Eine junge Polizistin steht mit tränenüberströmtem Gesicht zwischen ihren Kollegen, ein Mann kniet weinend vor dem Blumenmeer am Mannheimer Marktplatz: Videos im Internet zeigen, wie sehr die tödliche Messerattacke von Mannheim die Menschen in der Stadt, aber auch weit darüber hinaus bewegt. Auch in NRW wird heute dem getöteten Polizisten gedacht.
Im Innenministerium in Düsseldorf hat es laut WDR-Informationen um 11.34 Uhr, dem Zeitpunkt der Tat, eine Schweigeminute gegeben. Auch in vielen Polizeidienststellen wurde um diese Uhrzeit an den getöteten Polizisten Rouven L. gedacht.
In Lüdenscheid und Iserlohn zog die Polizei laut WDR mit einem Trauermarsch durch die Innenstadt. Beim Ausbildungszentrum der Polizei in Selm-Bork wurde ein Kranz an der Skulptur „Der Wächter“ niedergelegt.
Der 29-jährige Polizist Rouven Laur starb nach der Attacke am vergangenen Freitag. Fünf weitere Männer wurden verletzt, als ein 25-jähriger Afghane mit einem Messer auf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) einstach.
Die fünf Verletzten vom vergangenen Freitag leiden indes eine Woche nach der Tat weiter an den Folgen, sie hätten alle noch Schmerzen, wie Stefanie Kizina von Pax Europa sagt. „Wir sind alle noch unter Schock“, erzählt die Schatzmeisterin. „Man reißt sich zusammen, man muss das erst mal verarbeiten. (...) Man hat ja immer in der Gefahr gelebt, aber irgendwie ist man immer davon ausgegangen, es passiert schon nichts, wird schon nicht so schlimm.“
Steinmeier bei Gedenkminute in Mannheim
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Messerangriff, bei dem ein Polizist auf dem Mannheimer Marktplatz tödlich verletzt worden ist, als „blutigen Terrorakt“ bezeichnet. Der Täter habe offenbar aus einem politischen, mutmaßlich islamistischen Hintergrund gehandelt, sagte Steinmeier in Mannheim nach einem Gespräch mit Polizeibeamten und den Angehörigen des getöteten Polizisten Rouven Laur.
Man habe in den vergangenen Wochen mit Angriffen auf Bürgermeister, Minister, Abgeordnete und Ehrenamtliche weitere „abscheuliche Akte politisch motivierter Gewalt erlebt“, sagte Steinmeier. „Wir, die Demokratinnen und Demokraten dieses Landes, dürfen und werden uns an Gewalt in der politischen Auseinandersetzung niemals gewöhnen.“ Die Gewalt müsse aufhören.
Zuvor hatte Steinmeier auf dem Mannheimer Marktplatz des dort vor einer Woche getöteten Polizisten bei einer Gedenkminute gedacht und am Tatort ein Blumengebinde niedergelegt.
Steinmeier, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) hielten um 11.34 Uhr in stiller Trauer inne. Auch die Eltern des getöteten Polizisten sowie weitere Angehörige nahmen an dem Gedenken teil. Die Polizei Baden-Württemberg hatte zu der Gedenkminute aufgerufen.
Auf dem Platz in der 300.000-Einwohner-Stadt im Norden Baden-Württembergs kamen Hunderte Menschen zusammen, um des Mannes zu gedenken. Eine Polizeisprecherin sprach von 1500 bis 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Nach der Gedenkminute brandete auf dem Marktplatz zudem Applaus auf. Landesweit verharrten zum gleichen Zeitpunkt Polizisten in stiller Trauer.
In Mannheim erwiesen Dutzende Polizistinnen und Polizisten ihrem Kollegen den Respekt. Rund 50 Beamte des Polizeipräsidiums Mannheim - einer Sprecherin zufolge vor allem Streifenbeamte - stellten sich vor dem Blumenmeer auf dem Marktplatz auf und gedachten mit verschränkten Händen ihres verstorbenen Kollegen.
Die Messerattacke löste zuvor auch eine politische Diskussion über striktere Abschiebungen aus.
Mannheim: AfD ruft zur Demo auf - die Antifa zur Gegendemo
Für heute Abend hat die AfD zudem zu einer Demonstration unter anderem gegen Islamismus auf dem Marktplatz aufgerufen. Zeitgleich soll eine Gegendemonstration der Antifa stattfinden. Die Stadt hatte vorläufig Veranstaltungen, wie Demonstrationen, auf dem Marktplatz verboten.
Sie erklärte den Platz mit einer Allgemeinverfügung bis zum 16. Juni zum Ort des Gedenkens. Die AfD klagte dagegen - das Verwaltungsgericht Karlsruhe gab dem Eilantrag gestern statt. Dagegen legte die Stadt Beschwerde ein. Nun muss der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheiden. Die Stadt sieht für die Demo den nahegelegenen Paradeplatz vor.
„Wir wollen zwei Tage vor der Europawahl genau dort demonstrieren, wo der islamistische Terror zugeschlagen hat, um ein klares politisches Signal in die ganze Republik zu senden“, hatte der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier mitgeteilt.
Stadträte hatten sich im Vorfeld besorgt mit Blick auf die geplanten Demonstrationen geäußert. Bereits am vergangenen Sonntag hatten sich auf dem Marktplatz hitzige Szenen abgespielt. Ein überparteiliches Bündnis hatte zu einer Mahnwache gegen Gewalt und Hass aufgerufen. Auf dem Marktplatz fand zeitgleich auch eine Kundgebung der Jungen Alternative statt.
Die Versammlung der Jugendorganisation der AfD lief unter dem Motto „Remigration hätte diese Tat verhindert!“. Auf Videos im Internet ist zu sehen, wie Demonstranten in der Innenstadt eine lange Menschenkette bilden - und wie die Polizei mit einer Gruppe von Antifa-Aktivisten zusammenprallt. Die Aktivisten schwenkten rote Fahnen und zündeten Bengalos. Auf dem Marktplatz wurde der Slogan „Nazis raus“ skandiert.
dpa/bani