Diese Bilder machen Mut: Ein Junge steht im Zimmer einer Reha-Klinik. Er strahlt in die Kamera und sagt das Alphabet auf. Die Stimmung ist gelöst. Nach einigen Sekunden muss der Junge lachen und dreht sich zur Seite. An seinem Hinterkopf ist eine lange Narbe zu sehen.
Kaum zu glauben. Der Junge, der da flüssig „A, B, C, D, E, F, G“ sagt, lag noch vor wenigen Wochen mit schweren Gehirnverletzungen auf der Intensivstation. Anfang Februar erfasste ihn ein Güterzug in der Nähe des Bahnhofs Ost. Die Diagnose für den neunjährigen Amir El-Jaddouh war niederschmetternd: mehrere Schädelfrakturen und Schädigungen des Gehirns. Unter anderem war jene Hirnregion betroffen, die rechte und linke Gehirnhälfte miteinander verbindet. Amir konnte anfangs nicht sprechen und nicht selbstständig essen, wirkte abwesend.
Vater Fadi El-Jaddouh (46) war am Boden zerstört. Mittlerweile ist der Recklinghäuser zuversichtlich, dass sein Sohn – eines von insgesamt vier Kindern – wieder vollständig gesund wird. In einem anderen Handy-Video, das er zeigt und das ein paar Wochen älter ist, sitzt Amir an einem Schlagzeug und bearbeitet die Trommeln zaghaft mit Stöcken. Im Hintergrund spricht eine Frau, vermutlich eine Therapeutin.
Ein bis zwei Monate, schätzt Fadi El-Jaddouh, werde Amir noch in der Reha in einer Klinik in NRW bleiben müssen. Die Familie darf den Jungen täglich besuchen. Wenn er über seinen Sohn spricht, scheint er den schnellen Gang der Genesung selbst noch kaum glauben zu können. „Das Gehirn regeneriert sich“, sagt der Vater. „Das ist für uns wie ein Wunder.“
Doch in all das Glück mischt sich auch Trauer. Denn Amir war am Abend jenes 2. Februar nicht allein an den Gleisen. Er spielte dort mit einem Freund. Der Zehnjährige verlor bei dem schrecklichen Unfall sein Leben. Mittlerweile habe er regelmäßig Kontakt zum Vater des verstorbenen Jungen, sagt Fadi El-Jaddouh. „Wir sind mit unseren Gedanken bei der Familie.“

Bruchstückhafte Erinnerungen an den 2. Februar
An den Abend des Unglücks habe Amir nur wenige Erinnerungen. „Er weiß, dass er an den Gleisen gespielt hat“, sagt Fadi El-Jaddouh. „Ansonsten ist das alles sehr bruchstückhaft.“
Nach wie vor könne er nicht verstehen, wieso der Gleisabschnitt nahe des Dahlienwegs und andere Bahngleise in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten frei zugänglich sind. Mit Genugtuung habe er gelesen, dass in Suderwich an den Gleisen neben dem Bahnübergang Im Paßkamp ein neuer Zaun steht. Das sei eine gute Nachricht. Die besten Nachrichten für Fadi El-Jaddouh kommen derzeit aus der Reha-Klinik.
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