Portugals Wiege: Guimaraes ist Kulturhauptstadt
Im 12. Jahrhundert hat Alfons der Eroberer Guimarães zur Wiege und ersten Hauptstadt Portugals gemacht. Jetzt, fast 900 Jahre später, will Guimarães als Kulturhauptstadt 2012 die Europäer erobern.

Die Kirche Igreja de Nossa Senhora da Oliveira in Guimarães. Foto: Hugo Delgado
Vom Geheimtipp zur Goldgrube: Das ebenso verträumte wie avantgardistische Universitätsstädtchen Guimarães im Norden Portugals will mit dem Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2012 die Menschen in seinen Bann ziehen. «Wir erwarten 1,5 Millionen Besucher, die eigens wegen des Events zu uns kommen werden», sagt João Serra, der Präsident der organisierenden Guimarães-Stiftung. In dem malerischen mittelalterlichen Zentrum der Stadt, das seit 2001 auf der Unesco-Welterbe-Liste steht, wird eifrig geschweißt, gehämmert und geputzt, denn der Startschuss soll am 21. Januar fallen.
Die zuletzt im Zuge der Schuldenkrise immer stärker aufgekommene Kritik, das verarmte Portugal könne sich eine solche Veranstaltung nicht leisten, lässt Serra nicht gelten. Er sieht die Kultur auch als eine Art Krisen-Killer. «2012 ist eine Chance. Kulturinvestitionen können wichtige Impulse für die soziale, ökonomische und städtische Regeneration geben», sagt er. Die Früchte der Arbeit werde man erst in den nächsten Jahren ernten. Die Pianistin und frühere Kulturministerin Gabriela Canavilhas sieht es genauso: «Es geht darum, Guimarães auf die Europakarte zu setzen und der Stadt eine Zukunft zu geben.»
Der Gesamtetat von 118 Millionen Euro, der zu 15 Prozent mit EU-Mitteln gedeckt wird, ist für das ärmste Land Westeuropas wahrlich viel Geld. Dafür wird aber unter anderem auf dem Gelände des alten Marktplatzes eine «Plattform der Künste» gebaut, die Bühnen, Ateliers und kreative Läden beherbergen und im Juni 2012 eröffnet werden soll. Die bekannte brasilianische Künstlerin Bia Lessa errichtet ein interaktives Haus des Gedächtnisses. Außerdem wurden die aus dem 10. Jahrhundert stammende Stadtburg sowie der um 1420 erbaute Prachtpalast Paço Ducal restauriert.
Die Stadt am Fuße der Serra da Penha gilt als die Wiege Portugals. Hier wurde der spätere König Alfons I. (um 1109-1185) geboren, der im 12. Jahrhundert die Grafschaft Portucale von Spanien unabhängig und Guimarães zur ersten Hauptstadt Portugals machte. «Hier wurde Portugal geboren», prangt deshalb heute groß auf der Stadtmauer. Dass aber hier, 350 Kilometer nördlich von Lissabon, ein so buntes Szene- und Kulturleben pulsiert, ahnen Touristen meist nicht.
Als aufregendes Ziel bezeichnete die «New York Times» die Stadt, für den Reiseführer «Lonely Planet» ist sie einfach «atemberaubend schön». Beliebtester Treffpunkt der Stadt, die zu den jüngsten Europas gehört (jeder Zweite der 52 000 Einwohner ist jünger als 30), ist der Praça da Oliveira, der Olivenbaumplatz. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit beginnt er sich mit Künstlern aller Couleur, mit Familien, Jugendlichen und Berufstätigen, die den Feierabend genießen, zu füllen. Sie genießen das Stadtleben bei einem Gläschen Vinho Verde, einem jungen Wein der Region. Touristen sind hier (noch) eine Minderheit. Das könnte sich bald ändern.
Das Programm für 2012, dessen Einzelheiten noch nicht bekanntgegeben worden sind, umfasst mehr als 500 Veranstaltungen. Es wird Konzerte, Vorträge, Ausstellungen, Film- und Theateraufführungen und interaktive Straßenshows geben. Der legendäre französische Filmregisseur Jean-Luc Godard hat sich angesagt. Der peruanische Literatur-Nobelpreisträger von 2010, Mario Vargas Llosa, soll eine Diskussionsreihe leiten.
Turismo de Portugal
Guimarães Kulturhauptstadt 2012