Niedeckens BAP geht auf große Jubiläums-Tour
Neues Album "Lebenslänglich"
2016 wird für BAP ein ereignisvolles Jahr. Im Januar ist das neue Album „Lebenslänglich“ erschienen. Ab Mai geht es anlässlich des 40-jährigen Band-Jubiläums auf Deutschlandtour. Dazwischen, am 30. März, feiert Wolfgang Niedecken seinen 65. Geburtstag. Uns hat er verraten, warum er glaubt "Dä Herrjott meint et joot met mir".

Sänger Wolfgang Niedecken und seine Band BAP feiern 40-jähriges Bestehen.
Im Gespräch zeigt sich Wolfgang Niedecken einerseits sichtlich entspannt, man spürt aber eine Spannung, als könne er die Reaktionen der Fans auf das neue Album kaum erwarten und zudem lieber heute als morgen auf Tour gehen. Das Umherreisen, das in den Anfangsjahren mit einer hoffnungslos überladenen Kastenente, einem Kasten Bier und Prinzenrollen als Proviant begann, ist längst Geschichte.
Einziges Gründungsmitglied
Doch auch heute will Niedecken von Tourstress nichts wissen. „Für mich als Musiker sind die Konzerte ganz klar das Sahnehäubchen. Wenn ich auf der Bühne drei Stunden unsere Songs spiele, dann finde ich meine innere Ruhe“, erklärt er über jeden Zweifel erhaben, zumal die früher notwendige Trennung von der Familie heute kein Thema mehr ist. „Meine Töchter studieren und sind aus dem Haus, und meine Frau, die damals bei meiner Krankheit schon alles richtig gemacht hat, kommt mit auf Tour und unterstützt mich, wo sie kann“, so Niedecken.
In dem endlos erscheinenden Reigen von Band-Jubiläen reiht sich in diesem Jahr auch BAP mit ihrem 40. Jahrestag ein. Auf die Frage, ob es denn persönlich wichtig sei, dieses Jubiläum zu feiern, zumal er als einziges Gründungsmitglied noch übrig sei, reagiert Niedecken mit einer Art Gegenangriff. „Die Sache mit den Jubiläen liegt auch ein wenig an den Journalisten, denen manchmal als Neuigkeit nicht reicht, wenn man ein neues Album vorstellt. Da muss immer noch was Großes hinzukommen, ein Jubiläum oder eine schlimme Krankheit“, so Niedecken, der sogleich bedauert, seinen 2011 erlittenen Schlaganfall nun selbst ins Gespräch gebracht hat.
Spirituelle Ausrichtung
Dabei scheint bei ihm offensichtlich momentan alles im Lot zu sein. „Dä Herrjott meint et joot met mir“ – so ein Titel vom neuen Album „Lebenslänglich“ – ist mehr als eine launige Rückschau auf eine beispielhafte Karriere als Musiker, Maler und Autor. Dahinter steckt ein Bekenntnis, das der aktuellen Befindlichkeit wahrhaftig zu entsprechen scheint. „Da ist tief in mir ein grundsätzliches Gefühl der Zuversicht, das ich immer gehabt habe, und das mir auch direkt nach meiner Krankheit gesagt hat, alles wird gut“, sagt Niedecken fast entschuldigend, der seine spirituelle Ausrichtung als „rest-katholisch“ bezeichnet.
Amüsiert reagiert er auf die Frage, ob denn der Albumtitel „Lebenslänglich“ eher als Verheißung oder als Drohung zu verstehen sei. „Nun mit 40 Jahren BAP habe ich die „Lebenslänglich“-Marke längst überschritten, denn im Allgemeinen werden Lebenslängliche nach 20 Jahren begnadigt. In meinem Kontext bedeutet es eher die lebenslange Suche und das Finden von Wahrheiten, aber auch das ständige Zweifeln an dem, was wir gemeinhin und häufig vorschnell als Erkenntnis ansehen“, erläutert der BAP-Texter, der mit dem Lied „Alles relativ“ auch zugleich zugibt, nicht unbedingt zu den Dogmatikern zu zählen.
Vorbild: Bob Dylan
Musikalisch markiert „Lebenslänglich“ eine Wende. „Zwar flossen viele Erfahrungen, die ich mit meinem Soloalbum „Zosamme alt“ und der folgenden Unplugged-Tour „BAP zieht den Stecker“ gemacht habe, in das neue Album ein, doch geht es nun wieder ein wenig härter zu, BAP rockt auch wieder im herkömmlichen Sinn“, so Niedecken, der den deutlich heraushörbaren Americana-Einfluss seiner Vorbilder Bob Dylan, Neil Young und Tom Petty nicht abstreiten will. Zwar heißt die Gruppe nunmehr wieder Niedeckens BAP, doch mehr denn je ist ein musikalisches Kollektiv am Werk, in das sich neben Niedecken auch Ulle Rode, Anne de Wolff und Michael Nass maßgeblich einbringen.
„Es ist unglaublich, wie sehr sich Ulle und Anne, die zeitweilig mit Bosse auf Tour waren, da reingehängt haben und es geschafft haben, mir vom Tourbus aus immer wieder neue Demos zu schicken“, erzählt Niedecken, der in dem Ton-Ingenieur Stewart Lerman ideale Unterstützung gefunden hat. „Der ist sowohl professionell als auch emotional an die Arbeit gegangen, hat immer wieder nachgefragt, um was es in dem oder jenem Song geht, um die richtige Klangatmosphäre zu finden“, lobt der Kölner den New Yorker, der unter anderem auch das letzte Patti-Smith-Album aufgenommen hat.
Politische Probleme
In der bereits veröffentlichten Single „Absurdistan“ hält Niedecken Politik und Gesellschaft einen Spiegel verpasster Chancen, die viele Dinge zum Besseren hätten wenden können, vor. „Dabei will ich aber nicht links-populistisch gegegensteuern, ich habe, was die meisten politischen Probleme anbetrifft, auch kein Patentrezept. Ich mache keinen Politrock, lasse mich für keine Partei vereinnahmen, denn ich brauche einen unabhängigen, freien Kopf“, erläutert der BAP-Texter seinen Standpunkt.
Er schildert lieber Zustände, lässt diese wie etwa in „Vision von Europa“ aus der Flüchtlingsperspektive für sich sprechen, als diese aus distanzierter Warte zu kommentieren. „Allerdings sehe ich meine Vision von Europa, die über eine Wirtschaftsgemeinschaft hinaus auch eine Solidargemeinschaft sein sollte, insbesondere durch Rechtspopulisten aus Osteuropa sehr stark gefährdet“, sagt Niedecken abschließend doch sehr deutlich.