Rassismus in der Polizei: Türkische Gemeinde unterstützt SPD-Chefin Esken

Diskussion

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat von einem latenten Rassismus-Problem in der deutschen Polizei gesprochen. Sie erntete dafür nicht nur Widerspruch.

Berlin

10.06.2020, 07:09 Uhr / Lesedauer: 2 min
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat von einem latenten Rassismus-Problem in der deutschen Polizei gesprochen.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat von einem latenten Rassismus-Problem in der deutschen Polizei gesprochen. © picture alliance/dpa

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat die jüngsten Äußerungen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken unterstützt, wonach es in den deutschen Sicherheitskräften einen latenten Rassismus gebe.

„Sie hat auf ein Problem aufmerksam gemacht, auf das wir seit Langem aufmerksam machen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Dass wir in der Polizei einen latenten Rassismus haben, das wissen wir seit den NSU-Morden.“ Damals sei „vieles vertuscht“ worden. „Da wird nicht immer mit sauberen Mitteln gearbeitet.“

Sofuoglu fügte jedoch hinzu, dass die Polizei überwiegend bemüht sei, ihre Aufgaben „im Rahmen des Grundgesetzes“ zu lösen. Auch wies er auf aus seiner Sicht bestehende Fortschritte hin. Dass Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mittlerweile von Rassismus sprächen, sei ebenso ein Fortschritt wie die Tatsache, „dass das Thema überhaupt diskutiert wird“.

Bartsch gegen Generalverdacht

Der Chef der Türkischen Gemeinde rief vor diesem Hintergrund zu weiteren Fortschritten auf. „Wer sich rassistisch äußert, der sollte Sanktionen erfahren. Ich hoffe, dass da sehr viel konkreter gehandelt wird“, sagte er. Überdies gelte es, Betroffene zu Anzeigen zu ermutigen. „Das geht aber nur, wenn sie das Gefühl haben, dass dem auch nachgegangen wird.“

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte hingegen mehr Anerkennung für die Arbeit der Polizei. „Die Polizei unter den Generalverdacht des Rassismus zu stellen und damit eine ganze Berufsgruppe in Misskredit zu bringen, ist falsch“, sagte er dem RND. „Eine Analogie zu den Zuständen in den USA herzustellen, ist so nicht gerechtfertigt. Die Polizei verdient nicht weniger, sondern mehr gesellschaftliche Anerkennung und mehr Personal, vor allem in der Fläche.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) widersprach Esken noch deutlicher. „Die absolute Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland hat mit Rassismus absolut nichts am Hut. Ein besonderes strukturelles Rassismusproblem sehe ich bei der Polizei daher nicht“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Bei Polizei und Justizbehörden gebe es Einzelfälle, und jeder müsse konsequent aufgeklärt und geahndet werden. Es handele sich aber um kein spezifisches Problem bei den Sicherheitskräften. „Rassismus reicht weit in die Gesellschaft hinein.“

Mit Blick auf Eskens Forderung nach einer unabhängigen Stelle zur Aufarbeitung von Polizeigewalt sagte Lambrecht, Meldestellen gebe es in Bund und Ländern bereits. Die SPD-Innenminister und -senatoren von Berlin, Niedersachen und Thüringen, Andreas Geisel, Boris Pistorius und Georg Maier äußerten sich ähnlich.


Kritik von Amnesty International

Esken hatte gesagt: „Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte, die durch Maßnahmen der inneren Führung erkannt und bekämpft werden müssen.“ Zwar stehe die große Mehrheit der Polizisten solchen Tendenzen sehr kritisch gegenüber und leide unter dem potenziellen Vertrauensverlust, der sich daraus ergebe. Bei der Aufarbeitung von Fällen ungerechtfertigter Polizeigewalt dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, der Korpsgeist spiele eine größere Rolle als die Rechte von Bürgern.

Amnesty International beklagt schon seit Längerem die aus Sicht der Menschenrechtsorganisation bestehenden Defizite. Rechtswidrige Gewalt, Misshandlung und Diskriminierung durch Staatsorgane seien Menschenrechtsverletzungen, so Amnesty bereits vor Jahren. „Doch wenn die Täterinnen und Täter Polizistinnen und Polizisten sind, gehen sie oft straffrei aus. Auch in Deutschland.“