Die Kooperation der Recklinghäuser Festspiele mit dem Schauspiel Bern, die am Donnerstag Premiere feierte, rockt Shakespeares Text wie selten zuvor.
Dabei hat Star-Regisseur Vontobel das Stück von 1606 einfach mal genau gelesen. Den „Höllenrauch“ lässt er als weißen Nebel wabern.
Weißer Nebel wabert
Die „nicht enden wollende Nacht“ liegt über der Drehbühne. Asche fällt von oben herab und landet als knöcheltiefer Flocken-Flaum auf der Szene. Ein Horror wie im Film. Und rätselhaft, dass Bühnenbildner Fabian Wendling das leichte Zeug dermaßen gut beherrscht.
Wie Ausgeburten der Unterwelt krabbeln die Hexen – auch bei Shakespeare von unbestimmten Geschlecht – auf die Bühne, Arme und Gesichter schwarz beschmiert. Kostümbildnerin Ellen Hofmann hat sie in schwarze Unterhemden und Cargohosen gesteckt.

Mord als Hobby
Sie sind die Spielmacher dieser Welt, wälzen sich in der Asche und schlagen Pfade hindurch, auf denen das Unheil seinen Lauf nimmt. Als Macbeth des Weges kommt, weissagen sie ihm die Königswürde und wecken damit seinen Ehrgeiz. Von da an ist Mord sein Hobby, während die Hexen das Bühnenrund wie ein Rad des Schicksals immer weiterdrehen.
Das wahre Wunder dieser Wahnsinns-Inszenierung ist ihr Minimalismus: weiße Farbe für den vorherigen König, rote Farbe fürs Blut, schwarze Farbe für das Böse, das dem Auftragskiller Lennox (sehr gut: Linus Schütz) aus dem Mund quillt.
Sein seelischer Zerfall
Der Abend ist ein Blick in die Hölle, brutal, gemein, unheimlich und doch extrem feinnervig inszeniert und gespielt, so wie der live gespielte Klangteppich von Keith O´Brian einem die Gänsehaut über den Rücken treibt, dann aber wieder zarten Gesang untermalt.
Kritiker Georg Hensel hat das Stück einmal „Selbstvernichtung des Bösen“ und ein seelisches Sterben genannt. Genau das spielt Werner Wölbern in seiner herausragenden Interpretation der Titelrolle. Die Untaten scheinen ihm einfach zu passieren, so wie seine mordende Hand ihm nicht wirklich zu gehören scheint.

Der kindliche König Malcolm
Susanne-Marie Wrage gibt eine dagegen selbst disziplinierte Lady Macbeth, eine teuflische Blondine, für deren Abdriften in den Wahnsinn die zweistündige Inszenierung wenig Zeit hat.
Macduff (Kilian Land) und der kommende kindliche König Malcolm (Lucia Kotikova) rühren zu Tränen, als Macduff vom Mord an Frau und Kind erfährt. Dann kommt endlich der helle Morgen.
50.000 Gäste kamen nach Recklinghausen
- Die Ruhrfestspiele haben nach dem Wegfall der Corona-Beschränkungen wieder deutlich mehr Publikum angezogen. Gut 50.000 Besucher kamen diesmal zu dem Theater-, Musik- und Tanzfestival. Das entspricht nach Angaben der Festspiele einer Auslastung von 83 Prozent. Im Vorjahr hatte die Auslastung unter 80 Prozent gelegen.
- Das Festival endet mit einem bunten Programm am Sonntag (11.6.). Um 10 Uhr beginnt ein Krabbelkonzert, um 11.30 Uhr und um 15 Uhr gibt es zum Beispiel eine Hommage an die Kartoffel.
- „Ich bin sehr zufrieden“, sagte Intendant Olaf Kröck (Foto). Der Etat beträgt rund 6,5 Millionen Euro. Knapp ein Sechstel hat das Festival durch Kartenerlöse in diesem Jahr selbst erwirtschaftet.
- Das Programm sei 2023 ausgesprochen politisch gewesen, sagte Kröck – etwa mit der Uraufführung des dokumentarischen Theaterstücks „And now Hanau“ über den rassistischen Anschlag von 2020.
- Für die nächste Festspielsaison will Kröck diese Mischung aus „Debatte auch der Schmerzpunkte und trotzdem einer lustvollen Atmosphäre“ wiederholen. Ein Thema werde die Fußball-Europameisterschaft sein, die 2024 in Deutschland stattfindet.
- Das staatliche Gewaltmonopol behandelt 2024 ein Theaterprojekt unter dem Titel „Hier spricht die Polizei“ in Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Hannover. Künstlerinnen des Ensembles „Werkgruppe 2“ haben die umstrittene Räumung des Dorfes Lützerath begleitet.
- „Macbeth“ ist noch einmal zu sehen an diesem Samstag (10.6.) um 19 Uhr und am Sonntag (11.6.) um 16 Uhr. Restkarten unter www.ruhrfestspiele.de
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