Polizei bei Facebook - Dein Freund und Helfer 2.0?
Streit um Datenschutz
Die Dortmunder Polizei hat rund 3000, in Köln sind es 6000, die Hamburger Ordnungshüter haben 10.000. Und das vergleichsweise kleine Hagen hängt alle ab: Fast 12.000 Facebook-Usern gefällt die neue Generation der Öffentlichkeitsarbeit. Den Beamten gefällt das, den Nutzern gefällt das - nur dem Landesdatenschutzbeauftragten gefällt das gar nicht.
Mehrmals täglich posten die mit Dienst-Ipad ausgestatteten Beamten Beiträge auf der Seite: vom Verkehrsunfall über Straßengewalt bis hin zum Fahndungsaufruf. Auch service-lastige Themen wie die aktuellen Blitzer-Standorte gehören zum Repertoire. Die mitunter etwas sperrig formulierten Pressemitteilungen werden sprachlich an die zumeist junge Zielgruppe angepasst, und die Diskussionen unter den Postings werden von Schäfer und Hanki aufmerksam moderiert - es entsteht ein Dialog. Die beiden Beamten veranstalten eine Facebook-Streife: Sie fahren mit in den Außendienst und versorgen ihre Facebook-Fans laufend mit Informationen vom Einsatz: Postings, Fotos, Videos.
"Wir wollen mit dem Auftritt informieren und zum Teil auch unterhalten", beschreibt Tino Schäfer den Social-Media-Auftrag der Polizei Hagen. Unterhaltung - ein völlig neues Einsatzfeld der Polizei. Durch den lockeren Ton und die niedrige Hemmschwelle, über das Medium Facebook mit der Polizei in Kontakt zu treten, dadurch wandelt sich das Bild der Behörde in der Öffentlichkeit. Amtsstuben-Muff adé - das ist die Polizei 2.0. "Man kann abends vor dem Rechner sitzen und der Polizei auch mal eine Frage stellen, auf die wir auch antworten", sagt Schäfer.
Unterhaltung und Information - betritt die Polizei Hagen damit Terrain, das eigentlich Medien und Journalisten vorbehalten ist? "Nein, das ist ein Nebeneinander", sagt Schäfer. Die Arbeit von Zeitungen könne und wolle man nicht ersetzen. Wie viele Menschen aber Polizeimeldungen dem Facebook-Profil der Hagener und nicht mehr der lokalen Presse entnehmen, lässt sich wohl kaum nachprüfen. Und die Daten seien sicher, das versichert Schäfer. Sensible Daten wie Fahndungsbilder würden auf einem Server der Polizei gespeichert, über Facebook werde nur darauf verlinkt. Also alles gut in der blau-weißen Facebook-Welt? Der Landesdatenschutzbeauftragte NRW sieht das ganz anders. "Wir wissen, dass mehrere öffentliche Stellen solche Fanpages betreiben und unsere Position dazu lautet: sie sollten das nicht tun", sagt Nils Schröder, Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten. So sei völlig unklar, welche Datenschutzbestimmungen gelten - die des US-amerikanischen, wo der Konzern sitzt, die irischen, wo er seine Europa-Vertretung hat, oder die deutschen, wo der Nutzer letztendlich betroffen sei.
Mehr noch: Schröder hält den Betrieb von Behörden-Fanpages für nicht zulässig. Bereits 2011 stellte die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einer Entschließung fest: "Anbieter solcher Plattformen, die auf den europäischen Markt zielen, (müssen sich) auch dann an europäische Datenschutzstandards halten müssen, wenn sie ihren Sitz außerhalb Europas haben." An dieser Position habe sich nichts geändert, aber auch an der ungeklärten Datenschutz-Problematik habe sich eben nichts geändert. "Die Landesdatenschutzbeauftragten sind darüber im Gespräch mit dem Innenministerium und diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen", so Schröder. Und die Konferenz der Innenminister wolle wiederum Gespräche mit Vertretern von Facebook aufnehmen um eine einheitliche Linie zu finden. Bis diese nicht gefunden ist, sei die Nutzung durch Behörden "mehr als kritisch". "Es ist vielleicht ein grundsätzliches Problem, dass Facebook als öffentlicher Raum wahrgenommen wird und nicht als Privatunternehmen. Wie sensibel diese ganze Problematik ist, sollte einem spätestens seit den Snowden-Enthüllungen klar sein", gibt Schröder zu bedenken.
Pionier-Arbeit hat 2011 die Polizei Hannover geleistet. In einem Modell-Versuch hat die Behörde 2011 das Netzwerk intensiv genutzt. Über 110.000 User bekommen inzwischen die Nachrichten der Hannoveraner Beamten, keine Polizeibehörde ist zahlenmäßig erfolgreicher. 2011 wurden in Hannover auch Öffentlichkeitsfahndungen über Facebook verbreitet. Mit blendendem Erfolg: Innerhalb von Stunden wurden die Bilder tausendfach geteilt und schließlich wurden Verbrecher nach kürzester Zeit dingfest gemacht. Das Problem: Die Bilder der Gesuchten auf Servern des US-amerikanischen Unternehmens gespeichert und waren auch nach dem Fahndungserfolg noch verfügbar, obwohl die Gesuchten nach der Verhaftung in den Schutz der Anonymität genommen hätten müssen. Inzwischen wurde die Behörde jedoch in die Schranken gewiesen. Fahndungsbilder werden dort inzwischen auch auf einem polizei-eigenen Server gespeichert.
Im NRW-Innenministerium will man das Engagement der Polizei Hannover nicht bewerten. Man habe registriert, dass sich die Kollegen dort "einen Rüffel eingefangen haben", sagt Ministeriumssprecher Wolfgang Beus. Klar sei, dass es so nicht gehe. "Wir müssen dafür eigene Server nutzen und Herr über unsere Daten bleiben", sagt Beus und ergänzt: "Es kann nicht sein, dass sich Polizei auf rechtlich unsicherem Terrain bewegt." Grundsätzlich habe man im Ministerium erkannt, dass manche Menschen nur noch über diese Kanäle zu erreichen seien und man sich als Behörde überlegen müsse, wie man diese Kanäle nutzt. "Wenn es laufen soll, dann mit einheitlichen Richtlinien."
Im Ministerium in Düsseldorf ist der Erfolg des Facebook-Auftritts der Hagener Beamten angekommen. Mal abgesehen von den datenschutzrechtlichen Problemen "scheinen (die) ihre Sache ziemlich gut zu machen. Offenbar haben sie den richtigen Punkt getroffen", sagt Ministeriumssprecher Beus. Auch die Hagener Facebook-Beamten Schäfer und Hanki merken das. Täglich bekommen sie neue Likes, täglich erreichen sie mehr Menschen. Inzwischen schildert Schäfer, habe man sogar schon zwei Einsätze aufgrund von Postings gefahren. "Da wurde geschildert, dass es zu körperlicher Gewalt kommen könnte. Wir waren innerhalb von zehn Minuten mit einem Wagen vor Ort."