Neue Corona-Variante in Frankreich entdeckt: Was bislang über B.1.640.2 bekannt ist

Coronavirus

Ein Forscherteam aus Marseille hat eine neue Coronavirus-Variante entdeckt. Die Mutante namens B.1.640.2 besitzt 46 Mutationen, die sie ansteckender und immunflüchtiger machen könnte.

von Laura Beigel

, 06.01.2022, 06:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Ein Modell des Coronavirus.

Ein Modell des Coronavirus. © picture alliance/dpa/BELGA

Gleich zu Beginn des neuen Jahres sorgt eine neue Coronavirus-Variante für Aufsehen. Ihr Name: B.1.640.2. Erstmals entdeckt wurde sie Anfang Dezember von Forscherinnen und Forschern des französischen Instituts IHU Méditerranée Infection in Marseille. Diese hatten in Proben von zwölf Corona-Infizierten, darunter fünf Kinder unter 15 Jahren, eine „atypische Kombination“ von Mutationen nachweisen können.

In seiner Studie, die noch von unabhängigen Expertinnen und Experten überprüft werden muss, spricht das Forscherteam um den Molekularbiologen Philippe Colson von insgesamt 46 Mutationen. Allein 14 Veränderungen von Aminosäuren betreffen das Spikeprotein, mit dem sich das Coronavirus Zutritt zu den menschlichen Zellen verschafft. Zum Vergleich: Die Corona-Variante Omikron, die sich derzeit in vielen Ländern Europas rasant ausbreitet, zeichnet sich durch rund 30 Aminosäureänderungen im Spikeprotein aus.

Mutationen sind Forschenden nicht unbekannt

B.1.640.2 besitzt Mutationen, die bereits von anderen Virusvarianten bekannt sind. Darunter etwa die Mutation N501Y, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von den Varianten Alpha, Beta, Gamma und Omikron kennen. Sie ermöglicht es dem Coronavirus, sich stärker an die menschlichen Zellen zu binden, sodass der Erreger leichter übertragbar ist. Ebenfalls bei B.1.640.2 nachgewiesen werden konnte die Mutation E484K. Diese Escape-Mutation, die Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe nehmen kann, ist auch Bestandteil der Virusvarianten Beta und Gamma.

Die Mutationen deuten darauf hin, dass B.1.640.2 ansteckender als das in Wuhan entdeckte Ursprungsvirus sein könnte. Es ist aber noch unklar, ob sich diese Virusvariante gegen andere durchsetzen wird. Genauso wenig lässt sich bislang darüber sagen, ob B.1.640.2 mit einer höheren Krankheitsschwere einhergeht, also öfter für schwere Verläufe sorgt. Oder ob die Mutante sogar eine Gefahr für die Wirksamkeit der Impfstoffe darstellt.

Virologe: „Definitiv kein Grund zur Sorge im Moment“

„Es ist noch zu früh, um auf der Grundlage dieser zwölf Fälle über virologische, epidemiologische oder klinische Merkmale dieser IHU-Variante zu spekulieren“, heißt es in der Studie aus Marseille.

Auch Expertinnen und Experten aus anderen Ländern, wie der Virologe Thomas Peacock vom britischen Imperial College London, mahnen, wegen der neu entdeckten Virusvariante nicht sofort in Panik zu verfallen. Bislang sei B.1.640.2 nur bei wenigen Sequenzierungen festgestellt worden. Peacock spricht auf Twitter von 21 Nachweisen innerhalb von 2,5 Monaten. „Definitiv kein Grund zur Sorge im Moment“, schreibt er.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Richard Neher, Experte für Virusvarianten an der Uni Basel (Schweiz): „Wir sollten diese wie auch andere Varianten beobachten, aber es besteht kein Grund, speziell über diese Variante besorgt zu sein“, sagte er am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Reiserückkehrer aus Kamerun ist Patient null

Selbst wenn derzeit nur wenige Fälle mit B.1.640.2 bekannt sind, stellt sich doch die Frage, wie die Virusvariante überhaupt entstehen konnte. Den französischen Forscherinnen und Forschern zufolge handelt es sich bei Patient null um einen Mann, der gegen Covid-19 geimpft gewesen und von einer Reise aus Kamerun zurückgekommen ist. Er lebt in einer Gemeinde im Südosten Frankreichs, wo auch die anderen Infektionen mit B.1.640.2 auftraten. Am Tag, bevor der Mann positiv auf das Coronavirus getestet wurde, hatte er leichte Atemwegssymptome entwickelt.

