Robinsons Tod überschattet Para-Snowboard-Premiere
Ein Australier verlor vor wenigen Wochen nach einem schweren Sturz sein Leben - dennoch steht bei den Sotschi-Spielen die paralympische Snowboard-Premiere an. Der deutsche Verbandspräsident ist skeptisch, was die Zukunft der risikoreichen Sportart betrifft.
Krasnaja Poljana (dpa)
von Von Michael Brehme und Martin Kloth, dpa
, 13.03.2014, 09:56 Uhr / Lesedauer: 2 min

Wegen des Todes von Matthew Robinson steht Para-Snowboard vor dem paralympischen Debüt auf dem Prüfstand. Foto: Julian Stratenschulte
Ein verhängnisvoller Unfall zwei Wochen vor Paralympics-Beginn wirft einen Schatten auf die Premiere der Snowboardcrosser bei den Weltspielen der Behinderten.
Der Australier Matthew Robinson, einer der besten der Szene, stürzte beim Weltcup im spanischen La Molina und erlag kurz darauf seinen schweren Nacken- und Wirbelsäulenverletzungen. Und so steht die neue Disziplin unmittelbar vor ihrem paralympischen Debüt in Funktionärskreisen wegen akuter Sicherheitsbedenken schon wieder auf dem Prüfstand.
«Solche Dinge müssen zum Nachdenken anregen. Wenn man eine Entscheidung getroffen hat und die sich gegen die Gesundheit der Sportler richtet, muss man auch die Kraft haben, solche Entscheidungen zu revidieren», betonte der deutsche Verbandschef Friedhelm Julius Beucher. Auch im olympischen Bereich gelten die Snowboarder als die größten Adrenalinjunkies. Stürze und teils schwere Verletzungen gehören quasi zum Alltag. Bei den Behindertensportlern sei diese Mischung doppelt gefährlich, urteilte Beucher. «Vor und über allem muss immer die Gesundheit der Menschen stehen», kommentierte der langjährige Bundestagsabgeordnete.
Damit die paralympische Snowboard-Premiere für Sportler und das Internationale Paralympische Komitee (IPC) nicht gleich zum Albtraum wird, wurde der Kurs nach Robinsons Tod entschärft. Risikoelemente, die noch spektakulärere Sprünge ermöglicht hätten, wurden ersatzlos gestrichen. «Die Organisatoren haben den Kurs erheblich umgebaut. Die Grundgeschwindigkeit ist jetzt wesentlich geringer, es kommt mehr auf die Technik an», sagt Stefan Lösler, einziger deutscher Boardercrosser bei den Sotschi-Spielen.
Der 29-Jährige bekam Robinsons schweren Sturz im Februar in La Molina live mit. Er stand noch oben am Start, als es passierte. «Ich habe ihn zwar persönlich nicht gekannt, aber klar: Ab diesem Moment fährt man den Kurs anders», sagt Lösler. Seit er 13 ist, steht der Mann aus Kirchheim/Teck aus dem schmalen Brett. Vor fast vier Jahren verlor er sein linkes Bein, als ein betrunkener Autofahrer den geparkten Wagen seines Freundes rammte und Lösler unglücklicherweise gerade in der Nähe stand. Der Mann kam kurz ins Gefängnis, Lösler überwand den Schock und machte bei den Versicherungen seinen Anspruch auf teure Sportprothesen geltend, die er sich allein kaum hätte leisten können.
Mehr als 30 Starter haben allein bei den Männern für die Paralympics gemeldet - Lösler ist einer von ihnen. Allerdings: Der Student ist quasi chancenlos. Als Oberschenkelamputierter bringt er für den Snowboardsport eine schwerwiegendere Behinderung mit als beispielsweise Unterschenkelamputierte. Einen Ausgleich durch Zeit- oder Punktgutschriften gibt es aber im Gegensatz zu anderen Paradisziplinen bei den Boardercrossern nicht. «Das System ist noch nicht ausgereift, ich kann mich sportlich mit vielen nicht vergleichen. Vielleicht komme ich unter die besten 20», sagt Lösler.
Von einer schnellen Verbannung der risikoreichen Snowboardwettbewerbe aus dem Programm hält er nichts, ebenso wenig wie der 16-malige Paralympics-Champion Gerd Schönfelder. «Es bleibt immer ein gewisses Risiko, es kann immer was passieren. Das dann zum Anlass zu nehmen zu sagen, das ist zu gefährlich, das machen wir nicht, halte ich für völlig falsch», sagt der Ex-Skirennläufer. «Ich glaube, derjenige, der tödlich verunglückt ist, wenn man den jetzt noch fragen könnte, würde er sicher nicht wollen, dass alle jetzt aufhören.»