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Seniorin (81) gerät in Masken-Kontrolle: „Nur ein Brötchen gegessen“
Mit Video
Eine weitere Seniorin fühlt sich vom Kamener Ordnungsdienst schikaniert. Die Frau (81) schildert im Video, wie sie ein Brötchen aß und wegen eines Maskenpflicht-Verstoßes kontrolliert wurde.
Durchschnittlich alle zehn Geltungsstunden oder alle anderthalb Tage schreiben städtische Ordnungshüter einen Bürger wegen eines Verstoßes gegen die Maskenpflicht in der Fußgängerzone auf. Das geht aus einer vorläufigen Bilanz hervor. Diese Bilanz bezieht sich auf den Zeitraum vom 3. Dezember bis 31. März – und jeweils eine tägliche Geltungszeit der Maskenpflicht von 15 Stunden. Insgesamt wurden 218 Verstöße registriert, noch nicht eingerechnet Verstöße gegen die Maskenpflicht während des Wochenmarkts.
Verwarnte Kamenerin (81)
Trotz Beteuerungen, dass die Ordnungshüter mit Fingerspitzengefühl vorgehen, wird in einzelnen Fällen rigoros kontrolliert. Nachdem bereits Anfang März eine 80-Jährige im Zusammenhang mit dem Verzehr eines Eishörnchens verwarnt worden war, was für Empörung auch in sozialen Netzwerken sorgte, wird jetzt ein neuer Fall bekannt.
Eine 81-jährige Kamenerin nahm am Freitag (30.4.) auf der Weststraße ihre Maske ab – nach eigener Aussage, um ein Brötchen zu essen. Ihr sei es nicht gut gegangen, deshalb habe sie das Brötchen verzehrt, schildert die Seniorin, die namentlich nicht genannt werden möchte. Sie sei daraufhin von städtischen Ordnungshütern kontrolliert worden. Ihre Personalien seien notiert, sie rechne nun mit einer Strafe. „Das ist doch nicht richtig“, kritisiert sie die Maßnahme als überzogen.
Ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen verdienen besondere Rücksicht. Doch die Ordnungshüter wollten den Verzehr des Brötchens im Fall der 81-Jährigen offenbar nicht im Rahmen ihres Ermessens übersehen oder als zulässige Ausnahme einstufen. Die „notwendige Einnahme von Speisen und Getränken“ ist laut der städtischen Maskenpflicht-Verfügung nämlich erlaubt. Notwendig ist das Essen und Trinken im Behördendeutsch, „wenn ansonsten eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung entstehen könnte, zum Beispiel Unterzuckerung bei Diabetikern, Trinken bei 40 Grad“. Nicht notwendig ist demnach für die Behörden „Genussessen wie Eis schlecken, Bratwurst“, so eine Auskunft aus dem Rathaus.
Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) hatte die Maskenpflicht im Bereich der Fußgängerzone Anfang Dezember verfügt, um eine damals unklare Landesregelung zu präzisieren. Die damalige Coronaschutzverordnung NRW schrieb nur vor, dass im unmittelbaren Bereich von Geschäften eine Maske zu tragen ist, ohne dass genaue Meter-Angaben genannt wurden.
Später schrieb das Land eine Entfernung von 10 Metern zum Eingang hinein. Die Bürgermeisterin sah trotzdem keinen Grund, die städtische Verfügung zu ändern, zu lockern oder aufzuheben. Sie ging von einer weiterhin hohen Akzeptanz der Maskenpflicht aus. Kritik kam nur von FDP und AfD.
Falls die Stadt Kamen die lokale Regelung aufhöbe, würde die Landesregelung an ihre Stelle treten: Also Maskenpflicht „im Umfeld von geöffneten Einzelhandelsgeschäften: auf den Zuwegungen zu dem Geschäft innerhalb einer Entfernung von 10 Metern zum Eingang, auf dem Grundstück des Geschäftes sowie auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen“.
Folglich müsste in der Fußgängerzone nicht mehr überall eine Maske getragen werden, zum Beispiel auf dem Marktplatz oder auf dem Willy-Brandt-Platz. Dies würde es Passanten erleichtern, einen Sitzplatz einzunehmen, an dem sie legal die Maske abnehmen dürfen, zum Beispiel um ein Eis oder ein Brötchen zu essen.
289 Verstöße geahndet
218 Verstöße gegen die Maskenpflicht in der Fußgängerzone hat die Stadt Kamen seit der Einführung im Dezember erfasst (Stand: 31. März 2021). Davon wurden acht Verfahren eingestellt. Verstöße gegen die Maskenpflicht auf dem Wochenmarkt registrierte die Stadt Kamen nach eigenen Angaben bislang 71 Mal, wovon fünf Verfahren eingestellt worden seien. Das sind zusammen 289 Fälle, davon 13 eingestellte Verfahren. Jeder Verstoß kostet 50 Euro Verwarngeld. Der Betrag erhöht sich bei Nichtzahlung auf 78,50 Euro Bußgeld. „Da noch nicht alle Fälle abschlossen sind, lassen sich die Einnahmen nicht konkret beziffern“, so ein Stadtsprecher. „Grob geschätzt, bei einem angenommenen Anteil von Bußgeldern in Höhe von 20 Prozent, dürfte der Betrag bei rund 15.000 Euro liegen.“Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.
