
Es ist schwer, nicht nass zu werden, wenn man duschen will. Das klingt banal, trotzdem wird es leicht vergessen. Was das mit dem Deutschlandticket zu tun hat, wird sich gleich zeigen.
Wer ein Abo für das Deutschlandticket abschließt, kann seit Mai für 49 Euro im Monat bundesweit den Nahverkehr nutzen. Bis Mitte Juni – neuere Zahlen gibt es nicht – wurden 11 Millionen Abos abgeschlossen.
Diese Zahl ist respektabel, denn das Deutschlandticket ist nicht nur deutlich teurer als sein Vorgänger. Das kostete zwischen Juni und August 2022 nur 9 Euro im Monat. Man brauchte kein Abo und die Regeln waren überall gleich. Der Erfolg war gigantisch. 52 Millionen 9-Euro-Tickets wurden abgesetzt.
Selbst Menschen, die – wenn überhaupt – zuletzt vor Jahrzehnten in eine Bahn oder einen Bus gestiegen waren, kauften so ein Ticket. Der Umwelt zuliebe vom Auto auf die Bahn umzusteigen, schien plötzlich für viele keine Utopie mehr zu sein.
„Überflüssigste Idee des Jahres“
So einfach durfte es in einem Land wie Deutschland natürlich nicht weitergehen. Warum einfach, wenn‘s auch kompliziert geht? Nur ein Beispiel: Jetzt muss jeder gleich ein Abo abschließen und es direkt wieder kündigen, wenn er ein 49-Euro-Ticket nur für einen Monat nutzen will.
Diese groteske Regelung ist eine heiße Anwärterin auf den Titel „überflüssigste Idee des Jahres“. Und wer einen Hund oder ein Fahrrad mitnehmen möchte, sollte sich das gut überlegen. Dafür sind Zusatz-Tickets nötig, für die es von Land zu Land unterschiedliche Regeln gibt.
Großer Erfolg lässt den Zuschussbedarf steigen
Trotz dieser Mängel kommt das Ticket prima an – und damit sind wir beim „Duschen und Nass-Werden“. Sehr viele Menschen haben sich nämlich für den Umstieg vom Auto auf die Bahn entschieden. Der politisch gewünschte Effekt ist also eingetreten, die Dusche quasi.
Doch dieser Erfolg hat – kaum überraschend – seinen Preis, das Nass-Werden. Wie hoch dieser ist, zeigt eine noch unveröffentlichte Studie im Auftrag des Verkehrsministeriums, aus der der SPIEGEL zitiert.
Bliebe es beim 49-Euro-Ticket, werde der Steuer-Zuschuss für den Öffentlichen Nahverkehr bis 2031 um 4,1 bis 12,7 Milliarden Euro höher ausfallen als ohne dieses Ticket. Prompt werden Forderungen nach einer Verteuerung des Tickets laut, um die Lücke zu stopfen. Wieweit das gelingen würde, ist offen, denn sicherlich würden viele Abo-Kunden abspringen. Der Umstiegs-Effekt würde ausgebremst.
Wer wirklich möchte, dass Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, muss dafür den Preis zahlen. Er muss konsequent Bus- und Bahnfahrten zuverlässiger, komfortabler und preiswerter machen. Versprechungen in diese Richtung gibt es zuhauf, im wirklichen Leben hat die Schiene fast immer das Nachsehen.
Zwischen Münster und Dortmund eingleisig – wie die Bimmelbahn auf Langeoog
Ein Beispiel: Zwischen Dortmund und Münster ist die Bahnstrecke auf rund 40 Kilometern nur eingleisig und daher chronisch anfällig für Verspätungen. Wirklich nur ein Gleis also. Ganz wie die Bimmelbahn, die auf der Insel Langeoog Feriengäste vom Hafen ins Dorf tuckert. Dabei handelt es sich bei der Verbindung Münster-Dortmund nicht nur um eine wichtige Nord-Süd-Fernroute, sondern zudem um eine intensiv genutzte Pendlerstrecke.
Schon vor 20 Jahren wurde der Ausbau auf zwei Gleise erstmals in den „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Seither hat es mehr Aufs und Abs für das Projekt gegeben, als eine Wellpappe Rillen hat.
Anfang August einigten sich Bund und Land, wenigstens ein 24 Kilometer langes Teilstück zwischen Werne und Amelsbüren jetzt aber wirklich auszubauen. Der Rest bleibt vorerst eingleisig wie das Inselbähnchen auf Langeoog.
Ich bin sicher: Bis der Teilausbau startet und erst recht, bis er fertig ist, werden tausende Pendlerinnen und Pendler zwischen Münster und Dortmund längst im Rentenalter sein. Und dass auch der Rest der Strecke zweispurig wird, dürften so manche von ihnen nicht mehr erleben.
Die A1 wird schon ausgebaut – und Autos haben mal wieder Vorfahrt
Also fahren viele, die das eigentlich gar nicht wollen, weiter im Auto über die A1 von Münster nach Dortmund. Die wird gerade zwischen Hiltrup und Ascheberg auf drei Spuren ausgebaut. Autos haben mal wieder Vorfahrt.
Der Fahrgastverband „pro Bahn“ schrieb, man freue sich über den Erfolg des Deutschlandtickets, aber: „Auf die Zunahme der Fahrgastzahlen muss mit dem Ausbau von Infrastruktur und der Ausweitung der Verkehrsleitungen reagiert werden.“ Völlig richtig.
Das aber kostet Geld. Dieses Geld über eine Preiserhöhung für das Deutschlandticket einzuspielen, ist absurd. Wer den Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen wirklich ernsthaft will, muss nicht nur Sprüche klopfen. sondern den Preis dafür zahlen. Auch wenn‘s weh tut.
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