Nur nicht irrewerden

Interview mit Anke Engelke

Schubladen-Denken funktioniert bei Anke Engelke nicht. Die 52-Jährige gehört zu den vielseitigsten deutschen Schauspielerinnen und lässt sich auf kein Fach festlegen. Ihr Handy ist museumsreif, am 26. Februar. ist sie mit einem neuen Film im ZDF zu sehen.

Köln

, 17.02.2018, 05:07 Uhr / Lesedauer: 4 min
Anke Engelke genießt es, nicht auf eine Rolle festgelegt zu sein, sondern viele verschiedene Angebote zu bekommen.

Anke Engelke genießt es, nicht auf eine Rolle festgelegt zu sein, sondern viele verschiedene Angebote zu bekommen. © dpa

Anke Engelke kann ernst wie komisch. Wobei ihre Fans sie vor allem für ihre komische Seite lieben. Mit ihrer Show „Ladykracher“ feierte sie sechs Jahre lang Erfolge auf Sat.1. Aktuell zeigt sie in dem Film „Südstadt“ ihre ernste Seite. Im Interview spricht Engelke über die Distanz zum Job, Lieblingskollegen und Schlankheitswahn.

Frau Engelke, ich entdecke gerade eine Gemeinsamkeit zwischen Ihnen und Howard Carpendale…

Da bin ich mal gespannt, ob das gut oder schlecht ist für einen von uns beiden.

Sie benutzen ebenfalls ein Uralt-Nokia-Handy und verweigern sich offenbar konsequent dem Smartphone.

Ach, das meinen Sie. Da kenne ich aber noch ganz viele andere. Ein Smartphone zu haben, ist ja letztlich auch nur ein Scheinbedürfnis. Das ist eher zwanghaft, dass Menschen so ein Ding besitzen müssen. Hat man es nicht, vermeidet man im Übrigen auch die ständigen Beschwerden darüber, dass man zu nichts mehr kommt, weil man ständig am Smartphone hängt. Lösung: Einfach keins kaufen.

Haben Sie schon eine Gruppe der Smartphone-Verweigerer gegründet?

Nein, ich bin erst mal lieber meine eigene Gruppe. Wir sind alle Individualisten. Das Einzige, was wir gemeinsam tun müssen, ist, auf die Straße zu gehen, Bürger zu sein und unsere Meinung zu sagen.

Aber rufen Sie ihn doch mal an, er hat da jemanden an der Hand, der ihm immer noch eins von diesen alten Dingern besorgen kann.

Damit hätte ich kein Problem. Ich find den ja gut. Darf man doch sagen, oder?

Aber selbstverständlich. Was ich an ihm bewundere ist, dass er knallhart zwischen Mensch Carpendale und Künstler Carpendale trennen kann. Fünf Minuten vor Konzertbeginn wird er zum Sänger, macht seine Show, ist dann aber ruckzuck wieder der Normalmenschen, isst eine Suppe und geht ins Bett. Können sie das auch?

Aber natürlich. Sonst würde man ja gerade als Schauspielerin irrewerden. Man müsste sich ständig fragen: Wer bin ich denn gerade? Wieviel gebe ich denn her von mir, meinen Ängsten und Gedanken? Wem gehört was von mir? Und als Schlagersänger muss man ja auch eine gewisse Nahbarkeit ausstrahlen, deshalb ist es umso wichtiger, die Distanz zum Job zu halten.

Der Sänger wird beim Konzert von Tausenden Fans umschwirrt, Sie haben beim Drehen am Set eine ganze Truppe Helferlein um sich. Schafft man es nach dem Dreh wirklich wieder ganz fix zurück in die Normalität?

Alle Schauspieler haben Helfer. Und sind trotzdem in der Lage, sich zu Hause ihren Tee wieder selber zu machen. Es geht da auch nicht um Luxus, sondern darum, dass sich Schauspieler ganz auf den Dreh und ihre Rolle konzentrieren können, fokussiert im Moment sind. Es wäre Unsinn, sich durch den Gang zum Catering oder zur Garderobe, um eine wärmere Jacke zu holen, völlig ablenken zu lassen und Zeit zu verlieren. Dafür gibt es Menschen, die einem das abnehmen. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich verwöhnen lassen will oder Dienstboten um sich herum braucht. Und das wissen die Helfer auch einzuschätzen.

Sie betonen immer wieder, wie ernst man diesen Beruf nehmen muss, um ihn gut zu machen. Hilft diese totale Konzentration auf den Moment Ihnen auch dabei, mühelos zwischen den Genres zu wechseln? Mal Drama, mal Comedy?