Das Forscherteam vermutet, dass sich der Mann schon in Kamerun mit der Virusvariante infiziert hat. „Diese Daten sind ein weiteres Beispiel für die Unvorhersehbarkeit des Auftretens von Sars-CoV-2-Varianten und ihrer Einschleppung aus dem Ausland in ein bestimmtes geografisches Gebiet“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Impfskepsis geht in Kamerun um

Kamerun, das – in Zentralafrika gelegen – etwa an Nigeria und die Republik Kongo grenzt, verzeichnet derzeit nur wenige Infektionen mit dem Coronavirus, verglichen mit anderen afrikanischen Ländern. Die Africa Centres for Disease Control and Prevention meldeten am 1. Januar 785 aktive Fälle. Im Nachbarland Nigeria waren es beispielsweise 25.066.

Das Coronavirus breitet sich in Kamerun aktuell also nur geringfügig aus, es trifft dort aber auf eine weitgehend nicht immunisierte Bevölkerung. Die Impfquote in dem Land liegt nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität bei gerade einmal 2,5 Prozent. Nicht nur die Verteilung der Impfstoffe sorgt für diese niedrige Impfrate, sondern auch die allgemeine Skepsis vieler Kamerunerinnen und Kameruner gegenüber den neuen Impfstoffen.

Ungeimpfte erhöhen Mutationsrisiko

Dass viele Menschen in dem Land noch nicht immun gegen das Virus sind, ist problematisch, weil gerade in Populationen mit Ungeimpften ein erhöhtes Mutationsrisiko besteht. Denn Ungeimpfte haben eine hohes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Bei jeder Infektion vervielfacht sich das Virus im menschlichen Körper, es entstehen Millionen von Kopien des Erregers. Dabei können Fehler auftreten, das heißt, es kann zufällig zu Mutationen kommen. Neue Varianten des Coronavirus sind also nicht ungewöhnlich, sondern Teil der evolutiven Entwicklung des Virus.

Je ungehinderter sich das Coronavirus vermehren kann, desto größer wird das Risiko für eine Mutation. Eine Impfung senkt dieses Risiko. Der Grund: Geimpfte erkranken in der Regel kürzer und sind auch nicht so lange infektiös wie Ungeimpfte. Somit hat das Coronavirus weniger Zeit, um sich zu verändern. Berücksichtigt werden muss hierbei aber, dass auch die Impfungen einen Selektionsdruck auf den Erreger ausüben, sodass es zu neuen Mutationen kommen kann.

Virusvarianten könnten weniger gefährlich werden

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass noch weitere Virusvarianten weltweit auftauchen werden. Auch, weil es in jedem Land der Welt noch zahlreiche ungeimpfte Menschen gibt, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Wie häufig neue Varianten entstehen und welche Mutationen sie haben werden, lässt sich nicht voraussagen. Grundsätzlich ist das Coronavirus jedoch eher langsam, wenn es um die Entwicklung neuer Mutationen geht.

Expertinnen und Experten wie der Virologe Adam Grundhoff vom Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie gehen sogar davon aus, dass das Coronavirus zukünftig weniger pathogen werden könnte. Das heißt, es könnten Varianten entstehen, die seltener schwere Krankheitsverläufe verursachen. „Das wäre für das Coronavirus sogar vorteilhafter“, sagte Grundhoff Anfang Dezember im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Wenn ein infizierter Mensch draußen rumläuft und nicht krank im Bett liegt, dann hat das Virus größere Chancen, andere zu infizieren. Für das Coronavirus ist es optimal, wenn der Mensch die Infektion gar nicht mitkriegt und unbemerkt andere ansteckt, dann kann es sich leichter verbreiten.“

RND

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