Seit rund drei Jahren wartet ein Zahnarzt auf die Bezahlung einer fast 7000-Euro-Rechnung. Vor Gericht ist sein ehemaliger Patient freigesprochen worden.

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Patient gibt Krankenkassengeld für Zahnarzt selbst aus – „Habe Kopf in den Sand gesteckt“

rnAmtsgericht Recklinghausen

Ein Patient hat seinem Zahnarzt eine 7.000-Euro-Rechnung nicht bezahlt, obwohl er das Geld von der Krankenkasse bekommen hatte. Vor Gericht offenbarte der Fall eine traurige Geschichte.

von Jörn Hartwich

Recklinghausen/ Herten

, 30.10.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Seit rund drei Jahren wartet ein Zahnarzt aus Herten auf die Bezahlung einer fast 7.000-Euro-Rechnung. Ob er das Geld jemals sehen wird, ist unklar. Vor Gericht ist sein ehemaliger Patient am Freitag sogar freigesprochen worden. Eine Betrugsabsicht war ihm laut Urteil nicht nachzuweisen.

Dem Angeklagten steht das Wasser schon lange bis zum Hals. Er ist 50, schwer krank, bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Doch davon bleibt praktisch nichts übrig: Miete, Unterhalt und eine private Krankenversicherung, die fast 600 Euro pro Monat kostet, machen ihm ein normales Leben fast unmöglich.

Angeklagter verbrauchte Krankenkassengeld selbst

„Die private Krankenversicherung ist Gift für mich“, sagte der Hertener der Richterin. „Doch ich komme da nicht raus.“ Abgeschlossen hat er sie, als es ihm noch richtig gut ging. Er war Fluglotse, hat jahrelang gut verdient. Doch dann kam die Krankheit. Heute kann er sich nur noch mühsam mit einem Rollator fortbewegen.

Den Behandlungsvertrag mit dem Hertener Zahnarzt hatte er Ende 2017 abgeschlossen. Als später die Sammelrechnung kam, hat er sie auch direkt bei seiner Krankenkasse eingereicht. Und die hat auch bezahlt. Die knapp 7.000 Euro hat der Angeklagte dann jedoch selbst verbraucht, anstatt sie an die Praxis weiterzuleiten.

„Mir ist damals alles weggebrochen“, so der Hertener. Kontopfändung, Probleme mit den Stadtwerken, sogar die Wohnung war ihm zwischenzeitlich gekündigt worden. Deshalb habe er mit dem Geld erst einmal die dringendsten Dinge bezahlt.

Rechtlich komplizierter Fall

Doch dann sei auch noch die Mutter verstorben, was ihn schwer mitgenommen habe. „Ich habe den Kopf in den Sand gesteckt, hatte Depressionen und Angstattacken.“ Wegen der Zuzahlung bei Medikamenten und Therapien überlege er heute manchmal, ob er überhaupt medizinische Hilfe in Anspruch nehmen soll.

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Rechtlich war der Fall allerdings gar nicht so einfach. Für eine Verurteilung wegen Betruges hätte ihm das Gericht nachweisen müssen, dass er von Anfang an vorgehabt hätte, den Zahnarzt nicht zu bezahlen. Das war jedoch unmöglich. Außerdem gebe es laut Urteil keinerlei Verpflichtung, das Geld der privaten Krankenversicherung auch wirklich zweckgebunden für die Zahnarzt-Rechnung zu verwenden. Am Ende blieb damit nur ein Freispruch.

Angeklagter will zur Schuldnerberatung gehen

Der Angeklagte will jetzt erst einmal zur Schuldnerberatung gehen und dann auch nach und nach die Rechnung des Zahnarztes abstottern. „Das Geld steht ihm ja zu.“ Ob ihm das allerdings wirklich gelingen wird, ist zweifelhaft.

Zurzeit lebt er nach eigenen Angaben nur von dem Geld, das ihm die Pflegeversicherung noch zusätzlich zu seiner Rente zahlt - rund 300 Euro pro Monat.

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