Neuanfang oder Moustafa - «Renommee steht auf Spiel»
Der internationale Handball steht am Scheideweg. «Das gesamte Renommee der Sportart und nicht zuletzt ihre Glaubwürdigkeit stehen auf dem Spiel.» Vor dem Kongress des Handball- Weltverbandes IHF vom 4. Juni an in Kairo können die Worte für Jeannot Kaiser nicht groß genug sein.

Hassan Moustafa (r) und Horst Köhler bei der Eröffnung der WM 2007 in Deutschland.
Der 61-jährige Luxemburger kandidiert gegen den umstrittenen Amtsinhaber Hassan Moustafa als Präsident und verspricht einen Neuanfang mit «deutlich mehr Transparenz». Die Aussichten auf eine Ablösung des 64-jährigen Ägypters sind jedoch nicht nur wegen dessen Heimvorteils gering.
Zum einen sind die Europäer uneins, zum anderen hat Moustafa eine Allianz aus Afrika, Asien und Südamerika für sich bestellt. Kaisers Hoffnung: «Ich denke, dass nicht alle afrikanischen und asiatischen Verbände ihre Stimme für Moustafa geben. Dann habe ich gute Chancen.» Unklar ist das Wahlverhalten der deutschen Delegation. Ulrich Strombach, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), hatte noch bei der WM Anfang des Jahres in Kroatien erklärt: «Ich habe nichts gegen eine weitere Amtszeit von Hassan Moustafa, aber ich habe noch viel weniger etwas gegen eine demokratische Wahl mit mehreren Kandidaten.»
Moustafa mit Hillary Clinton, Moustafa mit Horst Köhler, Moustafa mit Jacques Rogge - in seiner als «Bericht an den Kongress» deklarierten Wahlkampfbotschaft auf der Internetseite des Verbandes stellt sich der Ägypter inklusive ausführlicher Vita im besten Licht dar. Seinem einzig verbliebenen Kontrahenten Kaiser will er hingegen nicht einmal Redezeit auf dem Kongress einräumen, um sich und seine Absichten vorzustellen. Der Ägypter hatte in einem Brief an alle Verbände angekündigt, dass sich der Luxemburger «aus Zeitgründen» nicht vor den erwarteten 120 Delegierten präsentieren könne. Der Isländer Gudmundur Ingvarsson hatte seine Kandidatur zurückgezogen.
Seit 2000 steht Hassan Moustafa dem Verband vor. Seine Amtszeit gleicht eher einer Herrschaft, heißt es selbst in IHF-Kreisen. Nicht zuletzt deswegen trägt er den Spitznamen «Der Pharao». Kritiker werfen dem Absolventen der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig undemokratisches Verhalten, Günstlingswirtschaft, Verwicklung in Spielmanipulationen und unseriöses Finanzgebaren vor. Pikant: Seine Doktorarbeit stand unter dem Titel: «Elemente der Verwaltung für eine erfolgreiche Führung von Clubs und Verbänden».
Kaiser wirft Moustafa Korruption vor. «Der Präsident hat sich vom IHF-Rat die Erlaubnis eingeholt, 30 Verbänden die Reisekosten nach Kairo aus der IHF-Kasse zu zahlen. Dabei ist von einer Summe von drei Millionen Schweizer Franken die Rede. Das ist für mich Stimmenkauf», kritisiert der Luxemburger.
Nicht minder schwer sind die Vorwürfe, die IHF-Generalsekretär Peter Mühlematter erhoben hatte. Der Schweizer hatte dem IHF-Rat Unterlagen vorgelegt, die auch Grundlage für staatsanwaltliche Ermittlungen gegen IHF-Organe und Moustafa am IHF-Sitz Basel wegen des Verdachts der «ungetreuen Geschäftsbesorgung» sind. Es geht um den Verbleib von 1,6 Millionen Schweizer Franken Zuschuss für die Männer-WM 1999 in Ägypten. Damals war Moustafa Organisationschef und Präsident des ägyptischen Verbandes. Das Geld wurde auf ein Konto in Straßburg, nicht aber an den Verband überwiesen. Einer der Kontobevollmächtigten ist Moustafa. Mühlematter kandidiert trotz Rücktrittsforderung des Rates an ihn wieder als Generalsekretär.
Weiterer Kritikpunkt sind Reisekosten-Abrechnungen Moustafas. «Es kann nicht sein, dass ein IHF-Präsident Reisespesen in Höhe von 600 000 Schweizer Franken ohne Belege abrechnet. Das gibt es nirgendwo auf der Welt», sagte Kaiser. Moustafas Meinung: «Ein Präsident muss keine Belege vorbringen.» Rückendeckung erhält Kaiser auch vom Chef der IHF-Schiedsrichter-Kommission, dem Amerikaner Christer Ahl. «Moustafa muss abgewählt werden. Er war zumindest Mitwisser der vom Internationalen Sportgerichtshof CAS aufgedeckten Manipulationen bei den asiatischen Olympia-Qualifikationen im Jahr 2007», erklärte Ahl, der nicht mehr kandidiert - und sich für eine Wahl des Deutschen Manfred Prause als seinen Nachfolger einsetzt.