Omikron: Wie gefährlich ist die Virusvariante für Kinder?

Coronavirus

Immer mehr Kinder und Jugendliche infizieren sich mit Omikron. Teilweise müssen Kleinkinder deswegen im Krankenhaus behandelt werden. Ist Omikron tatsächlich gefährlicher für junge Menschen?

Berlin

26.01.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Omikron ist hochansteckend – auch für Kinder.

Omikron ist hochansteckend – auch für Kinder. © picture alliance/dpa/AP

Omikron trifft alle Altersgruppen, auch die jüngsten. Seit Mitte November hat das Robert Koch-Institut (RKI) mehr als 44.600 Infektionen mit der Corona-Variante unter den Null- bis 14-Jährigen verzeichnet (Stand: 21. Januar 2022). Die Sieben-Tage-Inzidenz hat mittlerweile neue Rekordwerte erreicht. Am höchsten ist die Kennzahl, die die Anzahl der Infektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner beschreibt, aktuell in der Altersgruppe der Fünf- bis 14-Jährigen. Das RKI gibt sie mit 2071 an – Tendenz steigend.

Dass es auch unter den Kindern und Jugendlichen zu vermehrten Infektionen kommen würde, war zu erwarten. Schon die vorherigen Varianten, Alpha und Delta, hatten nicht nach Alter unterschieden. Weil Omikron noch leichter übertragbar ist, kann sich die Virusvariante schneller in der Bevölkerung verbreiten als ihre Vorgänger. Das heißt, das Risiko, dass sie dabei auch auf jüngere Menschen trifft, steigt.

„Besonders betroffen werden diejenigen sein, die noch nicht geimpft, genesen beziehungsweise geboostert sind“, prognostizierten die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in einer gemeinsamen Stellungnahme von Ende Dezember vergangenen Jahres. Hinzu kommen die unter Fünfjährigen, für die es noch gar keinen Impfstoff gibt. „Es ist zu erwarten, dass sie sich häufiger infizieren werden als andere Altersgruppen.“

Corona-Ausbrüche in den Schulen häufen sich

Die erhöhten Infektionszahlen unter den Kindern und Jugendlichen beeinflussen vor allem den Kita- und Schulalltag. In seinem Wochen­bericht berichtete das RKI jüngst über eine wieder ansteigende Zahl von Corona-Ausbrüchen in den Bildungs­einrichtungen.

„Statt Normalität herrscht vielerorts der permanente Ausnahme­zustand, und statt der versprochenen Sicherheit erleben wir so hohe Infektionszahlen an Schulen wie noch nie“, beklagte vergangene Woche etwa der Präsident des Deutschen Lehrer­verbands, Heinz-Peter Meidinger, im Gespräch mit dem Redaktions­­Netzwerk Deutschland (RND).

Die Corona-Ansteckungen betreffen auch die Lehrkräfte. Sie müssen sich teilweise in Isolation begeben und können die Schüler und Schülerinnen nicht mehr unterrichten. Meidinger sieht den Präsenz­unterricht in Gefahr: „Wenn in den nächsten Tagen und Wochen die Abwesenheits­quote weiter zunimmt, wird der Unterrichts­ausfall massiv ansteigen.“

Krankheitsschwere ist zurückgegangen

Zwar ist das Infektionsrisiko unter den Kindern und Jugendlichen so hoch wie noch nie zuvor in der Pandemie, doch es gibt auch eine gute Nachricht: Omikron führt nur selten zu schweren Krankheits­verläufen.

„Die Erkrankungs­schwere liegt nach neuen Erkenntnissen […] in allen Altersgruppen deutlich unter der der Delta-Variante““, heißt es in der Stellungnahme der pädiatrischen Verbände. Sie wiesen gleicher­maßen darauf hin, dass es noch zu früh für eine endgültige Bewertung der Krankheits­schwere sei, „aber Erfahrungs­berichte aus dem Tshwane District in Südafrika, aus London und Australien sind beruhigend“.

Das war jedoch nicht immer der Fall. Gerade die ersten Nachrichten aus Südafrika, wonach mehr Kleinkinder im Krankenhaus behandelt werden müssten, seit Omikron sich im Land ausbreitete, hatten Eltern verunsichert. Der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Florian Hoffmann, hatte daraufhin vor einer „Panikmache“ gewarnt.

Durch verfrühte Aussagen zur Gefährlichkeit von Virusvarianten habe man schon in vorherigen Infektionswellen unnötige Sorgen bei den Eltern ausgelöst. Er hatte aber angemerkt: „Selbst wenn Omikron weniger krank macht, kann es dennoch passieren, dass allein wegen der hohen Zahl der Infizierten am Ende in absoluten Zahlen mehr Kinder ins Krankenhaus müssen als jetzt.“

Zahl der Intensivfälle bleibt gering

Tatsächlich steigt die Hospitalisierungs­rate in den jüngeren Alters­gruppen an. Das RKI zählte seit Mitte November 161 Omikron-Fälle unter den Null- bis 14-Jährigen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen Covid-19 auf einer Intensivstation versorgt werden müssen, bleibt aber weiterhin gering. Die Divi meldete am Montag bundesweit 26 Patienten und Patientinnen, die derzeit auf einer Kinder­intensivstation liegen. Null- bis 17-Jährige würden insgesamt weniger als 2 Prozent aller Covid-Intensivfälle ausmachen.

