Pro und Kontra: Ist der Sonderstatus vertretbar?
Neuer erfährt bevorzugte Behandlung durch Löw
Joachim Löw schreckt in diesem Sommer nicht vor Härtefallentscheidungen zurück. Ein Spieler genießt trotzdem Sonderstatus in der Nationalmannschaft. Sein Name: Manuel Neuer. Wir diskutieren: Ist Neuers Sonderstellung bei Löw gerechtfertigt?

Reicht es für die WM? Manuel Neuer arbeitet dran. © dpa
Ja, Neuers Sonderstatus ist berechtigt - Das Privileg der Besten
Der Erfolg steht über allem. So ist das im Profifußball. War schon immer so. Wird auch so bleiben. Und weil das eben so ist, hat Joachim Löw es auch nochmal gesagt. „Für uns stehen Erfolg und Leistung über allem.“ Klar, was sonst. Schon im März hat der Bundestrainer diesen Satz gesprochen - und hinterhergeschoben: „Wir wollen sehen und spüren, dass die Spieler unseren Zielen alles unterordnen.“
Acht Monate Arbeit für das Comeback
Manuel Neuer erfüllt in dieser Hinsicht alle Kriterien. Der Kapitän der Nationalelf schuftet seit über acht Monaten fürs Comeback, für das große Ziel Titelverteidigung. Jeden Tag. Ob es für die WM reicht? Noch offen.
Trotzdem hat Löw den Welttorhüter der Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016 mit ins Trainingslager nach Südtirol genommen, um sich selbst ein Bild seiner langjährigen Nummer eins zu erlauben. Das kann man freilich Sonderstatus nennen, das kann man auch Nibelungentreue nennen, man kann es aber am besten eine Selbstverständlichkeit nennen. Bei allem Respekt vor Marc-André ter Stegen und der restlichen Torhüterwelt - nicht bis zuletzt auf einen Manuel Neuer in Topform, den besten Torwart der Welt, zu hoffen, wäre an Fahrlässigkeit nicht zu überbieten. Der Erfolg steht halt über allem.
Von Tobias Jöhren
Löw sollte Neuer nicht bevorzugen - Ein Problem mehr
Vittorio Pozzo ist seit bald 50 Jahren tot, doch sein Name könnte demnächst noch häufiger fallen: Denn Joachim Löw tritt mit der DFB-Elf an, um etwas zu erreichen, was bislang nur der italienische Nationaltrainer von 1934 und 1938 geschafft hat: Den WM-Titel zu verteidigen. Dass er sich dafür an jeden Strohhalm klammert, der die Wahrscheinlichkeit dieses historischen Erfolgs erhöht, ist nachvollziehbar. Doch mit dem Sonderstatus für Manuel Neuer hat er sich keinen Gefallen getan.
Letztes Länderspiel im Oktober 2016
Beim WM-Auftakt gegen Mexiko würde der 32-Jährige acht Monate ohne Wettkampfpraxis sein. Sein letztes Länderspiel? Oktober 2016. Kein Training, kein Testspiel bringt einen Torhüter in WM-Form. Und Löw selbst sagte, dass „alle 23“ auf dem höchsten Niveau sein müssten. Niemand, der so lange raus war - und auch nicht Manuel Neuer - kann dieses Niveau haben. Zumal Marc-André ter Stegen in der abgelaufenen Saison beim FC Barcelona bewies, dass er es hat.
Das Dilemma: Nimmt Löw Neuer nicht mit, ist ter Stegen nach außen hin nur zweite Wahl. Nimmt er ihn mit und er patzt, werden alle fragen, warum er das Risiko eingegangen ist. Wäre Löw seinen Prinzipien treu geblieben, hätte er auf dem Weg zum Pozzo-Erbe ein Problem weniger.
Von Daniel Otto