Ich würde mich schwer damit tun, mich auf ein Genre festzulegen. Es würde mich zu sehr einengen. Widerspricht ja auch der Idee vom Beruf des Künstlers. Der Kollege Matthias Brandt hat, als er sich vom Polizeiruf verabschiedet hat, gesagt, sein Beruf sei Schauspieler, nicht Fernsehkommissar. Andererseits ist eine schöne Frau vermutlich nicht Schauspielerin geworden, um immer eine schöne Frau zu spielen. Auch Äußerlichkeiten dürfen einen eben nicht auf bestimmte Rollen festlegen. Vor allem darf man sich nicht von anderen festlegen lassen.

Sie können sich gut in neue Genres einfügen und sagen von sich, dass sie sich auch gut an neue Schauspielkollegen gewöhnen können. Dennoch hat man das Gefühl, dass beim ein oder anderen die Chemie besonders stimmt. Stichwort: Lieblingskollegen.

Nein, ganz ehrlich nicht. Matti Geschonnek, der in Südstadt Regie führt, wusste beispielsweise auch nicht, dass Matthias Matschke, Bettina Lamprecht und auch andere Darsteller und ich schon ganz viel miteinander zu tun hatten, als er uns besetzt hat. Wenn ich Präferenzen hätte, würden die bei sowas, denke ich, auch überhaupt keine Rolle spielen.

Aber ich habe schon das Gefühl, dass Sie in seiner Serie beispielsweise Bastian Pastewka anders anspielen als andere. Das hat was von Herzensbeziehung.

Dafür müsste ich die Gegenfrage stellen, ob Sie schon mal das Gefühl hatten, dass ich einen Filmpartner hatte, den ich als Mensch nicht mochte? Oder ich müsste mich das selbst fragen. Vielleicht mache ich es mir auch einfach immer schön. Oder ich habe einfach Glück, dass ich immer Partnerinnen und Partner hatte, mit denen es fluppte.

Und? Was ist es nun?

Ich nehme Antwort A. Ich versuche, es mir selbst immer schön zu machen. Weil Arbeitszeit ja auch Lebenszeit ist. Es wäre ja ballaballa, wenn ich nach einem Drehtag nach Hause fahre oder ins Hotelbett springe und immer denken würde, was das für ein Scheißtag mit dem und dem Kollegen war.

Nochmal zu Pastewka...

Natürlich ist da schon eine große Verbundenheit. Wir spielen seit 20 Jahren miteinander, mal mehr, mal weniger, und da ist auch kein Ende in Sicht. Die Wolfgang-und-Anneliese-Sachen waren schon sehr intensiv, bei der achten Pastewka-Staffel bin ich in einer Folge dabei, in der es um den Fernsehpreis geht. Natürlich ist das grundsätzlich ein gutes Gefühl, weil man immer weiß, dass einem nichts geschieht.

Vor Jahren hat Sie dann aber doch mal was aus dem Gleichgewicht gebracht: Mit 18 wurden Sie beim ZDF aussortiert, weil Sie figürlich nicht ins Konzept passten. Sie waren schlicht zu dick, hieß es zumindest.

Der neue Chef damals war Markus Schächter (später Intendant, d. Red.) und er wollte Neues schaffen, da blieb ich auf der Strecke. Wir haben das inzwischen geklärt.

Können Sie anderen Betroffenen mal einen Tipp geben, wie man sowas für sich wieder in die Reihe kriegt?

Eigentlich habe ich das nicht in die Reihe gekriegt. Es hat mich viele Jahre verfolgt, weil ich tatsächlich sehr nachhaltig verletzt war. Ich kann deshalb keine Tipps geben, weil ich damit falsch umgegangen bin, indem ich es total persönlich genommen habe. Es gab eine sehr magere Redakteurin, deren Schönheitsideal das war. Sie wollte das dann auch bei der Moderatorin haben.

Aber sie sind seitdem nie wieder dick gewesen.

Ich habe mich auch damals nicht so empfunden. Ich finde das Äußerliche auch eher sekundär. Wichtiger ist, dass man sich selbst gern hat, nur dann können einen auch andere gern haben. Und nur dann kann man lieben.

Ein Haus in der Kölner Südstadt, drei Wohnungen und drei befreundete Paare, die ihre Beziehungen und Lebenskonzepte auf den Prüfstand stellen: Mit dem Film „Südstadt“ setzen Regisseur Matti Geschonneck und Autor Magnus Vattrodt ihre mehrfach preisgekrönte Zusammenarbeit für das ZDF fort. Der Sender zeigt die Produktion am Montag, 26. Februar, um 20.15 Uhr. Anke Engelke mimt darin Anne, die seit 20 Jahren mit Martin (Matthias Matschke) verheiratet ist. Allerdings ist die Ehe zuletzt in eine Schieflage geraten: Anne hat ein Verhältnis mit einem Kollegen und Martin verschweigt ihr, dass er seinen Job schon vor Monaten verloren hat und seitdem arbeitslos ist.