias Stachelhaus aus Castrop-Rauxel, Kevin Kindel aus Haltern, Beate Rottgardt aus Lünen, Reinhard Schmitz aus Schwerte.

Infos zum Service der Radstation: Ein Stellplatz am Dortmunder Hauptbahnhof kostet pro Tag 1 Euro, pro Monat 8 Euro und im Jahr 88 Euro. Die Radstation hat montags bis freitags von 5 bis 22 Uhr geöffnet, die Werkstatt von 7 bis 20 Uhr. Inhaber von Monats- und Jahrestickets bekommen kostenlos einen 24-Stunden Zugang zum Parkhaus, können ihr Rad also jederzeit dort abstellen und wieder abholen. Kontakt: Tel. (0231) 1 81 17 56 – E-Mail: radstation@dobeq.de