
© Rebekka Wölky
Riesen-Fledermäuse besetzen alten Kiosk
Ruhr Ding
Die britische Künstlerin Monster Chetwynd hat für die Ausstellung „Ruhr Ding“ einen ehemaligen Kiosk in Recklinghausen riesigen Fledermäusen bevölkert. Eines davon lebt!
Es ist ein groteskes Bild: Riesige Fledermäuse aus Pappmaschee und Kunsthaar tummeln sich um den ehemaligen Straßenbahnkiosk am Recklinghäuser Hauptbahnhof, Ecke Grafenwall/ Dortmunder Straße. Und auch auf dem Kiosk. Die monströsen Gesichter der Tiere sind größer als ein menschlicher Oberkörper.
Mit faustgroßen, hervorquellenden Augen scheinen sie die Passanten eingehend zu beobachten. Auf dem Kioskdach, zwischen zwei der Ungetüme, bilden leuchtende Buchstaben den Schriftzug „Futurology Kiosk“. „Futurology“ ist das englische Wort für „Zukunftsforschung“.
Zutiefst missverstandene Wesen
Das Projekt der bekannten britischen Künstlerin Monster Chetwynd ist Teil der Ausstellung „Ruhr Ding: Klima“, veranstaltetet von den Urbanen Künsten Ruhr. Fledermäuse, so der Hintergedanke, sind zutiefst missverstandene Wesen. Ihre Verteufelung beginnt schon bei Dracula. Dass sie als Wirte des Coronavirus für dessen Übertragung auf den Menschen mitverantwortlich gemacht werden, hat den Ruf der Tierchen endgültig ruiniert.
Dabei saugt in Wahrheit nur eine einzige Fledermausart Blut, und die gibt es in Deutschland nicht. Auch das Coronavirus übertragen heimische Fledermäuse nicht. Stattdessen bestäuben sie diverse Pflanzenarten und kümmern sich intensiv um ihre Nachkommen. In ökologischer Hinsicht kann der Mensch einiges von ihnen lernen: Sie leben ressourcensparend in Symbiose mit Leuchtkäfern und Algen, die ihnen Licht und Nahrung liefern.
Eine Riesenfledermaus lebt
Eine der Fledermäuse in Recklinghausen heißt Mica, ist 28 Jahre alt und eigentlich ein Mensch – allerdings einer, der ein ziemlich haariges Kostüm und einen gigantischen Papp-Hut mit Schnauze, kugelrunden Augen und großen Ohren trägt. In diesem Aufzug belebt der Performer Chetwynds Kiosk und interagiert mit den Passanten. Und das mit begeistertem Einsatz. „Je absurder der Job, desto besser“, lacht er.

Am „Futurology Kiosk“ informiert Mica (r.) über Besonderheiten von Fledermäusen, etwa über ihre Superimmunität. © Rebekka Wölky
Der „Futurology Kiosk“ ist Kunst mit Informationsschwerpunk, soll dabei aber keine reine Lehrveranstaltung sein. Stattdessen baut Mica die positiven Eigenschaften von Fledermäusen in seine Performance ein und bringt die Tiere den Vorbeigehenden so etwas näher, erklärt er.
Mal wiegt er ein Fledermaus-Baby aus Pappmaschee sanft in seinen Armen, mal bestäubt auf einer Wiese mit einem Pinsel von Hand Gänseblümchen. „Am wichtigsten ist mir aber die Interaktion mit den Menschen“, sagt Mica. Er winkt oder ruft Passanten ein fröhliches „Hallo!“ zu.
Nicht jeder sieht, dass das Kunst ist
Und wie reagieren die Recklinghäuser auf seine Performance? Zu bemerken scheinen das Kunstprojekt tatsächlich alle Passanten, doch nicht bei allen kommt es auch als solches an.
„Zwei Cola, bitte“, bestellt ein Mann an der Tür des Kiosks und zückt sein Portemonnaie – sichtlich enttäuscht, als er erfährt, dass der „Futurology Kiosk“ keine Getränke verkauft. „Viele denken sogar, das Ganze sei eine Werbe-Aktion und fragen, wann der neue Kiosk eröffnet“, erzählt Mica.
So mancher Passant starrt angestrengt und betont desinteressiert an dem jungen Mann im Kostüm vorbei. Doch die meisten, die er anspricht, reagieren positiv. Viele schmunzeln im Weitergehen oder treten näher, um sich die Kuriosität genauer anzusehen.
Eine Frau betrachtet eine Pappmaschee-Fledermaus mit besonders fratzenartigem Gesicht und fragt überrascht: „Sehen die wirklich so aus?“. Und drei Jungs im Teenager-Alter rufen Mica erfreut zu: „Hey, bist du Batman?“ Der geflügelte Held in Schwarz ist nämlich offensichtlich eine sympathische Fledermaus.
1997 in Dortmund geboren. Dort seit 2017 für die Ruhr Nachrichten im Einsatz. Habe die Stadt dabei neu kennen und lieben gelernt. Mag die großen und kleinen Geschichten um mich herum, Bücher, schreiben und fotografieren.
