Neue Bauernregeln: Kampagne polarisiert NRW

Humorvoll oder schlechter Stil?

"Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein" - mit solchen Sprüchen im Stil traditioneller Bauernregeln wollte das Bundesumweltministerium zur Diskussion über nachhaltige Landwirtschaft und Umweltschutz anregen. Die Bauern in NRW sind verärgert. Das Ministerium rudert inzwischen zurück.

NRW

, 13.02.2017, 05:07 Uhr / Lesedauer: 3 min
Elf "Neue Bauernregeln" hat das Bundesumweltministeriums ausarbeiten lassen. Mit ihnen soll in 70 deutschen Städten plakatiert werden.

Elf "Neue Bauernregeln" hat das Bundesumweltministeriums ausarbeiten lassen. Mit ihnen soll in 70 deutschen Städten plakatiert werden.

"Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist", sagt eine beliebte Bauernregel, die einfach immer stimmt. Bei Bundesumweltministerin Barbare Hendricks sind die Wetteraussichten gerade ebenfalls leicht zu benennen. Seit ihrer Kampagne mit dem Namen "neue Bauernregeln" gibt es starken Gegenwind.

"Wir brauchen eine breite Diskussion über eine Landwirtschaft, die sozial und ökologisch ist", sagte Hendricks bei einer Rede im Januar. Das Zitat prangt nun auf der neuen Kampagnenseite www.neue-bauernregeln.de. Im Mittelpunkt stehen aber eben jene namengebende "neue Bauernregeln" und die gehen so: "Strotzt der Boden vor Nitraten, kann das Wasser arg missraten", "steh'n im Stall zu viele Kühe, macht die Gülle richtig Mühe" oder auch so: "Wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist". Dazu gibt es Informationen zu gesunder Ernährung, zum Thema saubere Gewässer oder biologische Vielfalt. Die Zitate wurden auch auf zahlreiche Plakate gedruckt und hängen seit Ende Januar in 70 deutschen Städten. 

"Peinlich und beleidigend"

Schlechte Reime, die aktuell vor allen Dingen die Gemüter der Bauern erhitzen. Von "großer Verärgerung" schreibt Agrarminister Christian Schmidt (CSU). Da werde der gesamte bäuerliche Berufsstand "an den Pranger gestellt". Der Deutsche Bauernverband forderte eine Einstellung der Kampagne. 

Besonders verärgert zeigt man sich auch in NRW. "Sich in Wahlkampfzeiten als Weltenretterin und vermeintlich bessere Landwirtschaftsministerin zu profilieren, ist peinlich und für die Bauernfamilien in Deutschland zudem beleidigend", teilt Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) aus Münster in einer Mitteilung mit. 

"Zweckentfremdung von Steuergeldern"

Nicht auf die Misstände in der Landwirtschaft, sondern auf die Missstände in der Politik weise die Ministerin hin. Das jedenfalls finden Friedhelm Mey und Hugo Bentrup, beide Landwirte aus Selm und Mitglieder der örtlichen CDU. Humorlos seien sie nicht, aber die Bauernregeln ärgern sie. Da sind sie sich mit ihrem Berufskollegen Friedrich Ostendorff aus Bergkamen, der für die Grünen im Bundestag sitzt, einig.

„Das ist eine Zweckentfremdung von Steuergeldern“, sagen alle Drei. 1,6 Millionen Euro soll die soll die Aktion laut Angaben des Ministeriums gekostet haben. Grund genug für den Bund der Steuerzahler sich ebenfalls zu Wort zu melden: "Das ist Verschwendung und nicht bauernschlau", kalauert der Verband in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". 

Hendricks solle die Plakate lieber einstampfen „und mit der Arbeit beginnen“, rät Landwirt Ostendorff. Da sie auch Bauministerin sei, müsse sie sich nämlich die Frage gefallen lassen, was ihr Beitrag dazu sei, dass moderne Ställe künftig dem Tierwohl mehr entsprechen als heute. Im Münsterland gäbe es zahlreiche Landwirte, die durchaus neuartige Außenklimaställe bauen wollten - also Ställe, die es den Tieren ermöglichen, auch rauszugehen. Anträge ließen sich vor Ort aber nicht umsetzen, weil dafür die baurechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht formuliert seien.

"Mit dem Thema auseinandersetzen"

Barbara Hendricks bemühte sich zunächst um Ruhe. "Es gehe um Fehler im System", sagte ihr Sprecher noch in der vergangenen Woche, nicht darum, irgendjemanden zu beleidigen oder an den Pranger zu stellen. Am Donnerstag ruderte Hendricks dann ein wenig zurück. Ein Sprecher ihres Ministeriums ließ ausrichten: mit den "spielerisch-humorvollen 'Bauernregeln'" sei es gelungen, die Aufmerksamkeit eines großen Teils der Öffentlichkeit für das Thema zu gewinnen. Jetzt komme das Ministerium aber zu seinem "Kernanliegen": einen breiten Dialog darüber zu führen, wie Landwirtschaft und Naturschutz miteinander versöhnt werden könnten. Dafür solle nun eine neue Homepage online gehen. 

Ralf Bilke, Agrarreferent bei der Umweltschutzorganisation BUND NRW hätte den Dialog von Anfang an anders geführt.  Eher mit Inhalten, als über ulkige Sprüche. Allerdings empfindet er die aktuelle Empörung als ziemlich aufgeblasen. "Es geht nicht um Kritik an Bauern als Person, sondern um Kritik an der Sache."

Bilke sieht zum Beispiel "erheblichen Handlungsbedarf" in den Bereichen Tierhaltung, Gülle und Gentechnik. Der nun kritisierende Agrarminister Schmidt hingegen sei "ein massiver Ausbremser". Inwieweit das Duell zwischen Schmidt und Hendricks schon Wahlkampf-Strategie sei, vermag er nicht zu sagen. Aber: "Ich würde mich natürlich freuen, wenn solche Themen nicht erst zum Ende der Legislaturperiode aufkommen." Bilke findet die Auseinandersetzung mit Umweltschutz und Tierwohl wichtig. "Die Bundesumweltministerin versucht, ein ernstes Thema anzusprechen, ob das den richtigen Ton trifft, ist Geschmackssache."  Die Verbraucherschutzzentrale NRW wollte die Kampagne auf Anfrage nicht kommentieren. Eine Sprecherin sagte nur so viel: "Es ist wichtig, mit Verbrauchern einen Diskurs über Lebensmittel und deren Qualität zu führen." Der Hahn auf dem Mist kräht weiter. Ihn hat ohnehin niemand gefragt.

Die Kampagne im Internet
Zur Homepage der Bauernregel-Kampagne und den einzelnen Sprüchen geht es hier.

 

Mit Material von dpa