
Bertram Sobottka (77) steht an der Kanalbaustelle an der Elisabethstraße. Hier könnten doch Fernwärmeleitungen für sein Haus verlegt werden, meint er – für wenig Geld. © Fabian Hollenhorst
Plötzlich ist Fernwärme heiß begehrt – Bertram Sobottka (77) hätte sie auch gern
Große Sorgen um das Gas
Es ist kurios: In der Debatte um den Kohleausstieg und das Kraftwerk haben sich viele Dattelner Sorgen um „ihre“ Fernwärme gemacht. Jetzt freut sich halb Datteln über die „sichere“ Energie.
Die Vestische Kinder- und Jugendklinik, das St.-Vincenz-Krankenhaus, Altenheime, Kindergärten und auch die Kirchengemeinden oder zahlreiche Geschäftshäuser – sie alle müssen wie auch viele Dattelner Privathaushalte keine Sorgen haben, dass es im Winter kalt bleibt. Oder dass sie horrende Gas-Preise bezahlen müssen. Sie heizen mit Fernwärme, wie Ilona Flechtner, Sprecherin von „Uniper Wärme“ bestätigt. „Insbesondere Datteln hat ein ziemlich gutes Netz“, sagt sie – schließlich wird ein Großteil der Fernwärme ja auch am Kraftwerk Datteln 4 durch das Verbrennen zum einen von Kohle in der normalen Produktion und zum anderen von Öl in den Hilfskesseln produziert.
50 Prozent des sogenannten „Raumwärmebedarfs“ der Stadt Datteln stellt Uniper bereit – damit wurde das Kraftwerk Datteln 4 groß beworben und den Dattelnern ein Stück weit schmackhafter gemacht. Und im Zuge des beschlossenen Kohleausstieges 2038 sowie der juristischen Debatte um das Kraftwerk Datteln 4 und einer möglichen, früheren Abschaltung, sorgten sich viele Dattelner um die Zukunft der Fernwärmeversorgung. Immerhin liefert der große Kohleofen 380 Megawatt (MW) Fernwärme im Zuge der Stromproduktion. Bis zu 310 MW werden ins Netz von Uniper Wärme eingespeist, das über eine dafür erbaute Leitung auch Recklinghausen, Herne und Teile von Bochum beliefert.
Nun, in Zeiten der Gas-Krise und anstehenden, horrenden Preiserhöhungen, feiert die Fernwärme ein regelrechtes Comeback. „Die Kundenanfragen sind gestiegen“, bestätigt auch Ilona Flechtner. Aber: „Die Erschließungskosten sind relativ hoch, wir prüfen die Anfragen natürlich auf Wirtschaftlichkeit.“ Schließlich sei Uniper Anbieter und Vermarkter.
Fernwärme-Anschluss hätte Bertram Sobottka 12.000 Euro gekostet
Diese Erfahrung hat auch der Dattelner Bertram Sobottka (77) gemacht. Fernwärme, die wollte er schon vor zehn bis zwölf Jahren haben, sagt der Bewohner der Bernhardstraße. Das Problem: „Es wollten nur drei andere hier aus der Hötting-Siedlung mitmachen.“ Und für drei Anschlüsse wird es zwangsläufig teuer. „Ich sollte 12.000 Euro bezahlen, um die Fernwärme zu bekommen“, sagt Sobottka. Das war ihm zu teuer, schließlich vergleicht er regelmäßig Gas-Preise, mit seinem aktuellen Vertrag ist er auch zufrieden. 2021 habe er diesen erst abgeschlossen. „Das erste Jahr mit Bonus“, sagt er. In diesem Jahr zahle er knapp 1400 Euro für seine 120 Quadratmeter Wohnfläche. „Wer weiß aber, wie lange noch?“, fragt sich Sobottka. Denn im April 2023 läuft der Vertrag aus – und die Sorge ist groß: Wie teuer wird es?

Fernwärme © Andreas Kalthoff
Am liebsten würde der 77-Jährige immer noch auf Fernwärme umsteigen. Und eigentlich wäre die Zeit aktuell günstig. Denn auf der angrenzenden Elisabethstraße, direkt am ehemaligen Ostringstadion, finden aktuell Kanalbauarbeiten statt – die Bernhardstraße soll folgen. „Da können die doch Fernwärmeleitungen direkt einbauen“, schlägt Sobottka vor. Die Elisabethstraße habe laut seines Wissens Fernwärme-Anschlüsse.
Die Stadt Datteln macht Bürgern ohne Fernwärme Hoffnung
Diesen Vorstoß begrüßt die Stadt Datteln prinzipiell. „Wenn die Straße sowieso auf ist, dann können diese Synergien auch genutzt werden“, sagt Stadtsprecher Dirk Lehmanski. Dass die Stadt aber auf die Anwohner damit zukommt, ist ausgeschlossen. Schließlich darf die Stadt keine Werbung für Fernwärme machen und diese somit anderen Energieformen und -anbietern bevorzugen. Im Zuge von Bürgeranfragen könnte die Stadt aber mit Uniper Kontakt aufnehmen.
Die positive Wendung in Sachen Fernwärme freut Uniper-Sprecherin Flechtner natürlich: „Ich darf behaupten, dass Fernwärme momentan die sicherste Energie ist“, sagt sie. Doch auch hier wird der Preis steigen. „Wenn Fernwärme als einzige Energiequelle nicht steigen würde, dann würden unsere Telefone gar nicht mehr stillstehen“, sagt sie. Schließlich steige auch der Preis für die Rohstoffe zur Fernwärme-Produktion. Im Mai 2022 wurden die Preise bereits erhöht, die nächste Steigerung wird im Oktober folgen. In welcher Höhe, das kann Uniper derzeit noch nicht sagen. Im Vergleich zur Gaspreis-Erhöhung würde Bertram Sobottka diese aber sicherlich gerne in Kauf nehmen.
Aufgewachsen in Recklinghausen, kennt Dorf- und Stadtleben, ist stets neugierig und auf der Suche nach spannenden Geschichten. Zum Studieren nach Duisburg gezogen und den Weg zurück in seine Vest-Heimat gefunden. Handballer seitdem er laufen kann. Berichtet gerne kritisch über Politik und Stadtentwicklung. Seit 2023 für die Lokalausgaben in Castrop-Rauxel und dem Dortmunder Westen verantwortlich
