Opernkomödie wurde zum Kriegsdrama Gelsenkirchener Musiktheater zeigt neue „Cosi fan tutte“

Opernkomödie wurde zum Kriegsdrama
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Ein krasses Beispiel von Regietheaterwillkür ist seit Samstag in der neuen „Cosi fan tutte“ am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier zu erleben. Regisseur David Hermann macht – die Koproduktion mit der Opéra National du Rhin war 2022 schon in Straßburg zu sehen – aus Mozarts heiterer Oper ein heftiges Kriegsdrama.

Eigentlich ist das Ganze bloß ein Streich des lebensweisen Alfonso, der seinen Freunden Guglielmo und Ferrando innerhalb von nur 24 Stunden am Beispiel von deren Verlobten Fiordiligi und Dorabella beweisen will, dass Frauen so untreu sein können wie Männer. Seine Wette sieht vor, dass die beiden in einen imaginären Krieg ziehen und sodann verkleidet die Freundin des jeweils andern erobern.

Absurderer Ernst

Bei Hermann, der die Handlung ins 20. Jahrhundert verlegt, wird aus dem absurden Spiel noch absurderer Ernst: Guglielmo und Ferrando werden 1913 tatsächlich einberufen und werben nach ihrem Einsatz im Ersten Weltkrieg, durch schwere Verwundungen entstellt, um die Gunst der Frauen. Geradezu zynisch, wenn sie dabei singend ihre schönen Körper anpreisen müssen.

Für weitere Annäherungsversuche geht es – jetzt als smarte Lebemänner – durch die wilden Zwanziger Jahre. Die Anbahnung der finalen Doppelhochzeit zögert der Regisseur bis 1939 hinaus, damit er die Männer erneut an die Front schicken kann.

Detonierende Arie

Der Musikgenuss wird durch all dies arg geschmälert. Dumpfe Detonationen etwa zerstören die feine Auftrittsarie der Dienerin Despina. Eine auf den Boden knallende Leiche lässt aufschrecken. Bei der Schlussnummer müssen sich die Sänger einer mächtigen Bombe erwehren.

Dazu entfaltete die Neue Philharmonie Westfalen bei der Premiere unter der Leitung von Giuliano Betta einen duftig zarten, an der historischen Aufführungspraxis orientierten Mozart-Klang.

Rebecca Davis war eine bravouröse, wendige Fiordiligi, Lina Hoffmann eine Dorabella mit starker Ausstrahlung. Margot Genet (Despina), Philipp Kranjc (Alfonso), Simon Stricker (Guglielmo) und Khanyiso Gwenxane (Ferrando) komplettierten das untereinander prächtig harmonierende Gesangsensemble der Gelsenkirchener Oper.

Termine: 15. / 21. / 23. / 29. 6., 5. 7.
Karten: Tel. (0209) 409 72 00 oder www.musiktheater-im-revier.de