Nach dem tagelangen Polizeieinsatz wegen der Räumung des Örtchens Lützerath und Demonstrationen am Braunkohletagebau Garzweiler befinden sich keine Aktivisten mehr in Polizeigewahrsam. Am Montag seien nach erkennungsdienstlicher Behandlung die letzten beiden Aktivisten aus dem Gewahrsam entlassen worden, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag in Aachen. Insgesamt seien 17 Aktivisten in Polizeigewahrsam gewesen, davon 14 in einem längerfristigen Gewahrsam. Dieser kann bis zu zehn Tage dauern.
Die Sprecherin sagte, überwiegend sei es um die Feststellung der Identität gegangen. Es könne sein, dass die Namen der Betreffenden noch nicht bekannt seien. Diese sollten mit Hilfe von Fotos und Fingerabdrucken noch ermittelt werden.
Laut Polizei gab es acht Festnahmen
Um strafrechtliche Ermittlungen und die Feststellung der Identität zu erschweren, nennen Aktivisten oft ihre Namen nicht oder verkleben die Fingerkuppen, damit keine Fingerabdrücke genommen werden können. Der Räumungseinsatz der Polizei war am 16. Januar zu Ende gegangen, nachdem zwei Aktivisten in dem Örtchen Lützerath aus einem Tunnel herausgekommen waren. Im Rahmen des Polizeieinsatzes gab es auch acht Festnahmen. Eine Person befindet sich laut Polizei in Untersuchungshaft.
Die nordrhein-westfälische Regierungsspitze hat derweil Verständnis für friedliche Klimaproteste im Braunkohleort Lützerath gezeigt, die sich auch gegen die Landesregierung gerichtet hatten. Wirtschafts- und Klimaministerin Mona Neubaur (Grüne) betonte, „dass die Kritik der Klimaschutzbewegung an unseren Beschlüssen in Ordnung ist und für mich aus der Perspektive der Klimaschutzbewegung auch nachvollziehbar“. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dankte sowohl der Polizei als auch den friedlichen Demonstranten, die „erfolgreich auf eine der größten Aufgaben unserer Zeit aufmerksam“ gemacht hätten.
„Die letzten Wochen waren hart, auch für mich“
Der Zorn vieler Klimaschützer hatte sich besonders gegen die Grünen gerichtet, von denen sie sich verraten fühlten. Neubaur sagte: „Die letzten Wochen waren eine harte Zeit für die Grünen, auch für mich.“ Es sei klar, dass die Klimaschutzbewegung andere Forderungen stellen müsse als eine Wirtschaftsministerin.
Proteste könnten den „Druck der Straße“ in den politischen Raum bringen. „Es ist uns Antrieb, diese Kraft des Protests zu nutzen“, sagte Neubaur, verwies aber auch auf vorhergegangene Erfolge. „Ich weiß, was wir erreicht haben, ganz konkret für die Menschen im rheinischen Revier, was wir für den Klimaschutz erreicht haben“, sagte die Wirtschaftsministerin.
„Gewalt bleibt inakzeptabel“
Solange Proteste friedlich abliefen, würden die Grünen so etwas immer schützen und verteidigen, betonte sie. Dass Gewalt kein Mittel demokratischen Protests sei, hätten alle Vertreter in Spitzenpositionen immer wieder klargemacht. Auch Wüst dankte ausdrücklich denjenigen, die sich an Absprachen gehalten und weder sich noch andere in Gefahr gebracht hätten.
Diese Menschen stünden für den Teil der Klimabewegung, für den Gewalt in einer Demokratie nie ein Mittel der Auseinandersetzung sein dürfe, „egal wie überzeugt man von einer auch noch so guten Sache am Ende auch ist“, sagte Wüst. „Gewalt bleibt inakzeptabel.“
NRW: 102 von 3700 Polizisten wurden verletzt
Bei den Einsätzen an dem Braunkohleort seien 102 der 3700 Polizisten verletzt worden, sagte Wüst. „Vielen von ihnen schlug auch dort Hass und Gewalt entgegen.“ Trotz der aufgeheizten Stimmung bei einem Teil von Aktivisten seien die Polizisten vor allem umsichtig und vorsichtig gewesen.
Nach der Räumung des Ortes und dem Ende der Proteste sieht Wüst nun die Möglichkeit für eine gesellschaftliche Befriedung in der Klimapolitik. Er sehe „die Chance auf einen neuen energiepolitischen Grundkonsens in unserem Land“, sagte er. Das Ende der Kohleverstromung sei in Deutschland mit klaren gesetzlichen Plänen beschlossen worden und in NRW sogar um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden. Auch die Pariser Klimaschutzziele seien im gesamten demokratischen Spektrum anerkannt. In der Energiepolitik könne Sicherheit und Investitionssicherheit geschaffen werden.
dpa
Lützerath-Räumung: RWE will Schadenersatz von Aktivisten
NRW-Landtag befasst sich mit Lützerath-Einsatz: Ermittlungen gegen fünf Polizisten
Erneuter Klima-Protest in Lützerath - Zusammenstöße mit der Polizei: Greta Thunberg dabei