Ähnlich beschreibt das britische Royal College of Paediatrics and Child Health die Lage in Großbritannien. „Es ist wichtig zu wissen, dass Kinderärzte Omikron bei Kindern und Jugendlichen im Vereinigten Königreich nicht als schwer­wiegendere oder schwerere Erkrankung melden“, teilte die Organisation Anfang Januar mit. „Es beruhigt uns auch zu hören, dass nur sehr wenige Kinder und Jugendliche, die mit Omikron ins Krankenhaus eingeliefert werden, eine pädiatrische Intensiv­behandlung benötigen.“ Dennoch müsse die weitere Entwicklung genau beobachtet werden.

Großbritannien: vermehrt Kleinkinder in den Kliniken

Das Royal College of Paediatrics and Child Health reagierte mit diesem Statement auf Analysen der britischen Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE). Diese hatten nahegelegt, dass bei Kleinkindern und Säuglingen die Gefahr, mit Omikron ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, proportional höher ist als bei älteren Kindern. Die Daten zeigten, dass in den vergangenen Wochen vermehrt Kleinkinder, vor allem Babys unter einem Jahr, hospitalisiert werden mussten – wenngleich die Verläufe nur mild gewesen seien, wie die SAGE betonte.

Die Zahlen müssten grundsätzlich mit Vorsicht interpretiert werden, sagte Prof. Kevin McConway, emeritierter Professor für Angewandte Statistik an der britischen Open University. Es handele sich um „vorläufige Daten“. Der Anstieg der Krankenhaus­fälle unter Kleinkindern lasse sich nicht unmittelbar auf eine gesteigerte Krankheits­schwere von Omikron zurückführen.

„Es könnte etwas mit den Impfungen bei älteren Kindern zu tun haben, und es könnte möglicherweise etwas mit den Varianten zu tun haben, mit denen sich die Kinder infiziert haben“, sagte McConway Anfang Januar dem britischen Science Media Center. Er geht davon aus, dass nicht alle hospitalisierten Kleinkinder mit Omikron infiziert waren.

Verweildauer ist halb so lang wie bei Delta

Der Statistik­professor wies ferner auf die Verweildauer der jungen Patientinnen und Patienten hin: „Auch wenn die Daten noch unvollständig sind, ist die durchschnittliche Verweildauer der hospitalisierten Kinder im jüngsten Zeitraum deutlich niedriger als in früheren Zeiträumen.“ So würden beispielsweise Kinder zwischen einem und vier Jahren durchschnittlich 1,6 Tage im Krankenhaus verbringen, bei den Fünf- bis Elfjährigen seien es zwei Tage.

„Diese Verweildauer ist ungefähr halb so lang wie die durchschnittliche Verweildauer in der Zeit, in der Delta vorherrschte“, erklärte McConway, „obwohl ich nicht weiß – und die Berichte es nicht wirklich aussagen –, inwieweit dies auf Verbesserungen in der Behandlung zurückzuführen sein könnte.“

Risiko von Spätfolgen und Pims noch unklar

Die deutschen pädiatrischen Verbände merkten in ihrer Stellungnahme an, dass sich die Daten aus anderen Ländern wie Großbritannien nur schwer auf Deutschland übertragen ließen und „insofern Rückschlüsse mit besonderer Vorsicht zu treffen sind“. Sie raten deshalb dazu, Kinder und Jugendliche weiterhin durch Hygiene­maßnahmen und -konzepte vor Corona-Infektionen zu schützen, unter anderem in den Schulen.

Denn obwohl Kinder in der Regel nur leichte Krankheits­verläufe haben, birgt eine Ansteckung Risiken. Zum Beispiel ist noch nicht geklärt, wie groß das Risiko nach einer Omikron-Infektion ist, das Entzündungs­syndrom Pims (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) zu entwickeln. Auch im Hinblick auf Spätfolgen gibt es noch Unsicherheiten. Schon bei den vorherigen Virusvarianten war die Datenlage hierzu unzureichend.

Pädiatrische Verbände: Impfungen vorantreiben

DGKJ, DGPI und der BVKJ fordern zudem „eine möglichst komplette Durchimpfung aller derjenigen, für die ein Impfangebot gemacht werden kann“. Modellierungen zeigen, dass vor allem eine hohe Impfquote in den höheren Altersgruppen maßgeblich dazu beträgt, die Ausbreitung des Coronavirus zu reduzieren. Corona-Impfungen von Kindern hätten hingegen nur einen geringen Effekt, urteilte die Ständige Impfkommission (Stiko).

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Das Gremium, das am RKI angesiedelt ist, hatte für Kinder und Jugendliche je nach Alter unterschiedliche Impf­empfehlungen ausgesprochen: So empfiehlt die Stiko allen Zwölf- bis 17-Jährigen eine Corona-Impfung, bei den Fünf- bis Elfjährigen aber nur denjenigen, die Vorerkrankungen haben oder in deren Umfeld sich Kontakt­personen mit hohem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden. Weil Fünf- bis Elfjährige ohne Vorerkrankungen weiterhin ein geringes Risiko haben, schwer zu erkranken, gibt es bislang keine allgemeine Impf­empfehlung für diese Altersgruppe.

RND

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