Novavax: Wie wirksam ist der Totimpfstoff und lohnt das Warten bis zur Zulassung?

Coronavirus

Die EMA berät heute über die Zulassung des Novavax-Impfstoffes. Das Mittel funktioniert anders als die mRNA-Vakzine – was Impfskeptikern Hoffnung macht. Sieben Fragen und Antworten.

von Saskia Heinze

, 20.12.2021, 07:50 Uhr / Lesedauer: 4 min
Eine Spritze mit dem Impfstoff Novavax liegt in einer Pappschale im Royal Free Hospital. Noch im Dezember könnte die EMA über den Impfstoff entscheiden.

Eine Spritze mit dem Impfstoff Novavax liegt in einer Pappschale im britischen Royal Free Hospital. Noch im Dezember könnte die EMA über den Impfstoff entscheiden. © picture alliance/dpa/PA Wire

Einige Menschen wollen sich nicht mit einer mRNA-Impfung gegen Covid-19 schützen – und hoffen darauf, dass bald Impfstoffe mit anderer Technologie zugelassen werden. Ein Kandidat kommt vom US-Hersteller Novavax. Oft wird betont, dass erst dieser ein echter Totimpfstoff sei. Aber stimmt das wirklich? Wo sind die Vor- und Nachteile bei dem Mittel? Ein Überblick zum Impfstoff, der – wenn er denn bald zugelassen wird – der fünfte in der EU sein könnte.

1. Wann kommt die Novavax-Zulassung?

Der Impfstoff des US-amerikanischen Herstellers heißt „Nuvaxovid“. Im November hat Novavax den offiziellen EU-Antrag gestellt. Seitdem prüft die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) auf Grundlage der Daten durch die Zulassungsstudie, ob das Mittel wirksam, sicher und verträglich ist.

Noch im Dezember könne entschieden werden, sagte EMA-Direktor für Impfstrategie Marco Cavaleri zuletzt bei einer Sitzung in Brüssel. Indonesien und die Philippinen haben bereits grünes Licht gegeben, auch Indien, Großbritannien und Kanada prüfen derzeit eine Zulassung. Auch in den USA will Novavax einen Zulassungsantrag stellen.

2. Wie wirksam ist der Novavax-Impfstoff?

Im Juni hatte Novavax erklärt, in einer Studie mit fast 30.000 Teilnehmern in den USA und Mexiko sei das Vakzin zu rund 90 Prozent gegen symptomatische Covid-19-Erkrankungen wirksam gewesen. Diese Daten gehen also von einem sehr hohen Schutz aus. Die Analyse wurde Mitte Oktober auch als Preprint veröffentlicht. Zu einem ähnlichen Ergebnis war eine im „New England Journal of Medicine“ erschiene Studie mit 15.000 Probanden in Großbritannien gekommen.

Allerdings wurden beide Studien gemacht, bevor die Delta-Variante dominierte – und bevor Omikron entdeckt wurde. Deshalb ist auch noch nicht klar, wie wirksam Novavax jetzt noch ist. Das Unternehmen selbst verkündete bereits, dass erst mit einem Booster auch bei Delta mit ähnlich hohen Antikörperleveln zu rechnen sei wie beim Ursprungsvirus. Inwieweit das Novavax-Mittel gegen Omikron wirkt, ist noch unklar. Das Unternehmen teilte Anfang Dezember mit, seinen Impfstoff gegen die Variante prüfen zu wollen.

„Labordaten werden in den kommenden Wochen erwartet“, heißt es in einer Mitteilung. Zudem hat der Hersteller nach eigenen Angaben damit begonnen, ein Omikron-spezifisches Spikeprotein für den Impfstoff zu entwickeln. Eine erste Herstellung in einer kommerziellen Anlage werde nach derzeitigen Plänen „im Januar 2022 erwartet.“

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Impfstoffexperten weisen allerdings darauf hin, dass die Technologie von Novavax den Impfschutz in nur wenigen Teilen des Immunsystems anregen könnten. mRNA-Impfstoffe schafften es, die Bildung von wichtigen T-Killerzellen und entsprechenden Gedächtniszellen zu initiieren. „Mit den protein­basierten Impfstoffen stimuliert man dagegen die zytotoxischen T-Zellen kaum und stattdessen vor allem die Antikörperantwort“, erklärte dem RND zuletzt Christian Münz, Professor für virale Immunbiologie an der Uni Zürich. „Das macht es leichter für das Virus, gegen diese Impfstoffe resistent zu werden, weil die Immunantwort nicht so breit aufgestellt ist.“

3. Wie sicher ist Novavax?

Der Impfstoff wird in zwei Dosen verabreicht, per Injektion in den Oberarm. Laut Studiendaten ist das Mittel gut verträglich und sicher – was die EMA noch bestätigen muss. Erwartbar seien milde Nebenwirkungen wie Druckschmerz an der Einstichstelle, Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Impfreaktionen traten unter den Studienteilnehmenden häufiger nach der zweiten als nach der ersten Dosis auf.

