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Neu bei Netflix: „Das Leben ist wie ein Stück Papier“ - Habenichtse zeigen großes Herz
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Mit „Das Leben ist wie ein Stück Papier“ streamt Netflix ein türkisches Seelendrama, das im schäbigen Istanbul der Verlierer und Außenseiter spielt.
Ganz selten sieht man die Metropole Istanbul von ihrer schönen Seite. Wenn Mehmet und der kleine Ali im Meer baden oder die Brücke über die Meerenge in romantisches Licht getaucht ist. Sonst aber sind wir im schäbigen Istanbul der Verlierer und Außenseiter. Mehmet (Cagatay Ulusoy) ist der Kopf einer Truppe von Straßenkindern, die verwertbaren Müll sammeln und mit Handwagen ihren Bezirk abklappern.
„Das Leben ist wie ein Stück Papier“ heißt die türkische Netflix-Produktion, die auch dank der Deutschtürken bei uns in den Top Ten landete. Streifen aus der Türkei gibt es einige bei Netflix, dieser laviert zwischen Sozialstudie, Seelendrama und Kumpelballade, manchmal heiter, meistens traurig, deutlich auf Rührstück getrimmt.
Mehmet als Ersatzvater
Wenn Mehmet im Lagerhaus die Tagesstrecke seiner sammelnden „Ameisen“ abwiegt, hat er etwas vom Bettlerkönig Peachum aus der Dreigroschenoper. Allerdings ist er kein kaltes Rabenaas, seine Jungs sind ihm dankbar, die Truppe ist wie eine Familie, die Mehmet nie hatte.
Deshalb geht es ihm nahe, als ihm der neunjährige Ali (Emir Ali Dogrul) zuläuft, der vor einem rabiaten Stiefvater floh und mutterseelenallein in der Welt steht. Armer Ali. Mehmet wird sein Beschützer und Ersatzvater.
Mit fiebriger Energie
Seine Fürsorge grenzt schon an Besessenheit. Mehmet opfert sich auf für den Kleinen, obwohl er selber aus dem letzten Loch pfeift. Cagatay Ulusoy (vor der Schauspielerei auch mal „Model des Jahres“ in der Türkei) spielt diese Getriebenheit mit beunruhigender fiebriger Energie. Irgendetwas stimmt nicht mit Mehmet.
Als der Film von Regisseur Can Ulkay mit einer Erklärung aufwartet, kann die überraschen, entlarvt sich aber als abgegriffener Taschenspielertrick im Repertoire von Drehbuchautoren. Eine zudem unnötige Scharade – der harsche Realismus des Films trägt nämlich auch ohne Ausflüge in Fantasiewelten: ungeschminkte Eindrücke vom Istanbul der Habenichtse.