Restaurants: Streit um Polizeizugriff auf Corona-Gästelisten

Coronavirus

Die Polizei kann für strafrechtliche Ermittlungen auf die Corona-Listen von Restaurants zugreifen. Eigentlich sind diese Daten jedoch nur für den Infektionsschutz vorgesehen.

Berlin

31.07.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min
Restaurants müssen Gäste im Sinne des Infektionsschutzes registrieren.

Restaurants müssen Gäste im Sinne des Infektionsschutzes registrieren. © picture alliance/dpa

Datenschützer schlagen Alarm: Die Polizei greift in machen Fällen für Ermittlungen auf die Adressen und Telefonnummern von Restaurantbesuchern zu. Dabei sind die Corona-Registrierungslisten in der Gastronomie eigentlich nur zur Rückverfolgung möglicher Infektionsketten gedacht. Kritik kommt aus der Politik und von Lobbyverbänden – doch die Behörden verteidigen sich.

Im bayerischen Rosenheim hatte die Polizei kürzlich nach einem Raubüberfall auf ein Schuhgeschäft Besucher eines nahe gelegenen Restaurants kontaktiert. Die Beamten suchten Zeugen. Ähnliche Fälle sind auch schon aus Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz gemeldet worden. Aber war das wirklich rechtens? Schließlich heißt es in den Anmeldebögen, die Daten würden „ausschließlich im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus“ verwendet.

Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern

„Wer seine Daten in dem Glauben preisgibt, dies sei zur Offenlegung von Infektionsketten gedacht, darf sich nicht plötzlich in einer polizeilichen Ermittlung wiederfinden“, hatte FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle der Funke Mediengruppe erklärt. Die Hürden zur Verwendung solcher Daten müssten hoch sein, Missbrauch ausschließen und das Vertrauen der Menschen in den Schutz ihrer persönlichen Daten sicherstellen, forderte der FDP-Politiker.

Wofür dürften die Corona-Daten laut Gesetzeslage verwendet werden? Das ist von Bundesland zu Bundesland auf Basis des Infektionsschutzgesetzes leicht unterschiedlich geregelt. Klar ist, dass eine Nutzung beispielsweise für Werbezwecke ausgeschlossen ist und die Daten nach einer kurzen Frist – in der Regel vier Wochen – gelöscht werden müssen.

Die Verwendung der Kontakte zur Aufklärung von schweren Straftaten auf Basis der Strafprozessordnungen ist aber in allen Bundesländern erlaubt, wie ein Sprecher des Vorsitzenden der Datenschutzbeauftragten-Konferenz, Andreas Schurig aus Sachsen, auf Nachfrage dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erklärte. In der Regel ist dazu ein vorheriger richterlicher Beschluss notwendig. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verteidigte die Praxis deshalb. Die Sache sei „völlig unstreitig“.

Unterschiedliche Interpretationen in der Praxis

Allerdings lassen die Datenschutzgesetze mancher Länder wie Nordrhein-Westfalen theoretisch auch die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten mithilfe der Restaurantlisten zu – ein sogenannter Zweckwechsel in der Datenverarbeitung. Zudem gibt es in der Praxis unterschiedliche Interpretationen, wann eine Straftat einen Zugriff auf die Daten rechtfertigt. Nur bei Mord und Totschlag oder auch schon bei einem Raubüberfall?

„Auch wenn das Interesse an der Aufklärung von Straftaten selbstverständlich hoch ist, so darf nicht unreglementiert auf die Kontaktdaten zugegriffen werden. Hier müssen klare Spielregeln für die Polizei definiert werden“, sagte Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) dem RND. „Andernfalls wird das teilweise ohnehin niedrige Gästeaufkommen zum Schaden der Betriebe und Beschäftigten, weiter sinken.“

Bei der Angabe der eigenen Kontaktdaten müssten die Gäste darauf vertrauen können, dass diese mit der notwendigen Sorgfalt behandelt werden. Die Branche selbst habe hier schnell gelernt: „Die anfangs ausgelegten Listen, die für alle Besucher eines Restaurants oder Hotels offen einsehbar waren, sind nahezu verschwunden“, so Adjan.

Auch mehrere Datenschützer mahnen inzwischen eine rechtliche Klarstellung an. Diese sei notwendig, um das Vertrauen in die Corona-Prävention nicht zu beschädigen. Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann sagte mit Blick auf die bisher bekannt gewordenen Abfragen der Behörden: „Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden.“

RND

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