4. Welche Technologie steht hinter Novavax?

Der Impfstoff von Novavax ist im Gegensatz zu den bisher zugelassenen Impfstoffen weder ein mRNA-Impfstoff – wie die Präparate von Biontech und Moderna – noch ein Vektorimpfstoff wie die von Astrazeneca und Johnson & Johnson. Der Hersteller setzt auf ein etabliertes Impfprinzip – die proteinbasierte Methode, die seit Jahrzehnten aus der Impfstoffforschung bekannt ist und auch gegen andere Virusinfektionen genutzt wird.

Das Vakzin wird aus Kopien der Spike-Proteine an der Oberfläche des Virus hergestellt. Die Spikes lassen sich zu Nanopartikeln zusammensetzen, welche die molekulare Struktur des Coronavirus nachahmen. Ganz so traditionell wie bisherige Proteinimpfstoffe arbeitet aber auch Novavax nicht: Der Hersteller benötigt auch bestimmte Wirkverstärker, sogenannte Adjuvanzien, welche die Immunantwort verstärken. Biontech/Pfizer und Moderna verabreichen mit ihren mRNA-Vakzinen dagegen einen Bauplan mit genetischen Informationen, die den Körper veranlassen, das Spike-Protein für kurze Zeit selbst herzustellen.

5. Ist nur Novavax ein Totimpfstoff?

Totimpfstoffe, auch als inaktivierte Impfstoffe bekannt, enthalten nur abgetötete Viren, die sich nicht mehr vermehren können. Sie können auch Bestandteile der Erreger enthalten – „diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem zur Antikörperbildung an, ohne das die jeweilige Krankheit ausbricht“, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Nicht nur das Mittel von Novavax ist damit ein Totimpfstoff. Auch für die mRNA- und Vektorimpfstoffe gilt das – also alle bislang zugelassenen Mittel in der EU. „Die Covid-19-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren. Insofern können sie mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden“, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Homepage.

6. Lohnt das Warten auf den Totimpfstoff?

Totimpfstoffe auf Basis von Proteinschnipseln könnten das Impfstoffangebot erweitern – wie vom Hersteller Novavax, betont der Infektiologe Prof. Clemens Wendtner. Eine baldige Zulassung wäre eine sehr gute Nachricht, aber kein Grund, heute einen Impfstoff abzulehnen, der ebenso gut ist, sagt der Corona-Experte in einem Faktencheck der München-Klinik Schwabing: „Es gibt keinen Grund zu warten. Im Gegenteil: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich und sein Umfeld zu schützen.“

Gesundheitsbehörden weltweit betonen, dass alle bisher zugelassenen Impfstoffe keine krankmachende Wirkung haben und nicht Covid-19 verursachen. Die Bestandteile der Impfung bauen sich in kurzer Zeit im Körper ab. Die mRNA verändert auch nicht die menschliche Erbinformation, sondern liefert nur die Bauanleitung für Proteine im Körper, die es für die Antikörperbildung braucht. Das betonen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Zulassungsbehörden und Prüfgremien weltweit – darunter auch die EMA, das in Deutschland für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich Institut (PEI) und auch die Ständige Impfkommission (Stiko).

Die zugelassenen Impfstoffe, bislang mehr als acht Milliarden mal weltweit verabreicht, sind bezüglich Nebenwirkungen inzwischen so gut überwacht wie noch kein anderes Vakzin. „Die überwiegende Mehrheit der bekannten Nebenwirkungen von Covid-19-Impfstoffen ist mild und von kurzer Dauer“, lautet auch das Urteil der EMA. „Ernsthafte Sicherheitsprobleme sind äußerst selten.“

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Von Impfkomplikationen oder schwereren Nebenwirkungen ist die Rede, wenn der Gesundheits­zustand der geimpften Person deutlich belastet wird. Und selten heißt: Einige wenige Fälle kommen auf rund 100.000 Geimpfte. Nebenwirkungen, die unerwartet und erst mehrere Jahre nach der Impfung auftreten, sind dem RKI zufolge bei noch keiner Impfung beobachtet worden und auch bei den Covid-19-Impfstoffen nicht zu erwarten.

7. Wieso braucht es dann überhaupt Novavax?

Es gibt einige wenige Menschen, die gegen bestimmte Bestandteile der mRNA-Impfstoffe allergisch sind. Für diese könnten weitere Impfstoffe eine Alternative sein. Einen großen logistischen Vorteil hat das Mittel von Novavax ebenfalls: Anders als die Mittel von Biontech und Moderna braucht der Impfstoff keine extreme Kühlung und kann deswegen leichter transportiert und eingesetzt werden. Der Impfstoff auf Proteinbasis ist zudem kostengünstiger herzustellen. Das WHO-Expertengremium für Impfungen rief bereits gut mit Vakzinen ausgestattete Staaten dazu auf, Impfdosen ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen, statt sie zu horten.

Laut der von der Universität Oxford betriebenen Impfstatistik „Our World in Data“ haben bislang nur rund 7 Prozent der Menschen in ärmeren Ländern eine erste Dosis erhalten. Weitere Impfstoffe, unter anderem auch der von Novavax, hätten das Potenzial, der unfairen Impfstoffverteilung in der Welt entgegenzusetzen.

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