Schwer zu sagen, was bei der Uraufführung der Oper „Dogville“ am Samstag im Essener Aalto-Theater das größte Lob verdient hat – die Musik von Gordon Kampe, die Inszenierung von David Hermann oder das Bühnenbild von Jo Schramm. Oder ist vielleicht an erster Stelle Ex-Opernintendant Hein Mulders als Auftraggeber zu nennen, der die drei kreativen Köpfe vor Corona bereits in der Konzeptionsphase zusammenbrachte, sodass sie gemeinsam eine Produktion wie aus einem Guss schaffen konnten?
Grundlage von „Dogville“ ist der 20 Jahre alte gleichnamige Filmklassiker des Dänen Lars von Trier über eine Frau, die als Fremde in ein kleines, fiktives amerikanisches Dorf kommt. Dort wird sie nach anfänglicher Skepsis der Bewohner geduldet, dann ausgenutzt, gedemütigt und sexuell missbraucht. Alles lässt sie widerstandslos über sich ergehen, um am Ende doch noch Rache zu üben.
Packende Passionsgeschichte
Während die fast dreistündige Filmvorlage die Handlung in der Tradition von Brechts Epischem Theater sehr distanziert vorführt und sich dazu wesentlich eines Erzählers bedient, präsentiert die nur 100-minütige Oper eine eigenständige, emotionale und packende Passionsgeschichte der Titelheldin Grace in direkter Interaktion mit den anderen Personen.
Die Musik hat, befeuert vom impulsiven Dirigat von Tomas Netopil, Wucht und entwickelt einen bis zum Ende anhaltenden Sog, da Gordon Kampe mit dem großen Orchester Orte, Situationen und Stimmungen zu beschreiben versteht.

Hermann setzt das 14-köpfige, auf Englisch singende Solistenensemble versiert ein, wobei die einzelnen Rollen den Sängern gleichsam auf den Leib geschrieben sind. So kann Lavinia Dames von der Rheinoper als Grace ihren üppigen Sopran in eindrucksvollen Passagen strahlen lassen.
Tobias Greenhalgh ist ihr als Möchtegern-Dorfvorsteher Tom ein stimmlich adäquates, wenn auch gewollt schwächeres Gegenüber. Unter den weiteren Solisten sind Heiko Trinsinger und Rainer Maria Röhr als die größten Fieslinge, Christina Clark mit ihren Koloraturen und, schon wegen der besonderen Stimmfarbe, der Countertenor Etienne Walch hervorzuheben.
Eindrucksvolles Bühnenbild
Das Eindrucksvollste an der Inszenierung aber ist zweifellos das Bühnenbild, das die Akteure auf einer 57 Meter langen ansteigenden Bahn durch die Räume / Stationen gehen lässt. 18 Bühnenarbeiter (Extra-Applaus!) sorgen dafür, dass beim Verschieben die nicht im Fokus stehenden Segmente seitlich an- und abgekoppelt werden.
Ein weiteres besonderes Highlight setzt das Finale. Unbedingt sehenswert!
Termine: 15. / 23. / 26. 3., 1./ 16. / 30. 4.2023; Karten: Tel. (0201) 812 22 00. www.theater-essen.de
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