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„Schwul und katholisch“: Markus Gutfleisch (55) aus Recklinghausen outet sich
„#OutInChurch - Für eine Kirche ohne Angst“
Markus Gutfleisch aus Recklinghausen gehört zu den 125 Mitarbeitern der katholischen Kirche, die sich jetzt als queer geoutet haben. Er berichtet von seinem - teils schwierigen - Lebensweg.
„Ich bin schwul und katholisch - und das ist auch gut so“, sagt Markus Gutfleisch über sich selbst. Dennoch: Durch die Sexualmoral der katholischen Kirche wurden dem Recklinghäuser immer wieder Steine in den Weg gelegt - vom Abbruch des Priesteramt-Studiums bis zur Sorge um den Arbeitsplatz.
Forderung: Reform des kirchlichen Arbeitsrechts
Markus Gutfleisch ist einer der 125 Mitarbeiter der katholischen Kirche, die sich jetzt als queer geoutet und eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts gefordert haben. Der Begriff „queer“ bezeichnet all jene sexuellen und geschlechtlichen Identitäten, die von der heterosexuellen Mehrheit abweichen. Die sexuelle Orientierung der queeren Mitarbeiter widerspricht der katholischen Lehre, sie kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung haben. An der bislang einmaligen bundesweiten Aktion „#OutInChurch - Für eine Kirche ohne Angst“ haben sich unter anderem Priester, Lehrer, Leitungen von Jugendverbänden und Kitas sowie Verwaltungsmitarbeiter beteiligt.
„Ich freue mich, bei diesem Outing dabei zu sein“, betont Markus Gutfleisch, der in Dorsten als Sozialarbeiter im Auftrag der Caritas psychisch erkrankte und suchtkranke Menschen betreut. „Das ist ein starkes Zeichen der Solidarisierung untereinander, das stärkt uns moralisch“, meint der 55-Jährige. Zentrales Ziel der Aktion sei es, eine arbeitsrechtliche Sicherheit zu erhalten, wegen der eigenen sexuellen Orientierung dienstlich nicht ins Abseits zu geraten oder gar gekündigt zu werden. „Außerdem soll die Kirche uns weder diskriminieren noch nur zähneknirschend dulden, sondern uns gut finden, alle willkommen heißen“, betont Markus Gutfleisch und fügt hinzu: „Die Menschen, die sich hier outen, wollen die Kirche nicht verlassen, nicht hinschmeißen. Sie möchten sich mit ihren Begabungen in die katholische Kirche einbringen. Ich bin gläubig und kirchenverbunden - das ändert sich nicht durch Homosexualität. Ich glaube, ich gehöre hierhin - und kann etwas beitragen, mitarbeiten.“
„Ich habe gemerkt, dass mir das Verstecken nicht gut tut“
Markus Gutfleisch wurde diese Mitarbeit auf seinem Lebensweg alles andere als leicht gemacht. Zunächst wollte er Priester werden, doch er brach das Studium ab: Er wollte weder der Gemeinde verkünden, dass Homosexualität Sünde sei, noch heimlich schwul leben. Es folgte ein Studium der Sozialarbeit. „Doch als ich dann bei der Caritas arbeitete, wurde mir inoffiziell klargemacht, dass ich im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Kündigung rechnen müsste“, erinnert sich Markus Gutfleisch.
So fuhr der Recklinghäuser seine Aktivitäten in der Gruppe „Homosexuelle und Kirche“ über Jahre herunter, aus Sorge um den Arbeitsplatz. „Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass mir das Verstecken nicht gut tut“, berichtet Gutfleisch. So nahm er die Pressearbeit für „Homosexuelle und Kirche“ auf, scheute auch öffentliche Auftritte nicht. „Bei meiner Arbeitsstelle in Dorsten war meine Homosexualität dann bekannt: Sie wurde stillschweigend toleriert, nicht angesprochen, war ein tabuisiertes Thema.“ Für Markus Gutfleisch bedeutete das wieder eine Phase der Unsicherheit: „Es hat mir auch niemand gesagt, dass ich nicht gekündigt werde.“
„Aber es gibt keine Sicherheit“
Sorgen um seinen Arbeitsplatz macht er sich inzwischen nicht mehr, auch nicht durch das aktuelle Outing. „Das geht einigen anderen Beteiligten an der Aktion anders. Die Homosexualität wird zwar zurzeit arbeitsrechtlich eher toleriert - aber es gibt keine Sicherheit.“ Diese arbeitsrechtliche Sicherheit wollen die 125 Beteiligten der aktuellen Aktion erreichen. Zustimmung gibt es hier von zahlreichen Verbänden - vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken bis zur Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Auch die Deutsche Bischofskonferenz begrüßt die Initiative eindeutig. Für Markus Gutfleisch ist der Weg in die Öffentlichkeit richtig: „Das ist ein starkes Zeichen - und wir spüren: Wir sind nicht allein.“
Geboren 1962 in Dortmund, aufgewachsen in Recklinghausen, wo er auch heute mit seiner Familie lebt. Zwischenzeitlich verschlug es ihn zum Studium und zur Promotion nach Köln und Bochum. Dabei standen Germanistik und Philosophie im Mittelpunkt. Als Freund des Schreibens und mit viel Neugierde auf Menschen und ihre Geschichten fühlt er sich im Journalismus am richtigen Platz.