Ruhr Tourismus sagt Chorfest "Day of Song" ab
Kultur in NRW
In einem Wort zusammengefasst: Langweilig. Mit dieser Begründung hat die Ruhr Tourismus GmbH den "Day of Song" 2016 abgesagt. Obwohl im vergangenen Jahr noch Hunderttausende Menschen auf Straßen und Plätzen gemeinsam sangen, fehle dem Projekt die "touristische Strahlkraft", sagt Ruhr Tourismus. Organisatoren und Chöre sind entsetzt.
Dreimal hat das Revier gemeinsam gesungen. 2010 im Jahr der Kulturhauptstadt gab es den ersten "Day of Song", 2012 eine Wiederholung mit noch mehr Teilnehmern und erst im vergangenen Jahr wurde im Ruhrgebiet in 61 Städten gemeinsam das "Steigerlied" der Bergleute angestimmt. Zeitgleich um punkt 12.10 Uhr. Für Hunderttausende Sänger ein einmaliges Erlebnis. Das folgende Video wurde in Bochum auf dem Rathausplatz gedreht, als alle zusammen das Lied der Kohle-Kumpels anstimmten.
2016 sollte es eine Neuauflage des "Day of Song" geben. Doch nun hat die Ruhr Tourismus GmbH überraschend das Aus des Gesangsevents verkündet. In einer knappen E-Mail schreibt Ruhr-Tourismus-Chef Axel Biermann, "leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die für die Nachhaltigkeitsmittel der Kulturhauptstadt verantwortlichen Partner (...) entschieden haben, dass der „!SING – DAY OF SONG“ in den kommenden Jahren nicht stattfinden wird." Begründet wird dies mit der "fehlenden touristischen Strahlkraft und der damit erhofften Imagebildung über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus". Zudem sei die Zahl der Teilnehmer rückläufig gewesen: von 50.000 im Jahr 2012 auf circa 32.000 im Jahr 2014. Man bedanke sich für das "große Engagement" und die "konstruktive Zusammenarbeit". Es folgt noch ein "Freundliche Grüße" - und das war es für den "Day of Song".
Enttäuschung, Verärgerung, Irritation
Durch die NRW-Kulturlandschaft geht ein Aufschrei. Enttäuschung, Verärgerung, Irritation. Benedikte Baumann, die den "Day of Song" von der ersten Idee im Kulturhauptstadtjahr mit begleitet und mit ihrer Agentur 3part auch die Fortsetzungen organisiert hat, erklärte gegenüber dieser Zeitung: "Ich bedaure die Entscheidung der Partner zutiefst und hoffe, dass es nicht das endgültige Aus ist". Dann erzählt Sie von den vielen Sängern und Chorleitern, mit denen Sie zu tun hatte, von den für sie unvergesslichen Momenten, als Tausende Menschen gemeinsam sangen. "Das trifft mich sehr hart", fügt sie hinzu.
Baumann will die Zahlen der Ruhr Tourismus nicht unkommentiert lassen: Zur Wahrheit gehöre auch, dass es im ersten Jahr lediglich 25.000 angemeldete Teilnehmer gab, dass diese Zahl 2012 verdoppelt wurde und der Rückgang der offiziellen Teilnehmer 2014 vor allem auf die Terminverschiebung zurückzuführen ist.
Todesstoß: Terminverschiebung in den September
Das bestätigt auch Werner Schepp, Professor für Chorleitung an der Folkwang-Universität in Essen. In einem Brandbrief an Tourismus-Chef Biermann schreibt er mit Blick auf die Terminverlegung 2014: "Für alle Zielgruppen, also Bildungsinstitutionen wie auch Verbände und Chöre, ist ein Zeitpunkt nach den Sommerferien denkbar ungünstig." Die Schulchöre hätten so gar keine Chance das Liedrepertoire für den "Day of Song" einzustudieren. Ursprünglich sollte der "Day of Song" immer Ende Juni - vor den Ferien - stattfinden. Als der Herbsttermin verkündet wurde, "haben alle auf die Risiken - ja auch auf die dadurch entstehende Gefährdung des Projekts hingewiesen", so Schepp.
Unter den Sängerfreunden des Landes sind viele überzeugt: Der "Day of Song" sollte kaputtgemacht werden, weil er nicht für steigende Übernachtungszahlen in den Hotels sorgte. Erst die Terminverschiebung für den "Day of Song" 2014. Dann die umstrittene Neuauflage eines großen Sängertreffens in der Arena auf Schalke, die ebenfalls abgesagt werden musste. Eigentlich sollten dort im Juli dieses Jahres Zehntausende Chormitglieder zusammenkommen - so wie im Jahr der Kulturhauptstadt, als 65.000 Sänger auf Schalke den "Day of Song"-Abschluss feierten. Doch für die Neuauflage 2015 mussten die Karten für Schalke fast ein Jahr im Voraus gekauft werden. Viele Chöre schreckte das ab - sie bestellten erst gar keine Karten. Das Treffen wurde gestrichen. Und jetzt verkündete Ruhr-Tourismus auch das Aus für den "Day of Song" in den Revier-Städten. Angeblich sei dieser Beschluss schon im März gefallen, wurde aber erst jetzt zur Ferienzeit verkündet, um Proteste zu unterbinden, munkelt man.
"Die Absage ist ein großer Schlag für die Kultur des Singens", sagt Christoph Mandera vom Bochumer Kulturbüro. "Die fehlende touristische Strahlkraft kann ich aus Bochumer Sicht nicht bestätigten. Wir hatten Chor- und Gästezulauf aus vielen anderen umliegenden Städten und Regionen."
Der Chor-Verband NRW kündigte umgehend an, ein "Aus" für den "Day of Song" verhindern zu wollen. Die Landtagsabgeordnete und Chor-Verbands-Präsidentin Regina van Dinther will nach der Sommerpause entsprechende Gespräche führen. Auch in einigen Städten wollen die Verantwortlichen die Hoffnung noch nicht ganz aufgaben. In Castrop-Rauxel überlegt man notfalls eine Veranstaltung in Eigenregie. Hauptsache es wird wieder gesungen.